Ein „Start-up” ist per Definition ein Mikro-Unternehmen, bei dem die Existenzgründung noch nicht allzu lange zurückliegt. Viele solcher Betriebe warten als zentrales Element ihres Geschäfts mit kreativen, frischen und neuen Ideen oder Produkten auf; aus den besten werden im Anschluss gereifte Unternehmen oder, im Falle eines Aufkaufs, Teile eines Konzerns. Immer mehr solcher Erfolgsgeschichten beginnen in Budapest.
Das YouTube-Video „Startups in Budapest (English version)“ stellt einige ausländische Entscheidungsträger vor, die sich für die ungarische Hauptstadt als „Geburtsstadt“ und Firmensitz entschieden haben. Gemeinsam ist allen, dass sie die Architektur, das kulturelle sowie Ausgeh-Angebot und das kosmopolitische Flair der Stadt, zudem die gut ausgebildeten ungarischen Arbeitskräfte bewundern. Der Engländer Mark Webster etwa, Generaldirektor des Digitalmarketing-Unternehmens Higher Click Kft., sei vor vier Jahren per Zufall auf Ungarn gestoßen und auf gut Glück mit nicht mehr als seinem Rucksack hierher geflogen.
„Gutes Wetter und schnelles Internet“
Nach der Gründung des Unternehmens als Ein-Mann-Betrieb ging es langsam bergauf, 2013 hatte er bereits 25 Festangestellte und 50 freie Mitarbeiter. Er sei begeistert vom „Paris des Ostens“ mit seinem guten Wetter und schnellen Internet. Als Unternehmer waren für ihn die vergleichsweise günstigen Preise anziehend: „Man kann hier ein riesiges Büro mitten in der Innenstadt sehr günstig mieten“, so Webster, „Die Preise sind nicht mit Westeuropa oder den USA vergleichbar.“ Die Löhne seien signifikant niedriger, die Ausbildung der Menschen dagegen sehr gut. Elnar Hajijev, Technischer Vorstand der Softwarefirma Realeyes, betont ebenso die geistigen Fähigkeiten der Ungarn, die er unter den intelligentesten Menschen der Welt sieht: „Besonders der Mathematik- Hintergrund macht Budapest anziehend für High-Tech-Unternehmen. Es gibt viele Hochschulen mit hervorragender Mathematik- oder Physik-Ausbildung und viele ungarische Nobelpreisträger.“ Außerdem sei die zentraleuropäische Lage ideal, man könne innerhalb von ein-zwei Stunden nahezu überall auf dem Kontinent hingelangen.
Der Gründer und Vorstand der Shopping- Webseite Kupon Világ, Shehryar Pirache, sei 2010 wegen der Liebe und der wirtschaftlichen Möglichkeiten hierhergekommen, Osteuropa sei damals ein sehr vielversprechender Markt für das Coupon-Geschäft gewesen. Drei Jahre nach dem Start hatte er bereits 25 Festangestellte und über 700.000 Coupons verkauft, durch die er seinen Kunden Ersparnisse in Höhe von 6,5 Milliarden Forint beschert hatte. „Durch die Ankunft von Business-Modellen aus Deutschland oder den USA in Ungarn gibt es hier viele junge Unternehmer, die von den Universitäten kamen und ein Start-up gründeten“, erklärt Pirache. „Budapest wird dabei immer mehr zum Hub dieser Unternehmenskultur.“
Staatliche Förderung der „Revolution“
Auch von staatlicher Seite erfahren die Jungunternehmen breite Unterstützung: so startete etwa im April dieses Jahres das Volkswirtschaftsministerium (NGM) in Kooperation mit der Nationalen Innovationsbehörde (NIH), dem Design Terminal, der im vergangenen September gegründeten staatlichen Budapest- HUB-Arbeitsgruppe und heimischen sowie ausländischen Unternehmen die Veranstaltungsreihe „Start-up-Frühling“. Zu dieser gehören nicht nur Konferenzen, Firmenpräsentationen und Vorträge, sondern auch Preisverleihungen und Möglichkeiten zum Netzwerken. Wie Staatssekretär Zoltán Cséfalvay beim Wettbewerb zum diesjährigen „Zentraleuropäischen Start-up des Jahres“ verkündete, werde noch im Herbst ein Gesetzespaket im Parlament eingereicht, das die administrative sowie steuerliche Belastung von Start-ups und deren Investoren erleichtern soll. Dabei basiere das Paket auf Vorschlägen der Budapest-HUB-Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern heimischer Start-ups und Experten des NGM zusammensetzt.
