
Hand in Hand: Mit einer Menschenkette wird versucht, die Bauarbeiten am Szabadság tér zu verhindern. (Foto: MTI)
Im jetzigen Moment wäre es angemessen, aufzustehen und sofort den Szabadság tér aufzusuchen. Heute (Montag, 28. April) wurde in den frühen Morgenstunden der zivile Ungehorsam im Hinblick auf die Errichtung des Besetzungsdenkmals fortgesetzt. In den frühen Morgenstunden pflegt ein anständiger Demokrat sich von einer Seite auf die andere zu drehen. Doch diejenigen, die auf dem Szabadság tér in aller Früh demonstrieren, sind keine normalen Demokraten.
Ihre Story, die im Grunde gar nicht ihre Story ist, kennt inzwischen jeder: Es ist die Story von einer Kette himmelschreiender Lügen. Die ungarische Regierung, oder besser: Viktor Orbán ist zu dem Schluss gekommen, dass hierzulande nur dann eine heile Welt herrscht, wenn jedermann im Bewusstsein seine Tage zubringt, dass wir niemals in der Geschichte jemandem etwas Böses zugefügt haben, dass wir stets Opfer waren und wir uns dennoch
niemals unterkriegen ließen. Diese Fantasterei wird mit allen möglichen Taten untermauert: Unter anderem wurde ein Denkmal auf dem Szabadság tér erträumt.
Es handelt sich hierbei um ein Kunstwerk, das einerseits durch seine ästhetische Schäbigkeit, andererseits durch die Verlogenheit seiner Symbolik für Irritationen sorgt. Die Einweihung hätte auf Geheiß des Chefs (Orbán; Anm.) ursprünglich am Jahrestag der Besetzung Ungarns durch Nazi-Deutschland (19. März 1944) stattfinden sollen, allerdings nahm sich die offizielle Begründung der Denkmalserrichtung für zu viele Menschen als fadenscheinig aus, außerdem rückten die Parlamentswahlen immer näher. Aus diesem Grund entschied Ungarns starker Mann, den Zeitpunkt der Einweihung zu verschieben, ja er gaukelte dem größten Kritiker des Denkmals (der jüdischen Organisation MAZSIHISZ; Anm.) sogar vor, nach Ostern für Konsultationen bereitzustehen – geziemt es sich doch für einen aufrechten Ungarn vor Ostern nicht, über Denkmäler zu sprechen! Nichtsdestotrotz gingen zwei Tage nach den Wahlen die Bauarbeiter daran, das Denkmal zu errichten.
Seither halten die Proteste an. Und seither wird der Bauzaun immer wieder abgerissen beziehungsweise werden Blumen gepflanzt, welche von den Bauarbeitern morgens wieder ausgegraben werden. Seither werden einzelne Demonstranten immer wieder in Container gesperrt, seither infiltriert die Polizei die Demonstranten mit Spitzeln, und seither werden auf dem Szabadság tér Reden gehalten. Die Demonstranten harren bereits seit drei Wochen aus (inzwischen seit mehr als vier Wochen; Anm.). Seit einigen Tagen sind sie auch schon in aller Früh dort.
Seither haben wir auch erlebt, dass der ehemalige Skinhead von Eger, „Roy” (Tamás Sneider; Anm), zum stellvertretenden Präsidenten des ungarischen Parlaments nominiert wurde, und seither sieht es auch danach aus, dass Roy auch noch dem Bildungsausschuss des ungarischen Parlaments vorstehen wird. Seither wurde uns ins Gesicht gelogen, dass der US-amerikanische Vizepräsident (Joe Biden; Anm.) Viktor Orbán zum Wahlsieg gratuliert habe, während auf der Homepage des Weißen Hauses etwas völlig anderes zu lesen ist. Und seither erging sich der vielseitige Landwirtschaftsminister (Sándor Fazekas; Anm.) in Lobeshymnen auf die Vita des kasachischen Diktators, noch dazu in den Räumlichkeiten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Seither wurde auch die Pancho Arena in Felcsút übergeben und der Burgbasar vollkommen gesperrt, den unser großer Landesvater kurz vor den Wahlen eigentlich eröffnet hatte.
Es ist blind, wer nicht sieht, dass Ungarn weder ein Parlament, noch eine Akademie der Wissenschaften hat. Stattdessen hat das Land eine Pancho Arena, während die Regierung einen Freiheitskampf für das häusliche Brennen von Pálinka führt. Niemand sieht das. Und wenn doch, tut man nichts dagegen, weder im Hohen Haus, noch in der Akademie der Wissenschaften, noch in Felcsút, nirgends.
