Seit einem Jahr ist Dominic Köfner als Vice President für die Unternehmenskommunikation des ungarischen Energiekonzerns verantwortlich. Wir sprachen mit dem Deutsch-Österreicher über den Wandel der MOL Group von einem rein ungarischen zu einem internationalen Unternehmen, die weltweiten Förderaktivitäten der MOL Group und den immer noch aktuellen INA-Konflikt.
Wie kommt ein Deutscher bei einem ungarischen Unternehmen in eine so hohe Führungsposition?
Die MOL Group, zu der auch die MOL Nyrt. gehört, ist ein internationaler Konzern und weltweit in rund 40 Ländern engagiert. 70 Prozent aller Mitarbeiter der MOL Group arbeiten mittlerweile außerhalb Ungarns, und über 50 Prozent des Vorsteuergewinnes (EBITDA) werden außerhalb Ungarns generiert. Von daher ist es eine logische Schlussfolgerung, dass internationale Manager im Headquarter in Budapest arbeiten. Generell verfolgt die MOL-Gruppe seit etwa zwei Jahren eine verstärkte Internationalisierungsstrategie, da profitables Wachstum nur über internationale Expansion erreicht werden kann. Wenn man in den Bereich Exploration blickt, muss man festhalten, dass der Zenit der Förderraten in Ungarn erreicht ist. Von daher muss die MOL Group weltweit in neue Öl- und Gasfelder investieren.
In Ungarn gibt es signifikante Öl- und Gasvorkommen?
Ja durchaus. Wir fördern hier rund 560.000 Tonnen pro Jahr, das sind 7 Prozent des Durchsatzes der ungarischen Raffinerien. Bei Erdgas kann Ungarn sogar 20 Prozent seines heimischen Bedarfs aus eigenen Quellen decken. Allerdings sind diese Quellen „mature“, das heißt, sie weisen langsam sinkende Fördermengen auf. Hier können wir nur durch eine stärkere Internationalisierung beziehungsweise Diversifizierung gegensteuern. Momentan fördern wir insgesamt etwa 100.000 Barrel am Tag. Diese Förderrate wollen wir in den kommenden drei Jahren nahezu verdoppeln. Nicht zuletzt deshalb hat die MOL Group vor rund einem Jahr mit Alexander Dodds einen ausgewiesenen internationalen Experten zum Executive Vice President für den Bereich Upstream ernannt. Der gebürtige Schotte war vorher unter anderem Leiter von Exxon Mobile in Quatar und hat insgesamt über 35 Jahre Erfahrung im Bereich Exploration & Production. Er wird mit dafür sorgen, dass dieses ambitionierte Förder-Programm Wirklichkeit wird. Dass die MOL Group Alexander Dodds gewinnen konnte, ist ohne zu übertreiben eine Sensation.
Werden Sie auch in neuen Ländern und Regionen aktiv?
Das haben wir vor. Momentan fördern wir unter anderem in Ungarn, Kroatien, Kurdistan, Ägypten und Pakistan. Vor kurzem haben wir von der deutschen Wintershall Fördereinrichtungen in der Nordsee gekauft. Wir sind dort aber noch keine Betreiber, da uns das Know-how für Offshore in der Nordsee noch fehlt. Wir sind aber an den dortigen Förderaktivitäten beteiligt. Wir wollen in den kommenden Jahren selbst Betreiber solcher Offshore-Aktivitäten werden und in der dortigen Region weiter wachsen. Just in dieser Woche werden wir zu diesem Zweck unser Büro im schottischen Aberdeen offiziell eröffnen. Aberdeen ist die inoffizielle Öl-Hauptstadt Großbritanniens. Mit der Internationalisierung der MOL-Gruppe hängt auch meine Präsenz zusammen: wenn der Konzern im Ausland wachsen will, dann braucht er an der Spitze international erfahrene Manager.
Wie viele Ausländer sind inzwischen in der Budapester Zentrale der MOL-Gruppe beschäftigt?