Angesichts der steigenden Anzahl von Existenzgründungen, besonders im Bereich Mobile Applikationsentwicklung sprach Cséfalvay von einer „Revolution, die sich direkt vor unseren Augen vollzieht“. Die immer verbreitetere Applikationsentwicklung sei, auch aufgrund immer höherer Umsätze, „das beste Geschäft des Jahrzehnts“. Endre Spaller, Vorsitzender der NIH sagte ebendort, dass seine Behörde das Ziel verfolge, Budapest zum Start-up-Zentrum der gesamten Region zu machen; etwa, indem man ein technologisches Inkubator- sowie ein Mentoren-Programm starte und zwischen den Jungunternehmen vermittle.
Aus einigen Budapester Startups wurden bereits Firmen von Weltrang, so etwa die Softwareunternehmen Prezi, LogMeIn oder Ustream. Demnächst stellen wir Ihnen solche und andere erfolgreiche ungarische Unternehmen an dieser Stelle vor.
Auszüge aus einem Interview mit Balász Vinnai, dem Gründer der IND Group
„Es wird schwer, aus Budapest die Start-up-Hauptstadt zu machen“
Ist ein staatlicher Eingriff im Bereich Start-ups nötig?
Es ist immer das Beste, wenn etwas von selbst funktioniert. Davon unabhängig kann jede Art von Unterstützung zur Entwicklung des Geschäfts beitragen. Man muss sich aber auch vor Augen halten, dass man aus einem nicht- funktionierenden Betrieb auch mit staatlichen Hilfen keinen funktionierenden machen kann, sondern nur kurzfristige Ergebnisse erzielt. Start-ups gelten als erfolgreiches Geschäftsmodell, das wurde bereits weltweit mehrfach erwiesen, daher kann man hier mit Hilfen schneller und leichter ein wachsendes Geschäft starten. Der Staat hat meine Unterstützung, da er sich hierzu entschieden hat und da es endlich echte Experten in der Regierung gibt, die an der Entwicklung des Sektors arbeiten. Gleichzeitig würde ich uns vor dem Glauben bewahren, dass wir damit etwas vollkommen Einzigartiges auf dem Start-up-Markt tun; denn wenn wir uns andere Großstädte ansehen, erkennen wir, dass überall diese Methode angewandt wird, nicht nur in Silicon Valley, sondern auch in London, Paris, Berlin und China. Sogar hier in der zentral- und osteuropäischen Region gibt es mehrere Aspiranten für den Titel „Start-up-Hauptstadt“.
Ist das von Regierung und Branche anvisierte Ziel möglich, Budapest bis 2020 zur Start-up-Hauptstadt zu machen?
Ich wäre der Glücklichste, wenn es wirklich so wäre.
Wo steht Ungarn jetzt im Start-up-Wettbewerb?
Ich habe immer daran geglaubt, dass das ungarische Hirn außergewöhnlich ist. Man muss allerdings sehen, dass nicht allein gute Ideen ein Start-up ausmachen. Das ist nur ein kleiner Teil, wichtiger sind Management-Fähigkeiten, für die man sogar Erfahrungen aus Großkonzernen nutzen kann. Hierzulande bedeutet „Start-up“ eher nur, dass sich junge Menschen zusammentun und Unternehmen spielen. Wichtig wäre auch die bessere Verwendung der Mittel, denn in Ungarn ist es leider typisch, dass der Erhalt von Hilfen das Ziel, und nicht das Mittel ist. Es ist allerdings erfreulich, dass die Kohäsion zwischen diesen Unternehmen stark ist, es herrscht Enthusiasmus.
Das Interview erschien am 25. April auf dem Wirtschaftsportal napi.hu. Die Banksysteme entwickelnde IND
Kft. begann 1997 in Miskolc als „Garagenfirma“. Sie wurde zu einem wichtigen Player ihres Sektors, 2013
betrug ihr Jahresumsatz bereits 5,5 Mrd. Forint. Im April wurde IND von der britischen Softwarefirma Misys
aufgekauft, laut Schätzungen für 18-23 Mrd. Forint.