Politikverdrossenheit macht sich breit in Ungarn, die Wahlbeteiligung stagniert oder sinkt sogar, und immer mehr junge Menschen wenden sich von der Politik ab, mit der Aussage „Bringt doch eh nichts“. Doch es gibt auch solche, die etwas verändern wollen.
Bertram Marek ist jung und unverhohlen ambitioniert, wenn es um seine berufliche Zukunft geht: „Ich möchte Politiker werden, weil ich etwas in diesem Land verändern möchte.“ Solche und ähnliche Sätze klingen aus dem Mund eines jungen Studenten entweder nach Versprechen oder Versprecher, denn was könnte er, ohne Partei oder nennenswerte Erfahrung, im politischen Betrieb verändern? Und doch sorgte eben dieser junge Mann für einigen Wirbel. Mit welchen Konsequenzen ist allerdings noch offen.
Wenig Vertrauen in Kleinparteien
Zur Erinnerung: Bertram Marek war es, der neugegründeten und bis kurz vor der Wahl fast komplett unbekannten Parteien wie der grünen Zöldek Pártja, der Zigeunerpartei MCP und der von der ehemaligen Parlamentspräsidentin Katalin Szili geführten KTI vorwarf, sich gegenseitig Unterstützerunterschriften zugeschachert oder gar verkauft zu haben. Derzeit ermittelt die Korruptionsabteilung der hauptstädtischen Polizei in der Sache. Tatsächlich ist es so, dass keine dieser Parteien vorher wirklich in Erscheinung getreten ist. Facebook – durchaus ein guter Indikator für Aktivität in Ungarn – kennt viele der Parteien beispielsweise erst seit dem Herbst des vergangenen Jahres. Die KTI beispielsweise ist seit Oktober 2013 im sozialen Netzwerk vertreten, die Ungarische Zigeunerpartei MCP trat zwei Monate später bei. Auch die Klickzahlen sprechen eine deutliche Sprache: bei der KTI sind es knapp 17.800 „likes“, bei der MCP gar weniger als 4.000. Trotzdem brachten es beide Parteien auf 47 respektive 50 Kandidaten.
Um diese Zahlen richtig einzuschätzen, muss man jedoch Folgendes wissen: Ein Kandidat benötigt 500 Unterschriften. Dies wären im Falle der KTI 23.500 Signaturen, im Falle der Zigeunerpartei gar 25.500 Unterschriften – gesammelt in zwei Wochen, wohlgemerkt. Eine beachtliche Leistung, die jedoch von Bertram Marek offen angezweifelt wird. Denn zwar konnte jeder Wahlbürger mehrere Kandidaten unterstützen, doch logistisch war dies trotzdem eine Herausforderung. Weder die KTI noch die MCP noch die ebenfalls von Marek angezählte JESZ bestreitet, bezahlte Hilfskräfte für das Unterschriftensammeln gehabt zu haben, anders sei dies für Klein- und Kleinstparteien schlicht nicht machbar gewesen. Der junge Polit-Aktivist streitet jedoch nicht über die Rechtmäßigkeit bezahlter Kräfte, sondern über deren Methoden. Er erinnert sich: „Das alles fing an, als der Parteileitung bewusst wurde, dass Dániel Deák nur sehr wenige Unterschriften erhalten hat. Dabei ist er für die Partei enorm wichtig, da er auch als Ungar (Nicht-Zigeuner – Anm.) in den Farben der MCP gestartet ist. Das Ziel, das Roma-Problem als gesamtgesellschaftliches Problem darzustellen wäre mit seiner Hilfe glaubwürdiger gewesen.“ Dies war an einem Samstag. Am Montag darauf war im Büro die Hölle los: Ein hoher Vertreter der Partei telefonierte den ganzen Tag, „ich wusste, ich muss mich an ihn wenden, wenn ich an Unterschriften kommen will“, so Marek. Ab dann sei gnadenlos kopiert worden. Zuerst noch Name für Name die Liste hinab, etwas später, als zwei Mädchen im Fernsehen davon berichteten, von Aktivisten der Klein-Partei JESZ eingesperrt worden zu sein, um Unterschriften zu fälschen, wurden die Listen kopiert, in Streifen geschnitten und diese dann an die Kopisten verteilt.
Anzeige gegen fünf Kleinparteien
Marek sammelte Beweise, ging an die Öffentlichkeit, suchte sogar einige der Bürger auf, deren Unterschriften seiner Meinung nach gefälscht wurden. Ein Video zeigt diese Besuche. Markantestes Beispiel: Ein älterer Mann sitzt an einem Tisch, vor ihm ausgebreitet Kopien der angeblich gefälschten Listen: „Die Angaben (Name, Adresse – Anm.) stimmen zwar, aber das ist nicht meine Unterschrift. Ich habe für keine Partei unterschrieben. Das, was hier geschrieben steht, kann man auch aus dem Telefonbuch entnehmen. Auch meine Ausweisnummer stimmt nicht.“ Mittlerweile hat der ambitionierte Jung-Aktivist Anzeige gegen fünf Kleinparteien erstattet, bisher ohne Erfolg: „Die Unterschriftenlisten müssen 90 Tage lang nach der Wahl aufbewahrt werden. Ich fürchte, dass wenn bis dahin kein entscheidender Schritt passiert, wichtige Beweise verloren gehen könnten“, sagt Marek.Seitens der beschuldigten Parteien hüllt man sich in Schweigen. Auf Anfrage der Budapester Zeitung reagierte lediglich die JESZ: „Mehr als 1.000 Aktivisten und bezahlte Kräfte haben am Erfolg der Unterschriftensammlung mitgewirkt. Vorerst haben wir keinen Grund, an der Rechtmäßigkeit ihrer Arbeit zu zweifeln.“ Bei so viel Desinteresse seitens der Parteien, wenn es um Aufklärung geht, wer kann es dann den potentiellen Wählern verdenken, wenn sie lieber nicht zur Wahl gehen? Getreu dem Motto „Bringt ja eh nichts!“
Wie richtig Ihr Bericht ist. Das scheint fast überall auf der ganzen Welt das gleiche zu sein mit diesem Wahlbetrug und korrupten Politikern. Keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus. Junge aufstrebende Politiker lernen von den alten Hasen wie das Geschäft läuft und kopieren es ein zu eins-wen wunderts. Leute werden für dumm verkauft von diesen achso voller seriösen Plänen schwadronierenden Politikern. Hochtrabende Pläne, die nach gewonnener Wahl wie Seifenblasen in der Luft zerplatzen. Wir reden hier von Europa und nicht von irgendwelchen Bananenrepubliken jenseits von Afrika. Eine Lösung, nein, die habe ich auch nicht. Es ist das Problem der Ausweglosigkeit zu diesem Thema und keiner in Europa hat eine grandiose Idee und vernünftige Leute. Ich kann die Politikverdrossenheit der Leute verstehen. Sie erfasst mich langsam selber.