„Das Bündnis „Regierungswechsel” ist eine linksliberale Interessenvereinigung, die aus purem Karrierehunger zustande gekommen ist.“ Katalin Szili, ehemalige sozialistische Parlamentspräsidentin und heutige Vorsitzende der christlich-sozialen KTI
Von gombárovics
Jetzt bleibt wirklich nicht mehr viel Zeit. In gut einer Woche muss sich auch der im linken Ideologiefeld verwurzelte Wähler aufraffen und zur Wahlurne pilgern, um von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Ich kann bei Gott nicht behaupten, dass ich oft die Zeit gefunden habe, um mir um das Seelenheil der hartgesottenen linken Wähler Sorgen zu machen, doch jetzt tun sie mir wirklichmächtig leid, wird doch der 6. April niederschmetternd für sie werden! Und jetzt sehen wir mal kurz von den eindeutigen Prognosen der Demoskopen ab, die ein linkes Wahldebakel vermuten lassen… Versetzen wir uns stattdessen in die Lage eines sozialdemokratisch gesinnten Wählers, der, gehen wir davon aus, das politische Schaffen des legendären deutschen Kanzlers Helmut Schmidt kennt.
Wenn es heute überhaupt inbrünstige linke Wähler gibt, dann haben sie eigentlich nur die Möglichkeit, für die Sozialdemokratische Partei (SZDP) oder die Gemeinschaft für Gesellschaftliche Gerechtigkeit (KTI) zu stimmen, er kann sich auch noch überlegen, seine Stimme der Arbeiterpartei oder Jobbik zu geben… Das auf den ersten Hinblick verblüffende Angebot bedarf wohl einer Erklärung. Der Reihe nach.
Was der SZDP-Chef Andor Schmuck und die KTI-Vorsitzende Katalin Szili gemein haben, ist zunächst einmal ihre Vergangenheit in der MSZP beziehungsweise deren kommunistischer Vorgängerorganisation MSZMP. Doch ist es mit der Wahrnehmung der Wähler nun mal so, dass die Gegenwart und die mit Träumen und Hoffnungen beladene Zukunft im Vordergrund stehen, die Bedeutung der Vergangenheit hingegen verblasst. Auch die Programme von Szili und Schmuck überschneiden sich an vielen Punkten. Während die Idee Szilis, die Institution des Privatkonkurses einzuführen, auch von Schmuck stammen könnte, könnte das Rentner-Projekt Schmucks im Gegenzug auch im Programm Szilis und der KTI stehen. Man kann natürlich darüber lachen, dass Schmuck das Wahlkampfgeld dazu nutzt, Nahrungsmittel zu kaufen und diese ans Wahlvolk zu verteilen, und man kann auch Szili als Demagogin brandmarken, doch sind ihrer beiden Zielsetzungen tatsächlich lupenrein links.
Auch die Arbeiterpartei unter Gyula Thürmer ist nur scheinbar ein Problemfall. Abgesehen von Thürmers Huldigungen an János Kádár verfolgt die Arbeiterpartei einerseits seit Jahrzehnten die Interessen des „kleinen Mannes” und der Arbeiter, andererseits ruft sie schon seit sehr langer Zeit dazu auf, der hemmungslosen Profitgier der multinationalen Unternehmen Einhalt zu gebieten. Man kann natürlich auch Thürmer und seine Partei auslachen, mit ihren Sorgen lagen sie in den vergangenen Jahrzehnten aber nicht so ganz daneben.
Jobbik ist hier nur scheinbar ein Kuckucksei. Und auch die Bemühung des Gemeinplatzes, wonach „die Radikalen zusammenhalten” ist ein schäbiges Argument. In ganz Europa greift die EU-Feindlichkeit um sich, und das nicht nur unter den Sympathisanten der radikalen Parteien. Die Bürger des alten Kontinents haben schlicht und einfach genug von den muffigen EU-Bürokraten, den Vorschreibungen, welche Krümmung eine Gurke haben darf, und den EU-Parlamentariern, die Monat für Monat fette Beträge einstreichen. Die Forderung von Jobbik andererseits, für Ordnung und öffentliche Sicherheit zu sorgen sowie korrupte (Regierungs-) Politiker auch rückwirkend zur Verantwortung zu ziehen, könnte getrost auch in linken Parteiprogrammen stehen. Ganz zu schweigen von der Schröpfung milliardenschwerer Banker und Oligarchen. Immerhin hat Jobbik schon 2010 im traditionell linken Norden des Landes viele Stimmen eingeheimst…
Und was steht dem gegenüber? Simon (ehemaliger MSZP-Vize, der wegen Veruntreuung und Urkundenfälschung seit kurzem in Untersuchungshaft sitzt; Anm.), Zuschlag (ehemaliger MSZP-Politiker, der wegen Korruption lange Jahre in Haft saß und seit 2013 wieder auf freiem Fuße ist; Anm.), ein Tamás Bauer, der die sadistischen Vergehen seines kommunistischen Vaters in Schutz nimmt, der seinem Sohn leichte Drogen empfehlende Gábor Fodor, der Sparmaßnahmen in Aussicht stellende Ferenc Gyurcsány, der von Amerika gepushte ehemalige Funktionär der kommunistischen Jugendorganisation KISZ, Gordon Bajnai, oder die ganze dahergelaufene Bande liberal-globalistischer-EU-konformer-marktfetischistischer Möchtegern-Linker.