Hier im Hauptquartier sind etwa 22 Prozent Ausländer tätig, Tendenz leicht steigend. Bei ähnlichen international agierenden Energiefirmen stammen durchschnittlich etwa 20-30 Prozent der Mitarbeiter aus einem anderen Land als der Heimat der betreffenden Firma, wir sind hier also auf einem richtigen Weg. Die Internationalisierung des Mitarbeiterstammes hat aber auch noch einen anderen Grund: Wir würden einfach nicht mehr ausreichend Experten finden, wenn wir nur in Ungarn suchen würden. Wir sind also gezwungen, weltweit um die besten Köpfe zu kämpfen. Wobei wir natürlich auch in Ungarn unser Möglichstes versuchen, um junge Menschen, die von der Hochschule oder Schule kommen, anzusprechen und langsam an die MOL zu binden – etwa mit unseren Freshhh- und GROWWW- Programmen. Der Kampf um die Talente ist hart. Um unserer Gruppe das Wachstumsziel möglich zu machen benötigen wir die entsprechenden Leute. Wenn wir weitere Aktivitäten hinzukaufen, dann brauchen wir Mitarbeiter, die diese betreiben und managen können.
Warum wurde gerade Ihre Funktion mit einem Nicht-Ungarn besetzt?
Die MOL Group ist in den vergangenen Jahren in ihren zentraleuropäischen Kernländern sehr erfolgreich gewachsen, hat aber festgestellt, dass sie sich auch international kommunikativ aufstellen muss. Denn die für uns wichtigen Stakeholder sitzen eben nicht nur in Budapest, sondern etwa auch in London, Brüssel, Berlin, Zürich, Frankfurt, Doha und Islamabad. Eines meiner Ziele ist, uns in dieser Richtung besser aufzustellen und die internationale Professionalisierung so schnell wie möglich zu erreichen.
Gab es dazu schon Ansätze, bevor Sie zur MOL kamen?
Ja, aber nicht ausreichend. Die MOL Group ist in Zentraleuropa sehr gut aufgestellt, da haben meine Vorgänger einen super Job gemacht, alles darüber hinaus war nie im Fokus gewesen. Fast überall, wo ich jetzt mit meinen Mitarbeitern hingehe und an Türen klopfe, wird zum ersten Mal die MOL-Fahne gehisst. Ziel ist es, die MOL Group bekannt zu machen und als verlässlichen und transparenten Partner zu positionieren.
MOL hat doch schon längere Zeit internationale Stakeholder. Warum wurde hier erst so spät hochgeschaltet?
Die Kommunikation zu bestehenden internationalen Aktionären war auch zuvor sehr gut, das ist aber nur ein Teilbereich. Wir fokussieren nun aber auch auf potentielle Investoren, und man benötigt natürlich noch Kontakte zu internationalen Medien und zu supranationalen Behörden, etwa in Brüssel oder Washington. Da muss man mit seinen eigenen Leuten vor Ort sein und täglich kontinuierlich arbeiten, um sich bekannt zu machen und eine gute Reputation aufzubauen. Sicher nicht ganz einfach dieser Umbruch von einem rein ungarischen Unternehmen mit einer gewissen Aktivität in der Region praktisch zu einem Multi. Unser Vorstandsvorsitzender Zsolt Hernádi hat diesen Schritt eingeleitet und forciert. Zsolt Hernádi war es, der die Gruppe geformt und nachhaltig fundiert hat. Die MOL war früher ein Konglomerat aus vielen Einzelunternehmen. Diese wurden unter unserem Chairman zu einer Gruppe mit einer gemeinsamen Struktur zusammengeführt. Dann wurden internationale Akquisitionen getätigt, unter anderem in der Slowakei, in Rumänien und Kroatien, die MOL wuchs auch im Ausland erfolgreich. Jetzt hat das Management richtig erkannt, dass es sich modernisieren und neu erfinden muss, um die nationale Erfolgsgeschichte international fortzuschreiben. Unser aller Ziel ist es, das Unternehmen profitabel zu machen, denn nur dann können wir Dividenden und Boni auszahlen. Damit wir international erfolgreich wachsen können, brauchen wir wiederum sehr gute internationale Strukturen. Der Umbruch wurde vor zwei Jahren begonnen, ich kam vor einem Jahr zusammen mit einigen weiteren Expats. Wir begleiten diesen Prozess in den nächsten Jahren und wollen die MOL zu einem bedeutenden internationaler Player machen, der auf den Märkten, in denen er operiert, auch entsprechend wahrgenommen wird.
