Ungarns RTL entdeckt kritischen Journalismus
In Ungarn hat die nationalkonservative Regierungsmehrheit von Viktor Orbán in der Vorwoche ein Gesetz über die Einführung einer Werbesteuer verabschiedet. Sie trifft vor allem den Privatsender RTL Klub, der fortan 40 Prozent seiner Werbeeinnahmen an den Staat abführen muss. Der Blogger Véleményvezér wundert sich, dass RTL Klub erst als Reaktion auf die Steuer begonnen hat, kritische Berichte über die Regierung auszustrahlen: „Der Sender RTL Klub hat uns vor Augen geführt, dass er einen riesigen politischen Einfluss hat, wenn er will. In westlichen Ländern ist eine kritische Berichterstattung der Standard. (…) Wenn RTL Klub seine kritische Berichterstattung in den nächsten Monaten fortsetzt, wird niemand mehr glauben, dass der Fidesz [die Regierungspartei] nicht abwählbar ist. (…) Dies ist einerseits beruhigend, andererseits erschreckend. Wo blieb die kritische Berichterstattung von RTL in den vergangenen Jahren? Die Antwort: So lange der Sender ungehindert Geld scheffeln konnte, lag es nicht in seinem Interesse, kritisch zu berichten.“ (12. Juni 2014)
Roma können es den Ungarn nie recht machen
Die rund 800.000 Roma in Ungarn werden oft mit Geringschätzung und teilweise Hass aus der Mehrheitsbevölkerung konfrontiert. Zugleich wird in der ungarischen Öffentlichkeit oft die Ansicht geäußert, dass Roma lernen, arbeiten und sich integrieren sollten, um akzeptiert zu werden. Die linksliberale Tageszeitung Népszabadság provoziert die Anhänger dieses Standpunkts: „Dieser Satz ist irgendwie schwer zu glauben: Wir Ungarn haben keine Probleme mit unseren Minderheiten, wenn sie lernen, arbeiten und sich integrieren. Worin lag aber dann [während der Besetzung durch Nazi-Deutschland] das Problem der Magyaren mit den Juden, die unter den europäischen Ländern in Ungarn am stärksten assimiliert waren [aber zu Hunderttausenden deportiert wurden]? (…) Werden wir einen Maler, Mechaniker, Anwalt oder Informatiker, der Roma ist, auch dann mögen, wenn er uns oder unseren Kindern den Arbeitsplatz wegnimmt? Inwieweit sollen sich die Roma überhaupt assimilieren? Reicht es, wenn sie sich jeden Tag baden und im Bus nicht laut sind? Oder sollten sie partout eine weiße Hautfarbe haben?“ (12. Juni 2014)
In Ungarn war die Wende nur eine halbe
Ungarn hat am Montag den 25. Jahrestag der Neubeisetzung des ehemaligen Ministerpräsidenten Imre Nagy begangen. Nagy, der wegen seiner Beteiligung am Volksaufstand 1956 hingerichtet wurde, gilt als Nationalheld und seine Neubeisetzung 1989 als Meilenstein des Demokratisierungsprozesses. Politologe Tamás Fricz weist in der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet allerdings darauf hin, dass die kommunistische Elite Ungarns sich anders als in anderen Ländern ins demokratische System hinüberretten konnte: „Denken wir nur an die Tschechoslowakei, wo das Regime von Gustáv Husák sich weigerte, der Realität ins Auge zu blicken und abzudanken. (…) Ähnlich war es in der DDR, wo Erich Honecker bis zu seinem Sturz daran glaubte, an der Macht zu bleiben. (…) Demgegenüber gingen die Vertreter der ungarischen Staatspartei MSZMP listig daran, mit der demokratischen Opposition zu verhandeln und nicht nur ihre Macht, sondern auch ihr Vermögen zu retten. (…) Da sie den Veränderungen nichts entgegensetzen konnten, stellten sie sich kurzerhand an deren Spitze.“ (17.
Juni 2014)