Update: Die nächste Vorführung des Filmes findet am 3. Juli um 20 Uhr im Toldi Kino (V. Bajcsy-Zsilinszky út 36-38) statt. Gespräch mit den Machern im Anschluss um 21 Uhr.

Gehen oder bleiben – vor dieser Frage stehen heute immer mehr junge Erwachsene. Fotos (2): Dávid Drucker
Der 26-jährige Koch und Tausendsassa Csaba geht mit seinem Sohn gerührt Pilóta Kekse kaufen, die Gogo-Tänzerin Niki zitiert weinend den Dichter Miklós Radnóti, und Luca klagt dem traditionelle chinesische Medizin praktizierenden Márk ihr Leid über ungarische Freunde, die sie als Vaterlandsverräterin betrachten. Sechs Ungarn in London, porträtiert in einem grandiosen einstündigen Dokumentarfilm und die Frage, soll ichgehen oder bleiben („Menjek/Maradjak“)?
Am vergangenen Freitag wurde im Trafó Kortárs Művészetek Háza (Trafó Haus der zeitgenössischen Künste) die Londoner Episode der Dokumentarfilm-Reihe mit dem Titel „Menjek/Maradjak“ uraufgeführt. Der Filmpremiere folgte ein von der Index-Redakteurin Anita Libor moderiertes Gespräch zwischen den Machern, namentlich Loránd Balázs Imre, Csaba Hernáth und László Józsa, und den Migrationsforschern András Kováts (Menedék Verein für Migranten) und Béla Soltész (Corvinus-Universität Budapest). Imres erste Amtshandlung war ein Handyfoto vom Publikum im voll besetzten großen Saal des Trafó, Artikulation seiner Begeisterung über das große Interesse am Filmprojekt.
Bereits der erste Dokumentarfilm aus der Reihe, die in New York gedrehte Debütepisode, erhielt viele positive Kritiken. Wie Produzent László Józsa im Trafó erzählte, kaufte die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt Magyar Televízíó den Film damals, was den Machern erstmalig Gelegenheit bot, ihr Werk der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Viele, insbesondere die Sponsoren, machte der erste Teil erst auf die Idee von „Menjek/Maradjak“ aufmerksam, denn finanziert wurde der New Yorker Erstfilm noch komplett aus eigener Tasche. Dabei steht hinter der Dokureihe das Speak Easy Project, quasi das übergeordnete Kreativunternehmen der drei Filmemacher. Ob Filmdrehs für Events und Musik oder PR und Social Media-Marketing – das Trio hat ein breites Portfolio. Das Projekt „Menjek/ Maradjak“ sticht jedoch als besonderes Juwel heraus; schnell spürt man, dass es sich hierbei um eine Herzensangelegenheit handelt.
Viele kämen gern zurück
„Menjek/Maradjak“ beschäftigt sich in jeder Episode mit ausgewanderten Ungarn in einer jeweils anderen Stadt. Hierbei werden Erfahrungen, Motivation und das Dilemma des In-der-Fremde-Lebens diskutiert, ohne dabei ein künstlich angeleitetes Endprodukt zu schaffen. Wer welchen Aspekt der eigenen Emigration einfließen lässt, bleibt den Porträtierten selbst überlassen, wodurch ein authentisches und heterogenes Abbild der sogenannten Generation „Neue Mobilität“ erzeugt wird.
Die Aussage des Films unterschreiben auch die Migrationsforscher András Kováts und Béla Soltész. Im Auftrag des Institutes für Minderheitenforschung im Forschungszentrum für Gesellschaftswissenschaften an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA) erstellten die beiden mithilfe der Antworten von 5.200 in Großbritannien lebenden Ungarn eine Studie, die einerseits die Gründe für Emigration untersuchte und andererseits eine Evaluation des neuen Lebens im Ausland erfragte. Inspiriert wurde die bisher einmalige Studie vom Film, wie Kováts im Trafó erzählte. Wie die Antworten der Befragten zeigen, sind etwa dreiviertel von ihnen auch außerhalb Ungarns glücklich, ein Drittel möchte auf jeden Fall im Ausland bleiben. Vor allem der höhere Lebensstandard, mehr berufliche Chancen und ein besseres Einkommen begründen diese Entscheidung. Die Argumente für Ungarn, nach England auszuwandern, liegen vor allem in wirtschaftlichen Gesichtspunkten begründet, so in der Stagnation des Wirtschaftswachstums und des Arbeitsmarktes in den letzten fünf Jahren; sie hängen jedoch auch mit der politischen Situation zusammen, die viele nicht zufriedenstellt. Laut den Forschern ist hier die Besonderheit, dass viele Ausgewanderte dauerhaft in ihre ungarische Heimat zurückkehren wollen, sobald sich hier wirtschaftlich oder politisch etwas zum Positiven für sie verändert.

Gespräch mit Index-Redakteurin Anita Libor (r.) mit den Machern Loránd Balázs Imre, Csaba Hernáth und László Józsa, den Migrationsforschern András Kováts und Béla Soltész. Foto: Zsuzsa Bakonyi
Premiere mit allerlei Zugaben
Die Veranstaltung im Trafó wurde neben der Filmvorführung und dem anschließenden Gespräch von einem umfassenden Programm mit einer angenehmen Mischung aus Kultur, Unterhaltung und Bildung begleitet. Im anschließenden Konzert des Trompeters Lőrinc Barabás stellte der Musiker zusammen mit Schlagzeuger Márk Badics unter dem Namen Sastra und mithilfe einer Loop-Station eigenwillige moderne Jazz-Klänge vor, bevor der Klangkünstler SABW, der auch die atmosphärische Musik zu „Menjek/ Maradjak“ komponierte und im wahren Leben Csaba Bognár heißt, gemeinsam mit Schlagzeuger Tamás Czirják und VJ Attila Floszmann elektronische Musik der besonderen Art zum Besten gab. SABW arbeitete auch bereits anderweitig mit dem Speak Easy Project zusammen.
Auf der Afterparty im Kontra Klub unterhielten dann Anima Sound System mit einem DJ-Set von Zsolt Prieger und Gergely Németh beziehungsweise Imre Kiss und verschafften dem stimmigen Abend damit eine gelungene nächtliche Abrundung. Mit dem vielschichtigen „Crossroads“ lieferten Anima Sound System die Titelmusik zu „Menjek/Maradjak“, dessen Musikvideo ebenfalls vom Team des Speak Easy Project gedreht und mit vielen Filmszenen angereichert wurde.
Die New Yorker Episode kann auf der Seite des Speak Easy Projects, www.speakeasyproject.com, in voller Länge angesehen werden.
Webseite des Filmes: www.menjekmaradjak.hu