In der vergangenen Woche öffnete die Heinrich Alkotói Szint (dt. Heinrich-Schöpfer-Etage) seine Pforten für die Öffentlichkeit. Von Montag bis Donnerstag konnten Besucher nicht nur im eigens eingerichteten Pop-up-Store Designerstücke kaufen, sondern auch mit den Schöpfern ins Gespräch kommen oder ihnen beim Arbeiten über die Schulter blicken. Den Abschluss der gelungenen Woche feierte die Heinrich-Etage am Donnerstagabend mit einer kleinen Party.
Zum einen ist die Heinrich-Etage ein Nest für Künstler, Designer und Modemacher, ähnlich dem ehemaligen Kulturzentrum und Atelier-Haus Tűzraktér, dessen Schließung im Jahr 2011 so viele betrauerten. Zum anderen ist sie ein Ort, den zu besuchen lohnenswert ist. Die Räumlichkeiten der Heinrich-Etage umfassen 15 Werkstätten. In fast jedem der Räume stehen alte Industrienähmaschinen, überall wimmelt es von Designbüchern, Stoffreste bilden einen bunten Salat, und an den Kleiderpuppen hängen erste Entwürfe, die außer den Puppen noch von niemandem getragen wurden. Insgesamt 31 kreative Köpfe, die 23 unabhängige Marken repräsentieren, gehen hier täglich ihrer schöpferischen Tätigkeit nach. Was die Künstler unterschiedlichster Branchen verbindet, ist die Leidenschaft, mit der sie, jeder auf seinem eigenen Feld, der Arbeit angehen. Viele der Marken waren bereits auf verschiedenen Budapester Designmärkten wie zum Beispiel dem WAMP-Designmarkt vertreten. Der ein oder andere Name mag daher bekannt sein. Hier eine kleine Auswahl: Aimée, Daige, Piroshka, Twofold Concept, Eszka, Gizellab, La Fragile, Musume, POPO und Sté.
Nicht alle der Designer, die im Heinrich Alkotói Szint zu finden sind, stehen am selben Punkt ihrer Karriere. Einige haben bereits ihre Marke etabliert oder stehen vor der Gründung ihres eigenen Labels, andere haben schon an Designwettbewerben oder Fashionshows erfolgreich teilgenommen, und wieder andere sind noch mitten im Studentenleben. Dass die Erfahreneren den Neulingen mit Ratschlägen und zur Not auch mal mit einem Schubs in die richtige Richtung beistehen, ist selbstverständlich, aber Eigeninitiative ist gefragt: „Alle sollten an den von der Heinrich-Etage als Gemeinschaft veranstalteten Events mithelfen. Gemeinsam geht es einfach schneller“, mahnt Barbara Katona an. Gemeinsam mit Anna Hegedűs gehört sie zu den Gründerinnen des Gemeinschaftsateliers. Doch unabhängig davon, wer du bist, was du schon gemacht hast und wie lange du schon dabei bist, innerhalb der Gemeinschaft gibt es keine Hierarchien. „Wir sind hier alle gleich“, betont Anna Hegedűs.
Seit gut eineinhalb Jahren gibt es den Heinrich Alkotói Szint nun schon. Zu ihrem Namen kam die Designer-Etage aufgrund des historischen Gebäudes, in dem sie ihren Sitz hat. Beim Heinrich-Hof gegenüber des Museums für Angewandte Kunst im achten Bezirk, handelt es sich um den ehemaligen Hauptsitz des Eisenwarenhandels „Heinrich – Väter und Söhne“. Noch heute prangt dieser Name sowohl an der Hauptfassade des Jugendstilgebäudes an der Üllői út als auch über dem Seiteneingang in der Mária utca. Der Heinrich-Hof gewährt neben dem Gemeinschaftsatelier auch anderen kulturellen oder künstlerischen Projekten Unterschlupf. So zum Beispiel dem bekannten Tilos Rádio, und auch einige Bands haben ihre Proberäume hier gefunden.