Was wiederum motiviert Ausländer, gerade für die MOL zu arbeiten?
Für Leute, die etwas bewegen und voranbringen wollen, ist die MOL hochat-traktiv, weil sich hier sehr viel tut und alle Zeichen auf Wachstum stehen. Was gibt es schöneres als Wachstum? Wachstum macht Spaß.
Wie kamen Sie konkret zu MOL?
Ich war eigentlich schon auf dem Weg nach Zürich zu einer internationalen Großbank und hatte mich mit meiner Frau dort sogar schon nach Wohnungen umgesehen. Da meldete sich die MOL. Ich kannte die Gruppe schon aus dem Jahr 2007. Als Kommunikationsberater hatte ich der MOL damals geholfen, die feindliche Übernahme durch die OMV abzuwehren. Seitdem kannte ich die ungarische Kultur und blieb auch mit einigen MOL-Managern in losem Kontakt. Das war damals eines meiner spannendsten und produktivsten Mandate, das ich je hatte. Es war auch ein sehr angenehmes Arbeiten mit den Kollegen von der MOL. Für so ein dynamisches und weltoffenes Unternehmen hatte ich bis dahin noch nicht gearbeitet.
An Ihre gute Arbeit konnte sich dann Herr Hernádi letztes Jahr erinnern, als Ihre Position besetzt werden sollte?
Alle hatten damals eine gute Figur gemacht. Man gewinnt gemeinsam und verliert gemeinsam, gerade bei solchen Übernahmeschlachten. Man erinnert sich natürlich an die, die damals geholfen haben. Ich habe damals auf professioneller Ebene ein fast freundschaftliches Verhältnis zu dem einen oder anderen Mitglied des MOL-Managements entwickelt, wir haben zwischen 2007 und 2013 ab und zu telefoniert, ein guter, angenehmer Kontakt blieb bestehen. Das Mandat war, wie gesagt, eines der produktivsten und menschlich angenehmsten, die damalige angenehme Atmosphäre empfinde ich auch heute noch so. Ich freue mich jeden Tag, dieses Gebäude zu betreten, das ist genau das, was ich haben wollte. Ob ich nach Zürich zu einer Großbank oder zur MOL gehe, war auch eine Entscheidung, ob ich mit den jeweiligen Leuten arbeiten will. Ich bin zum Glück in der Lage, wählen zu können, wo mir das Arbeiten mehr Spaß macht. Spaß ist ganz wichtig, denn als Kommunikationsmanager habe ich einen 24 Stunden-Job an sieben Tagen in der Woche. Wenn man dann für ein Unternehmen arbeitet, wo man die Menschen und das Unternehmen mag, wo man gerne arbeitet, dann macht man einen guten Job. Auch meine Frau hat mich damals gefragt, wo es mir in Bezug auf die Menschen mehr Spaß machen würde, in Zürich oder Budapest? Für mich gab es nur eine Antwort, weil ich wusste, dass ich die Menschen bei der MOL, mit denen ich zusammenarbeiten muss, mag. Das sind Top-Profis, die etwas erreichen wollen, hier werden internationale Best-Practice-Maßstäbe angelegt und geschaffen. In so einem Umfeld macht es Spaß zu arbeiten, ich möchte in keinem Unternehmen arbeiten, wo es nur um die Wahrung des Status Quo geht, das ist für mich nicht spannend.
Sie brauchen mit Sicherheit auch gewisse Freiräume, um manche Entscheidung schnell treffen zu können.
Klar, es muss Vertrauen da sein und es muss klar sein, dass alle am selben Strang ziehen, und das ist hier gegeben. Die MOL Group ist ein Konzern, wo von den Mitarbeitern sehr viel erwartet wird. Mit meinem Team sitzen wir von sehr früh bis sehr spät im Büro. Wenn man so viel arbeitet, dann werden auch Fehler gemacht, zum Glück gibt es bei MOL eine positive Fehlerkultur. Es wird über die Fehler gesprochen und versucht, sie abzustellen, aber es wird nicht sanktioniert. Dieses altmodische Management, das es nach wie vor in Unternehmen gibt, wo die Mitarbeiter wie die Hühner im Büro sitzen, und nichts weiter machen, als auf Befehle zu warten gibt es hier nicht.
