Gemeinsam mit der für den Energiesektor zuständigen Entwicklungsministerin Zsuzsanna Németh stellte das Topmanagement der staatlichen Energieholding MVM nur zwei Tage nach der Wahl seine neue mittelfristige Strategie vor. Die Ministerin hob den Erwerb sämtlicher im Lande errichteten Erdgasspeicher in den Kontext der 2011 beschlossenen Energiestrategie des Landes, die eine gesteigerte Versorgungssicherheit zu den Prämissen zählt.
Vorstandsvorsitzender Csaba Baji nannte den Kauf der E.ON-Gassparte die größte Akquisition in der Unternehmensgeschichte. Noch vor Jahresende 2013 wurden 49 Prozent der Anteile am Gasversorger für die Hauptstadt, Főgáz, dem deutschen Investor RWE abgekauft – vermutlich wird der Staat auch die Anteile von Budapest übernehmen. Mit einer Absichtserklärung hat MVM zudem Interesse an zwei weiteren Gasversorgern der E.ON-Gruppe in Ungarn, Kögáz und Ddgáz, angemeldet.
MVM von strategischem Stellenwert
Im Zuge der forcierten Akquisitionstätigkeit nahmen die Umsatzerlöse der MVM-Gruppe schon im Vorjahr um 150 auf 922 Mrd. Forint (rund 3 Mrd. Euro) zu. Das Ergebnis nach Steuern fiel jedoch auf 30 Mrd. Forint zurück, während beispielsweise nur der Kauf der RWE-Anteile am Budapester Gasversorger gut 40 Mrd. Forint kosten soll. E.ON erhielt im Vorjahr für den Abschied vom Großhandels- und Speichergeschäft mit dem Erdgas großzügig anmutende 900 Mio. Euro, die MVM überwiegend aus staatlichen Krediten aufbrachte.
Für die Orbán-Regierung ist MVM ein Unternehmen von strategischem Stellenwert. Das Atomkraftwerk in Paks soll mit Hilfe russischer Partner und eines gigantischen Kredits von 10 Mrd. Euro in ungefähr einem Jahrzehnt um zwei Reaktorblöcke erweitert werden – dieses Tochterunternehmen der MVM-Gruppe sorgt bis heute für den billigsten in Ungarn erzeugten Strom. Davon erzeugte es 2013 wieder mehr als die Hälfte, im Verbrauch erobert jedoch ebenso preiswerter Importstrom allmählich ein Drittel des Marktes.
Diskontpreis von neuem Anbieter
Dennoch setzt der Fidesz auf Paks als nicht versiegende Quelle der Politik sinkender Wohnnebenkosten, denn Orbán ist felsenfest überzeugt davon, dass Atomstrom auch in Zukunft die Billigstromgarantie schlechthin sei. Diese sei Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der ungarischen Industrie, die fortan ebenfalls von Energiepreissenkungen profitieren solle, bis das Preisniveau der USA erreicht sei. MVM wird eine neue Etappe in dieser Politik einleiten: Parallel zum neuen Gesetz über die Nonprofit-Versorgungsleistungen wird mindestens ein staatliches Unternehmen installiert, das Strom und Gas zu Diskontpreisen anbieten soll. Es wird also nicht wie früher erwartet allen Akteuren am Markt abverlangt, auf Profite zu verzichten; dieses Kunststück will der neue Anbieter vollbringen. Sehr wahrscheinlich wird der Staat über die Regulierung nachhelfen, dass die Versorger auch am freien Markt in seinem Sinne „vernünftig kalkulierte“ Tarife offerieren.