Die Vorteile des gemeinsamen Arbeitens
Die Heinrich Alkotói Szint versteht sich als eine Gemeinschaft, in der offen zusammengearbeitet wird. Jeder hat seine eigene kleine Werkstatt, aber die Künstler und Designer tauschen sich untereinander aus, helfen einander mit professionellen Ratschlägen oder borgen sich auch schon mal eine Schere. Im Gemeinschaftsatelier wird vielseitig gearbeitet. Künstler und Künstlerinnen verschiedenster Sparten wie Bildende Kunst, Fotografie, Film, Mode und Grafik haben in der Heinrich-Etage ihre Produktionsstätten eingerichtet. Durch die große kreative Vielfalt befruchten sich die Künstler gegenseitig. Wer als Modeschöpfer ein professionelles Fotoshooting für seine neue Kollektion braucht, kann ein paar Räume weiter seine Fotokollegen um Unterstützung bitten oder auch Hilfe für die Onlinepräsentation seiner Marke finden. Auch sei es in einer Gemeinschaft einfacher, sich selbst zu motivieren, sagt Anna Hegedűs schmunzelnd. „Manchmal fühle ich mich wie damals an der Uni, als wir gemeinsam im Hochschulatelier bis nachts um drei gearbeitet haben.“ Der Wunsch nach Gemeinschaft und Austausch war die Triebfeder hinter der Gründung der Heinrich-Etage.
Die Anfänge des Heinrich Alkotói Szint
Am Anfang der kreativen Gemeinschaft standen Anna Hegedűs und Barbara Katona. Die in Deutschland aufgewachsene Halbungarin Anna suchte damals eine Werkstatt und stieß durch Empfehlungen auf die Lederdesignerin Barbara. Da diese bereits ein eigenes Atelier in einem Teil des Gebäudes mietete, wussten die Mädchen von der leer stehenden Etage im Heinrich-Hof. So vereinbarten sie einen Besichtigungstermin. Was sie vorfanden, waren verlassene Räume mit hohen Decken und viel Dreck. Doch in den Köpfen der beiden formte sich prompt eine Vision: „Ich habe diese Räume gesehen, die sich ineinander öffnen und hatte diese Phantasie von einem Ort, an dem die unterschiedlichsten Designer dicht an dicht arbeiten“, sagt Anna. Gemeinsam mit einer weiteren Designerin mieteten die Mädchen Räume in der Etage an und vereinbarten mit dem Besitzer, weitere Mieter für die restlichen Räume zu finden. Heute sind alle Räume vermietet, und die gesamte Heinrich-Etage ist mit dem Nähmaschinenrattern, Hämmern und Scheren-Ritsch-Ratsch des schöpferischen Schaffensprozesses erfüllt.
Große Träume für die Zukunft
Für viele der Designer ist die Heinrich-Gemeinschaft zur zweiten Familie geworden. So auch für Anna und Barbara: „Dieses Atelier ist wie unser Baby. Es ist unglaublich, wie sich etwas, dass du selbst ausgedacht hast, verselbstständigt, sich weiterentwickelt und zu so einem wundervollen Ergebnis kommt wie das Heinrich Alkotói Szint. Wir sind schon jetzt gespannt, wo das Projekt sich in einem Jahr befinden wird.“ Für die Zukunft der Heinrich Etage haben die beiden jedenfalls große Pläne, als Gemeinschaftsprojekt soll es weiter wachsen und vor allem zusammen-wachsen. Da die Mitglieder der Heinrich-Etage sich am Liebsten ins kreative Chaos stürzen, steht ein Manager, der oder die sich ausschließlich um die Vermarktung, das Werben von Investoren oder die Organisation weiterer Events kümmert, ganz oben auf der Wunschliste. Auch über die Einrichtung eines permanenten Stores, in dem die Kleider, Accessoires und Designprodukte der Heinrich-Etage erworben werden können, wird nachgedacht.
Heinrich Alkotói Szint/Heinrich-Schöpfer-Etage
Budapest VIII. Üllői út 32.
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