Eine große Leistung, ein ungarisches Unternehmen dermaßen umzubauen, dass es sogar für Ausländer attraktiv und wettbewerbsfähig ist.
Ja, insbesondere dank des Engagements von Zsolt Hernádi, der diesen Umbauprozess immer wieder forciert und in Bewegung gehalten hat. Die Internationalisierung ist für unser Unternehmen überlebenswichtig. In Ungarn sind wir zwar das umsatzstärkste Unternehmen, in der Ölbranche sind wir aber ein kleiner Player.
Wie kommt man als kleiner Player etwa beim Kampf um Schürfrechte überhaupt zum Zug?
Ganz einfach: Wir sind ein kleines Unternehmen aus einem neutralen Land aus dem positiv gesehenen Europa. Genau das wollen viele Länder, sie wollen nicht zwischen russischen und amerikanischen Giganten aufgeteilt sein. Daher suchen sie ganz gezielt auch Partner aus kleineren Ländern. Wenn wir in ein Land gehen, wo wir fördern wollen, dann fragen wir, was wir speziell für sie aktuell in der Region tun können, während die großen Player eher große Infrastrukturprojekte auflegen. Das ist auch gut, aber wir starten gezieltere, auch soziale oder nachhaltige Projekte und kümmern uns stärker um die Menschen. Das ist unser Wettbewerbsvorteil. Als kleines internationales Unternehmen kann man sich auch schneller bewegen. Da sind wir stark, das verschafft uns eine gewisse Reputation. Das ist das eine, das andere ist, dass die großen multinationalen Konzerne Megaprojekte starten und daher aus Projekten mit geringeren Förderraten rausgehen. Diese sind wiederum für uns attraktiv. Aber ganz klar: Um dorthin zu kommen, wo die anderen schon längst sind, müssen wir international doppelt so schnell rudern und doppelt so gut sein wie der Wettbewerb, denn der ist schon dort.
Wie klappt bei MOL das Miteinander von Ausländern und Ungarn?
Das Schöne an MOL und Ungarn ist, dass man als Ausländer willkommen ist, vor allem, wenn man die Sprache lernt und sich einbringen will. Als Kommunikationsdirektor habe ich keine andere persönliche Agenda, außer die, der MOL Group zu helfen, in einem zunehmend schärferen internationalen Wettbewerb profitabel zu überleben. Wenn Ungarn merken, dass ein Ausländer im selben Boot sitzt und genauso hart rudert, dann stehen ihm alle Türen offen.
Es gibt also keine Reibungen zwischen den alteingesessenen Ungarn und den unter Umständen sogar besser bezahlten Ausländern?
Ich spüre davon zumindest nichts. Als Deutscher bin ich sehr diszipliniert, erfolgsorientiert und will Dinge schnell umsetzen; als Österreicher wiederum glaube ich, eine gewisse soziale Empathie zu haben und zu spüren, wenn jemand beginnt, aus dem Boot zu fallen – den hole ich dann wieder rein. Natürlich habe ich meine täglichen kleinen Herausforderungen wie jeder andere auch, aber ich bin ja hier, um Dinge zu verändern. Und wenn man das machen will, hat man immer jemanden, der das nicht gut findet. Das ist in dem Wandlungsprozess, in dem sich die MOL Group befindet, auch völlig normal und nicht anders als in anderen Unternehmen, in denen ich so etwas bereits umgesetzt habe. Als Deutscher hätte ich bei einem Wandlungsprozess in einem deutschen Unternehmen mit mindestens genauso vielen Ressentiments zu kämpfen wie als Deutscher in einem ungarischen Unternehmen. Bei der MOL sogar gefühlt weniger. Bei uns herrscht ein ausgeprägtes Wir-Gefühl, weil alle verstehen, dass wir zusammen doppelt so gut sein müssen wie die anderen. Das funktioniert nur im Team.
Wie fühlen Sie sich in Ungarn außerhalb Ihrer Firma?