Der links gesinnte Wähler steht in der Wahlkabine also vor einer schwierigen Entscheidung. Oder ist sie etwa doch nicht so schwierig?
Der hier abgedruckte Text erschien am 25.März 2014 in der unabhängigen Wochenzeitung Nevem Senki.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar
Also das die Linken aus purem Karrierehunger zusammengekommen sind glauben Sie doch wohl im Ernst nicht. Als neutraler deutscher Beobachter sag ich Ihnen felsenfest auf den Kopf zu das dieses Bündniss einzig und alleine wegen der Politik gegen Orban zustande kam. Alles andere wäre Blödsinn.
Als ebenso neutraler Beobachter zurück: Wäre es dem Bündnis tatsächlich vor allem um die Abwahl von Orbán gegangen, hätte man dort alles diesem einen großem Ziel untergeordnet. Statt dessen erlebte die Öffentlichhkeit über Monate hinweg einen lächerlichen Positionskampf, insbesondere zwischen Mesterházy, Bajnai und Gyurcsány. Neue, unverbrauchte Gesichter, die es für das Linksbündnis vielleicht zu mehr hätten bringen können, hatten in diesem Gerangel erst gar keine Chance. Stellenweise beschäftigte sich das Bündnis mehr mit der Abwehr/Wiederkehr von Gyurcsány als mit der Abwahl von Orbán. Statt sich einmal auf eine vernünftige Schlachtaufstellung festzulegen und dann konsequent an die Verwirklichung des Hauptziels zu gehen, kämpften die drei genannten Protaganisten bis kurz vor zwölf lieber erst einmal untereinander erbittert um den Oberbefehl. Angetrieben von der felsenfesten Überzeugung, dass nur er das Zeug besitze, Orbán zur Strecke zu bringen, verschwendete jeder der drei seine Kraft derartig an diesen Bruderkrieg, dass jetzt höchstwahrscheinlich keinem der Drei das Glück beschieden sein wird, Orbáns Regierungszeit zu beenden. Nicht zuletzt auch, weil der Öffentlichkeit folgendes durch den Kopf gegangen sein kann: 1. Orbán kann gar nicht so schlimm sein, wenn sich die Linken nicht mit aller Kraft für seine Beseitigung einsetzen, sondern sich erst einmal dermaßen untereinander fetzen und 2. Wie will diese Linke ein ganzes Land führen, wenn sie schon bei der ersten, entscheidenden Schlacht so gewaltige strategische Fehler macht. Von der Causa Simon, einer wenig einleuchtenden, suboptimalen Personalpolitik, einer nicht sehr publikumswirksamen Auswahl der Wahlkampfthemen etc. jetzt einmal ganz zu schweigen…
Na , wenn Sie alles besser wissen, nashuad, dann retten Sie doch die Welt. Lächerlich,
wenn Sie als deutscher Beobachter „felsenfest“ etwas feststellen. Als könnten sie die Erfahrung derer, die täglich in den ungarischen Ministerien und Firmen arbeiten oder gearbeitet haben, ersetzten. Glauben sie, dass die Staatsverschuldung, die unter MSZP und SZDSZ von ca. 50 auf 80 % zum BIP stieg, Gyurcsánys Wahlbetrug im Jahr 2006 und zuletzt der Simon-Skandal auf den guten Ehrgeiz zurückzuführen sind, die Welt im Sinne der Sozialisten zu verbessern? Einen besseren Etikette- Schwindel als den der ungarischen Sozialisten werden sie kaum finden. Ob Orbán ein guter Demokrat ist, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt. Aber fragen sie mal Katalin Szili. Wie gut ist denn Ihr Ungarisch?