Im jetzigen Moment wäre es angemessen, aufzustehen und sofort den Szabadság tér aufzusuchen, um dort die Hand jedes einzelnen Demonstranten zu schütteln. Denn die Demonstranten, die auf dem Szabadság tér schon in aller Früh protestieren, sind keine normalen Demokraten. Sie sind vielmehr außergewöhnliche Demokraten. Sie verkörpern die Freiheit. Und sie verkörpern das Ungartum.
Der namentlich nicht gekennzeichnete Text erschien am 1. Mai 2014 in der linksliberalen
Wochenzeitung Magyar Narancs.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar
Engel und Teufel
Das Denkmal ist Mumpitz, keine Frage. Die ausgesuchte Stelle gegenüber dem modernen Springbrunnen in der Blickachse der von Süden kommenden Straße ist genauso unpassend wie die architektonisch-bildhauerische Ausgestaltung, die an den dusseligen nationalen Dekorationstempel, das neue Ungarische Nationaltheater, erinnert, welches ohne Zweifel den Tiefpunkt ungarischer Baukunst markiert. Leider habe ich nie erfahren, was Imre Makovecz zu solchem kügyü gesagt hat. Mal abgesehen von den peinlichen architektonisch-städtebaulichen Erscheinungen wird mit diesem Denkmal die Mitverantwortung ungarischer Bürger bzw. Behörden an der Deportation ungarischer Juden verharmlost , vertuscht. Die Ungarn sollten sich an den scheinheiligen Österreichern kein Vorbild nehmen. Ungarn ist zwar 1944 von Nazis besetzt worden, Horthy war nicht genug in ihrer Spur , Teile der Gesellschaft haben aber beim Morden assistiert. Die Zahlen sind bekannt.
Dass Viktor Orbán, wie im obigen Artikel gesagt, keinen Glückwunsch aus den USA erhalten hat, beruhigt mich jedoch sehr. Die Regierung Orbán kann also nicht in allen Dingen daneben liegen.
Die aus bestimmten Kreisen der USA stammende Unterstützung der ung. Opposition ist genau das Richtige, um den Kreis rechtsextemer Wähler zu vergrößern. ( Damit meine ich Jobbik ) Ohnehin sind Aussagen zum „Fäulnisherd Ungarn“ ( Elfriede Jelinek und Kollegen) bestens geeignet, die Fronten zu verhärten und den Dialog zu bremsen. Viktor Orbáns mangelndes Kunstverständnis werden sie jedenfalls nicht auf ein höheres Niveau heben – und die Behauptung, dass die Opposition die besseren Demokraten seien, halte ich für nicht erwiesen. Der Schlamm von Skandalen und Skandälchen, die MSZP und SZDSZ zu verantworten haben, wird noch Jahrzehnte an den Klamotten der gesamten ungarischen Opposition haften – genau so wie die exorbitante Ausweitung der Staatsschulden unter MSZP und SZDSZ das gesamte Land noch eine Zeit lang schwächen werden. Solange die Oppsition Wahl-Betrüger (2006) und Neurotiker wie Gyurcsány in den Reihen dultet, wird das nix mit Orbáns Ablösung.
Ungarn könnte mehr und hätte keinen solchen Rechtsruck zu erleiden, hätte MSZP wenigstens das Niveau der SPD und SZDSZ das soziale Geschick von Guido Westerwelle gehabt. Bekanntlich hinken Vergleiche zwischen so unterschiedlichen Ländern wie Ungarn und Deutschland. Der Slogan aber , Fidesz ist an Jobbik schuld, kann niemand vertreten, der alle Tassen im Schrank hat. Eine derartige Vereinfachung erreicht mindestens das Niveau, auf dem sich das in Bau befindliche Denkmal befindet. Ich schlage der Opposition vor, auf den bösen deutsche Adler mit Graffiti „Turul“ zu schreiben und gegenüber der amerikanischen Botschaft ein Denkmal zu errichten – also ebenfalls auf dem Szabadság tér, das allen Opfern der imperialistischen US-amerikanischen Politik und den Opfern der angelsächsischen Finanzindustrie gedenkt, für den Fall, dass irgend wann wieder die ungarischen Sozen das Land regieren dürfen. Spekulant György Soros könnte dabei als Teufel herhalten, der in einem Regen von Geld den Zeigefinger hebt und für mehr soziale Gerechtigkeit anmahnt.