Meine Frau und ich fühlen uns in Ungarn sehr wohl. Meine Frau fühlt sich als Deutsche in Ungarn sogar willkommener als in Österreich oder der Schweiz. In Österreich ist die deutsche Herkunft gleich das erste Thema, in Ungarn wird eher gefragt, was jemand macht, arbeitet oder wie man ihm helfen kann. Das ist ein großer Wert in diesem Land. Letztes Jahr haben wir Budapest entdeckt, dieses Jahr wollen wir auch das restliche Ungarn etwas besser kennenlernen, was allerdings mit meinem dichten Terminkalender und zahlreichen Reisen schwer unter einen Hut zu bringen ist.
Warum muss in Zeiten moderner Kommunikationsmittel noch so viel gereist werden?
Einen Konzern wie die MOL Group kann man als operativer Manager nicht einfach von Budapest aus managen, persönliche Begegnungen kann man nicht ersetzen. Ich habe meine Karriere bei der Kommunikationsagentur Brunswick begonnen. Dort wurden damals internationale Videokonferenzen eingeführt – dennoch wurde nicht ein Flug weniger geflogen, weil relativ schnell klar wurde, dass man zwar hin und wieder in einer ad-hoc Videokonferenz Dinge schnell lösen kann, die persönliche Präsenz aber immer noch sehr wichtig ist. Man muss als operativer Manager vor Ort spüren, was los ist, was die Mitarbeiter und Kunden bewegt, was man ändern muss. Ich sehe bei meinen Reisen stets auch zahlreiche kleinere Dinge, über die ich gleich an die Zentrale berichte und die verbessert werden müssen. Das sollen auch die Mitarbeiter spüren: Qualität fängt im Detail an, und jedes Detail zählt. Es gibt Dinge, die funktionieren in einem Land und woanders wieder nicht. Das bekommt man aber häufig nur vor Ort mit.
Mit der Lösung des INA-Konfliktes bekamen Sie gleich eine gewaltige Aufgabe aufgebürdet.
Ich bin Kroatien betreffend immer noch neutral, versuche den Konflikt rational zu begreifen und auch so zu agieren. Emotionen haben in meinem Geschäft wenig Platz, denn dann trifft man die falschen Entscheidungen. Das INA-Thema schwelt schon seit 2008/09. Als ich dazu kam, war man bei der MOL schon sehr an einer raschen Lösung interessiert. Als börsennotierter Konzern hat man eine Verantwortung gegenüber seinen internationalen Investoren, auch sie verlangen eine Lösung. Der ungarische Staat besitzt 20 Prozent an der MOL, der Rest wird an internationalen Börsen gehandelt. Diese Anteilseigner wollen sehen, dass der Konflikt rational beigelegt wird.
Wie ist eine Beilegung möglich?
Die MOL fährt eine zweigleisige Strategie: Zum einen führt ein Team mit der kroatischen Regierung Verhandlungen, die zum Ziel hat, dass die INA profitabel und mit international anerkannten Management- Methoden, also nicht als Staatskonzern weiter geführt wird. Derzeit wird die INA nach marktwirtschaftlichen Prinzipien geführt, soweit wir das umsetzen können. Wir würden uns gerne mit dem kroatischen Staat darauf einigen, dass dies auch so bleibt und kein Rückschritt in Richtung Partikularinteressen erfolgt. Sollten diese Verhandlungen jedoch zu keinem Erfolg führen, dann werden wir INA verkaufen. Daher hat der Verwaltungsrat das Management beauftragt, als Plan B einen etwaigen Verkaufsprozess vorzubereiten und einzuleiten. Der Zeitpunkt einer Entscheidung für A oder B rückt immer näher.
Wohin tendiert die Entscheidungsfindung derzeit?
