In keiner Stadt mangelt es an Mythen, an urbanem Gemunkel über diese oder jene mysteriöse Begebenheit vergangener Zeiten, an Geschichten, die selbst die kleinste Ungereimtheit in den Rang eines Staatsgeheimnisses erheben. Und in keiner anderen Stadt gedeihen sie so gut wie im historischen und wunderschönen Budapest. Die Budapester Zeitung geht in ihrer neuen Reihe einigen dieser oft von Touristenführern wiedergegebenen Stadtlegenden auf den Grund.
Majestätisch thront sie über Budapest, und egal, aus welcher Himmelsrichtung man in die Stadt fährt: Sie taucht als Erste am Horizont auf. Die Rede ist von der Freiheitsstatue auf dem Gellértberg. Sie ist eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt, das bis 1990 sogar als Motiv auf 10 Forint-Münzen geprägt wurde.
Seit dem Jahre 1947 wacht die 14 Meter hohe Frauengestalt als größte von insgesamt drei Bronzestatuen über die Stadt. Zu ihren Füßen die Inschrift, „Im Gedenken an all jene, die ihr Leben gaben für die Unabhängigkeit, Freiheit und das Wohl Ungarns“; hoch über ihren Kopf hebt sie einen Palmenzweig, um welchen sich diverse Mythen ranken. Laut einer sich hartnäckig haltenden Legende habe die Frauengestalt ursprünglich einen Propeller in Händen gehalten. Denn der Erzählung zufolge habe Miklós Horthy, Reichsverweser zwischen 1920 und 1944, die Statue einst in Auftrag gegeben, um seinen verstorbenen Sohn István Horthy zu ehren. Dieser war als Testflieger zu Beginn des Zweiten Weltkrieges tödlich verunglückt. Nach dem Sieg der Roten Armee in Ungarn im Februar 1945 sei jedoch der Propeller durch den Palmwedel ersetzt wurden. Nicht länger habe man an Miklós Horthy, der dem Hitler-Regime nahestand, erinnern wollen.
Wirklichkeit und Legende
Die Entwürfe für das heutige Monument stammen von Zsigmond Kisfaludi Strobl (1884-1975), zu dessen berühmtesten Werken ebenfalls die Kossuth Statue am Parlamentsvorplatz gehört. Tatsächlich gab Miklós Horthy nach dem Tod seines Sohnes 1942 dem Künstler den Auftrag, ein Monument zu Ehren des Gefallenen zu entwerfen. Doch wie Kisfaludi Strobl später wiederholt betonte, waren die Entwürfe, die er für Horthy erstellte, und das heutige Monument neben der Zitadelle nicht identisch.
Nach der Wende drohte der Abriss
Die heutige Freiheitsstatue wurde noch vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges von General Kliment Vorosilov als Symbol der Befreiung Budapests durch die sowjetischen Truppen angeordnet. Ursprünglich trug das Monument die Inschrift, „Zum Gedenken an die sowjetischen Helden – das ungarische Volk“. Was das ungarische Volk, das sich weniger befreit als vielmehr erneut besetzt sah, davon hielt, zeigte es während der Revolution 1956, bei der das Monument gestürmt und teilweise zerstört wurde. Mit der politischen Wende stand die Zukunft der Statue auf der Probe; einige forderten den sofortigen Abriss, andere ein unverändertes Weiterbestehen. Schließlich wurde ein Kompromiss ausgehandelt: Zwei kleinere Statuen, die sowjetische Soldaten darstellten und zum Monument gehörten, wurden abgerissen und die Gedenktafel mit ihrer heutigen Inschrift angebracht. So darf die Freiheitsstatue bis heute in den Budapester Himmel ragen und Gezeiten und Touristenströme an sich vorüberziehen lassen.
Geformt, aber nach wem?
Was nicht jeder weiß: Als Modell stand dem Bildhauer eine ungarische Krankenschwester, deren Enkel sicherlich noch heute zu ihrer berühmten und doch namentlich unbekannten Vorfahrin aufblicken.
Ich habe einmal gehört, das Modell würde aus Ödenburg stammen und wäre eine Geliebte des Künstlers gewesen. Also kein so großes Geheimnis.