Deutschland sei ein strategischer Partner der besonderen Art für Ungarn. Dies erklärte Regierungschef Viktor Orbán am Donnerstag vergangener Woche bei einem offiziellen Besuch in Berlin.
Vor seinem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sagte Orbán, dass es in den kommenden Jahren seine Absicht sei, die hervorragenden deutsch-ungarischen Beziehungen weiter zu verstärken und zu vertiefen. Der ungarische Premier erinnerte daran, dass deutsche Unternehmen seit 2010 rund sechs Milliarden Euro in Ungarn investiert hätten. Im Hinblick auf den Wahlsieg des Fidesz bei den ungarischen Parlamentswahlen am 6. April sagte er, dass seine Regierung voller Taten- und Gestaltungsdrang sei.
„Wir haben viel Kraft”, so Orbán, „um den erfolgreichen Weg der vergangenen vier Jahre fortzusetzen.” In diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass die ungarische Industrieproduktion im März dieses Jahres um 10,6 Prozent höher lag als im selben Zeitraum des Vorjahres. Orbán ließ auch durchblicken, dass seine Regierung die Anstrengungen Deutschlands, den russisch-ukrainischen Konflikt auf diplomatischem Wege beizulegen, unterstütze. Ungarn unterstützt ferner die Bestrebungen Deutschlands, in Sachen Ukraine einen gemeinsamen EU-Standpunkt auszuhandeln.
Kritische Töne von Merkel
Angela Merkel erklärte vor dem Treffen mit Orbán, dass beide Länder bestrebt seien, die guten bilateralen Beziehungen weiterzuentwickeln. Die deutsche Kanzlerin merkte aber auch kritisch an, dass sie mit den Handlungen des ungarischen Ministerpräsidenten nicht immer übereinstimme. Wenn jemand nicht Wort halte, dann müsse man aufpassen. Merkel hatte Orbán bereits nach seinem Wahlsieg Anfang April dazu aufgerufen, die neuerliche Zweidrittelmehrheit mit Augenmaß und Zurückhaltung zu handhaben.
Merkel kritisierte auch, dass die „rechtlichen Rahmenbedingungen” in Ungarn in den vergangenen vier Jahren nicht immer den Erwartungen deutscher Unternehmen entsprochen hätten. Gleichwohl wies sie darauf hin, dass es zahlreiche positive Beispiele für die wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Länder gäbe. Mit Blick auf die Krise in der Ukraine betonte Merkel, dass die ukrainische Präsidentschaftswahl am 25. Mai von eminenter Bedeutung sein werde. Sie zeigte sich aber zuversichtlich, dass der russisch-ukrainische Konflikt noch auf dem Verhandlungsweg beigelegt werden könne.
Vor seinem Treffen mit Angela Merkel hatte Orbán zum einen eine Unterredung mit dem Präsidenten des Deutschen Bundestags, Norbert Lammert, zum anderen war er Gastredner beim WDR-„Europaforum” in Berlin. Dort betonte er, dass bei den ungarischen Parlamentswahlen vor einem Monat die „politische Mitte” gewonnen habe. Überdies forderte er den Westen dazu auf, mehr Akzeptanz gegenüber den Problemlösungen Zentraleuropas zu zeigen. Diese hätten weder mit Unorthodoxie noch mit Engstirnigkeit etwas zu tun, betonte Orbán.
Wenig mediales Interesse
In den deutschen Medien wurde über das Treffen Merkels mit Orbán kaum berichtet. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (ARD und ZDF) fand das Treffen keine Erwähnung. Anders die ungarischen Medien: Hier wurde Orbáns Begegnung mit Merkel rege behandelt und kommentiert. Während ein Teil der Kommentatoren über das exzellente Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn frohlockte, hob der andere Teil die kritischen Bemerkungen Merkels gegenüber der Regierung Orbán hervor.