Wir sind nach wie vor ergebnissoffen. Wir haben die Pflicht gegenüber unseren Teilhabern, beides parallel vorzubereiten, um dann frei und rational entscheiden zu können. Die Verhandlungen mit der kroatischen Regierung verlaufen momentan leider nicht in der Geschwindigkeit, in der wir es gerne hätten. Wir würden gerne jede Woche, wenn es sein muss, sogar täglich verhandeln, schnell, sachlich und zielorientiert. Immerhin soll die Kommunikation schon einmal schlechter gewesen sein. Die Kommunikation verlief in der Vergangenheit wahrlich nicht ganz so glücklich. Man kann als nternehmen auch nicht in eine Tit-for-Tat-Kommunikationmit einer Regierung gehen. Ein Unternehmen kann niemals so kommunizieren, wie es eine politische Seite kann. Es kann nicht opportunistisch kommunizieren, als börsennotierte Firma hat man Regeln und kann nicht heute A, morgen B sagen. Solche Verhandlungen hat noch kein Unternehmen erfolgreich geführt, man muss also andere Wege finden, wie man Schaden von sich abwendet beziehungsweise Reputation im großen Stil aufbaut. Das tun wir momentan sehr bedacht und klug, wir sehen auch die Fortschritte. Den richtigen Weg der Kommunikation zu finden ist daher sehr wichtig. Sie ist nicht immer sichtbar, aber diejenigen, für die sie wichtig ist, müssen sie sehen. Man muss daher auch wissen, wer für einen wichtig ist. Kommunikation hilft vielleicht nicht, eine Schlacht zu gewinnen, aber vielleicht einen Krieg. Ich habe mit Krisensituationen schon eine gewisse internationale Erfahrung und habe die nötige Ruhe dafür.
Medienberichte, die bereits etwas von einer Festlegung der MOL zu wissen vorgeben, sind also unzutreffend?
Das ist nur Kaffeesatzleserei, beide Wege stehen noch immer offen, wir haben keinerlei Entscheidung getroffen. Wir bereiten uns aber auf beides vor. Ansonsten geht bei uns das ganz normale Geschäft weiter. Wir expandieren international weiter, insbesondere in Regionen mit einem geringeren politischen Risiko. Die Nordsee ist ein perfektes Portfolio für uns, das ist eine politisch stabile Region mit guter Struktur. Das heißt: MOL wächst, ob mit oder ohne INA, und je schneller wir das tun, desto weniger sind wir auch von der Entwicklung im Fall INA abhängig. Sicher ist aber auch: Wir haben in Kroatien Milliarden investiert und werden es uns daher auch nicht leicht machen, dem Land so ohne weiteres den Rücken zu kehren.
Haben Sie eine Ahnung von den Motiven der kroatischen Seite?
Nein, ich verstehe sie nicht. Über die Unannehmlichkeiten hinaus, die konkret uns als MOL aus der Situation erwachsen, ist der Fall ganz sicher nicht Kroatiens Reputation als zuverlässiger Investitionsstandort zuträglich. Dass sogar uns als größtem Auslandsinvestor und Arbeitgeber seit Jahren mit allen möglichen Mitteln nur Steine in den Weg gelegt werden, ann auf eine generelle Haltung gegenüber Auslandsinvestoren schließen lassen. Normalerweise sollten Regierungen gerade wegen dieser Ausstrahlungswirkung darauf bedacht sein, dass es insbesondere den großen Investoren des Landes gut geht und durch sie weitere Investoren angezogen werden.
Die Aussicht im Extremfall per Interpol gesucht zu werden bewirkt dagegen das genaue Gegenteil!
Ich möchte und darf mich dazu nicht äußern. Als Privatmann sage ich, dass die Kampagne der kroatischen Staatsanwaltschaft nicht gegen unseren Chairman als Person geht, sondern gegen die Position des Chairmans der MOL Group also solches. Egal wer in dieser Position Verantwortung hätte, wäre mit derselben Kampagne konfrontiert. Ob das EU-konform ist und was das mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat, kann jeder Leser dieser Zeitung selbst interpretieren.
Auf jeden Fall kosten die Vorgänge in Kroatien Ihrer Firma viel Zeit und Kapazitäten, die an erfreulicheren MOL-Standorten sicher fehlen.
Wir investieren jetzt in andere Regionen, wo wir profitabel und nachhaltig arbeiten können. Wenn Kroatien anscheinend keine Investitionen mehr will, dann investieren wir eben woanders. Das ist unsere klare Botschaft.
Hier in Ungarn haben Sie es auch mit einem sehr selbstbewussten Staat zu tun, der seinen Einfluss vergrößern möchte. Im Gegensatz zu anderen Energieunternehmen scheint sich MOL hingegen gut zu arrangieren. Wie ist das möglich?
