Bereits zum zwölften Mal fand am Sonntag in Budapest der Marsch des Lebens (Az Élet Menete) statt. Mehrere Zehntausend gedachten mit dem Marsch den Opfern der Deportationen, deren Beginn sich dieser Tage zum 70. Mal jährte. Unter den Teilnehmern fanden sich auch viele Politiker.
Vom Pester Brückenkopf der Elisabethbrücke bis zum Astoria standen die Teilnehmer, um kurz vor fünf Uhr am Nachmittag den Marsch zu beginnen. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr, in dem es bereits im Vorfeld zu geschmack- und pietätlosen Provokationen kam, verlief der Marsch des Lebens in diesem Jahr vollkommen unbehelligt. Dies mag aber auch der überdeutlichen polizeilichen Präsenz geschuldet sein. Entlang der Marschroute waren in allen Querstraßen Polizeiwagen postiert, potentielle Störer hätten schlichtweg keine Möglichkeit gehabt, sich dem Zug zu nähern.
„Der Holocaust darf nicht vergessen werden“
Auffällig war in diesem Jahr die große Zahl an Familien mit Kindern. Nach den Gründen für die Teilnahme gefragt, antwortete eine Mutter mit drei Kindern: „Wir nehmen teil, damit wir nicht vergessen und damit unsere Kinder etwas lernen“.
Noch bevor der Marsch sich jedoch in Bewegung setzte, wurde am Platz des 15. März eine Skulptur des Bildhauers Zénó Kelemen feierlich enthüllt. József Székhelyi, Schauspieler und einer der Gründer der Stiftung Marsch des Lebens, sprach davon, dass alle heute Lebenden, Arm in Arm, Hand in Hand, Herz an Herz gemeinsam für das Leben marschieren würden. Ziel des Marsches war der Keleti pályaudvar, wo auf riesengroßen Videoleinwänden eine Rede des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres gezeigt wurde. Peres sprach unter anderem davon, der Schmerz des Holocaust sei unvergesslich und dürfe auch nicht vergessen werden. „Deswegen müssen wir diesen als Aufgabe für die jüngeren Generationen verstehen, damit sie Antisemitismus, Hass und Rassismus nicht in ihr Leben lassen.“ Peres weiter: „Die ungarische Geschichte ist reich an großen Momenten, die Shoa beschmutzt sie jedoch noch immer.“ Ilan Mor, israelischer Botschafter in Budapest, sagte gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur MTI, in Israel werde das Gedenken an das Ende des Holocaust vor siebzig Jahren mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, ebenso wie das Erstarken von Jobbik
mit Besorgnis beobachtet werde, denn „diese Partei hat ein Neonazi-Programm“. Auch das im Bau befindliche Besetzungsdenkmal auf dem Szabadság tér (die Budapester Zeitung berichtete) wurde am Sonntag thematisiert. In seiner eingespielten Rede sprach der mit dem Kossuth-Preis ausgezeichnete Schauspieler György Konrád mit Blick auf das Denkmal, dass „auf Lügen keine Zukunft gebaut werden kann“.
Am Marsch des Lebens nahmen zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens, darunter auch viele Politiker teil. So waren von der Regierungspartei Fidesz Lajos Kósa und Fraktionsvorsitzender Antal Rogán anwesend. Aus dem Lager der Linken waren MSZP-Chef Attila Mesterházy, Ex-Regierungschef Gordon Bajnai und Ex-Premier Ferenc Gyurcsány anwesend. Von der Ökopartei LMP waren András Schiffer und Bernadett Szél und die gesamte Fraktion der grünen Partei „Politik kann anders sein“ anwesend. Auch Ex-Premier und Parteivorsitzender Ferenc Gyurcsány nahm am Marsch teil, gemeinsam mit seiner Vize-Vorsitzenden Ágnes Vadai. Auch der ehemalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle nahm am Sonntag am Marsch des Lebens teil.
Zug nach Auschwitz
Doch der Ostbahnhof war nur eine Zwischenstation des Marsch des Lebens. Von dort machte sich eine Delegation aus 600 Teilnehmern auf den Weg nach Auschwitz, darunter auch der israelische Botschafter Ilan Mor und seine schwedische Amtskollegin Karin Olofsdotter. Auch Staatspräsident János Áder war in Birkenau, der letzten Station des Marsches anwesend und hielt dort auch eine Rede. Aus Anlass des 70. Jahrestages des Beginns der Deportationen wurde der internationale Marsch des Lebens in diesem Jahr erstmals von einer ungarischen Delegation angeführt.