Zu meinen Aufgabengebieten zählen nicht Public Affairs. Aus meiner Erfahrung als Berater kann ich Ihnen aber sagen, dass wir in einigen Medien zwar immer wieder fälschlicherweise als „ungarischer Staatskonzern“ betitelt werden, ich aber während meiner gesamten Karriere noch nie so wenig Staatseinfluss bei einem Unternehmen mit staatlicher Beteiligung gespürt habe. Beim größten Konzern des Landes, noch dazu im Bereich Energie, gibt es immer eine staatliche Einflussnahme, das ist normal. Im Übrigen besitzt die ungarische Regierung bei 20 Prozent der MOL-Anteile aber nur zehn Prozent der Stimmrechte.
Ich dachte jetzt auch nicht an direkte, sondern eher indirekte Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit, so wie etwa über die staatlich verfügte Senkung der Wohnnebenkosten.
Ich kenne mich mit der ungarischen Politik kaum aus und will daran auch nicht wirklich arbeiten. Als ich hierher kam, war ich durch westliche Medien geprägt. Jetzt, wo ich hier lebe und auch eher ausgewogene Blätter wie die Budapester Zeitung lese, verstehe ich viele Dinge, die ich vorher nicht verstanden habe, etwa das Thema Fremdwährungskredite. Ich war selbst lange genug in der Bankenbranche – es kann nicht sein, dass Banken in guten Jahren Profite abschöpfen und in schlechten Jahren keine Verantwortung übernehmen. Jetzt verstehe ich die eine oder andere Vorgehensweise der Regierung besser.
Das heißt, bei MOL stehen keinerlei Verstaatlichungen oder gar eine weitere Belastung durch den Staat an?
Verstaatlichungen waren der Profitabilität noch nie zuträglich. Und warum auch? Die MOL Group ist doch jetzt sehr gut aufgestellt: mit einem relativen starken Ankeraktionär in Form des ungarischen Staates und mit ungarischen Wurzeln. Ein solcher Aktionär beruhigt einiges an der Anlegerfront, mit ihm im Rücken kann man leichter langfristige Entscheidungen treffen. Ich kenne aus Europa keinen Vorstandsvorsitzenden, der es nicht bedauert, dass er von Quartal zu Quartal von seinen Aktionären getrieben wird und dass er eigentlich nur quartalsweise Entscheidungen treffen kann. Hier bei MOL haben wir dagegen eine viel angenehmere Situation. Die Mischung aus staatlichen und internationalen Anteilseignern bei der MOL wird aus Management-Sicht außerordentlich positiv bewertet. Wesentlich mehr staatlicher Einfluss wär aber nicht gut für uns. Wenn wir INA sagen, dass Verstaatlichung der falsche Weg ist, dann gilt das auch für uns. Welcher internationale Manager kommt denn zu einem Staatskonzern, wo er weiß, dass er an Leute berichten muss, die unter Umständen keine Ahnung vom jeweiligen Geschäft haben? Im Falle einer Verstaatlichung könnte man keine guten Leute mehr rekrutieren. Und wenn dadurch die Qualität sinkt, dann sinken früher oder später auch die Profite und schließlich werden Leute entlassen. Das will natürlich niemand. Vielmehr ist es Ziel, dass MOL weiterhin so profitabel wirtschaftet wie bisher. Genau dieses effiziente, unternehmerische Verhalten erwartet Herr Hernádi von uns: Wir sollen die MOL führen, als ob sie unser eigenes Unternehmen wäre. Meine Aufgabe als Verantwortlicher eines Bereiches, der keinen Profit erwirtschaftet, ist es, diejenigen zu unterstützen, die das tun. Der Sinn der Kommunikation bei MOL ist es, alles zu tun, damit das Unternehmen profitabel arbeiten kann. Und das schafft man unter anderem, indem man attraktiv wird für die besten Köpfe weltweit.
Ziehen Sie bitte eine Bilanz Ihres ersten Jahres in Ungarn!
Das Angebot von MOL anzunehmen war eine goldrichtige Entscheidung. Ich freue mich auf die nächsten Jahre. Das, was wir momentan aufbauen, wird Jahre benötigen, um Erfolge zu zeigen. Mein Geschäft basiert auf Vertrauen, und dieses gewinnt man nur über viele Jahre. Ich denke, meine internationale Erfahrung tut der MOL Group gut, und ich werde diese einbringen, um das Unternehmen in der Kommunikation auf ein internationales Spitzenniveau zu heben, da gibt es noch viel zu tun.