Stadtgrenze, Konzerthalle, Veranstaltungszentrum, Abgeordnetenhaus – all diese Funktionen hatte der „Vigadó“ bereits inne, aufgrund letzterer ließ ihn ein K.u.K.-General sogar zerbomben. Nach einer ersten Renovierung erlitt das Gebäude im Zweiten Weltkrieg erneut schwere Schäden, die Wiederaufbauarbeiten endeten 1980. Doch der an alte Zeiten erinnernde Glanz kehrte erst vergangenen Freitag wieder ein, als das Haus – begleitet von Protesten – feierlich wiedereröffnet wurde.
Nach der türkischen Besatzung im 17. Jahrhundert soll an der Stelle des heutigen Pester Vigadó ein die Stadt schützendes Rondell und somit die nördliche Stadtmauer von Pest gestanden haben. Dieses wurde im 18. Jahrhundert abgerissen, um einen Tanzsaal zu bauen, da die Pester Bürger nach Kultur verlangten. 1833 wurde die durch Mihály Pollack entworfene Redoute, Vorgängerin des heutigen Gebäudes und eines der Höhepunkte der damaligen klassizistischen Baukunst, mit einem Ball eröffnet. 1842 wurde auf Vorschlag von Lajos Kossuth die erste kunstgewerbliche Ausstellung abgehalten, zur Zeit der Freiheitskämpfe 1848-49 hatte das Abgeordnetenhaus hier getagt, ehe der Schweizer General Heinrich Hentzi in Diensten der Habsburger das Gebäude zerbomben ließ.
Alter Glanz soll wieder einkehren
Nach dem Wiederaufbau 1864 bot der Vigadó mit zahllosen Ausstellungen und Konzerten dem aufblühenden ungarischen Kulturleben eine Heimat. Zudem wurden hier große Bälle und Bankette abgehalten, die aus den Städten Pest, Buda und Óbuda gegründete Hauptstadt soll hier geboren sein. Franz Liszt, Johann Strauss und Ernő Dohnányi gaben hier ebenso Konzerte wie Béla Bartok und Claude Debussy. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt, die Renovierungsarbeiten begannen 1968 und endeten 1980, bis zur Schließung 2004 fanden noch zahlreiche Konzerte auf Weltniveau statt. 2013 kam er in den Besitz der Ungarischen Kunstakademie (MMA), unter deren Leitung der Glanz der Vergangenheit wieder einkehren sollte. Dafür wurden nicht nur die Eingangshalle und Kammerräume erneuert, sondern auch zwei ganze Stockwerke sowie eine große Aussichtsterrasse hinzugefügt. 2,23 Mrd. Forint ließ sich der Staat dies insgesamt kosten.
Bei der feierlichen Einweihung übergab HR-Minister Zoltán Balog den symbolischen Schlüssel an den neuen Hausherren, MMA-Präsident György Fekete. „Wir feiern die Erneuerung des Vigadó am Vorabend des 15. März, weil ein Elternteil der ungarischen Kunst immer die Freiheit war“, sagte Balog, „die MMA wurde deshalb Besitzer des rundum erneuerten Gebäudes, weil die Kunst frei ist und der Künstler immer eine Heimat hat.“ Man habe die Organisation und Förderung der Kunst jenen anvertraut, die dafür am meisten berufen seien: den Künstlern. Fekete versprach, dass der neugeborene Vigadó jeglicher Kunstrichtung eine Heimat sein werde. „Das Parlament hat die Akademie mit dem Besitz einer Einrichtung betraut, in der man die Vielfalt der ungarischen Kunst beweisen kann und muss“, so der MMA-Präsident. Oberbürgermeister István Tarlós betonte, dass der renovierte Vigadó die Hauptstadt um ein weiteres Ziel des internationalen Kulturtourismus bereichere. „Es ist eine historische Erfahrung, dass Großstädte nur durch Bewahren von Kunst und Kultur wahrhaft groß sein können“, sagte Tarlós.

Protestierende wollten mit dem Falschgeld ebenso um sich werfen, wie es ihrer Ansicht nach die MMA tut.
Demonstration gegen Vigadó-Besitzer
Auch Premier Viktor Orbán und seine Frau Anikó Lévai sowie Fidesz-Fraktionsvorsitzender Antal Rogán waren am Abend unter den Anwesenden. Zum Galakonzert spielten ein Blasorchester, das Orchester der Budapester Philharmonie sowie ein Pianist, zudem wurde eine Ausstellung über das Lebenswerk des erstorbenen Architekten Imre Makovecz im neuen fünften und sechsten Stock eröffnet. Nicht zum offiziellen Programm gehörten die etwa 70 Demonstranten, die neben dem Eingang gegen die MMA sowie deren Machtposition protestierten und skandierten, „die Kunst ist frei, die MMA ausgrenzend“. Die Akademie selbst habe nur einige wenige hundert Mitglieder und könne für die Kunstwelt Ungarns daher niemals als repräsentativ gelten, erklärte Organisator Gábor Erlich gegenüber dem Nachrichtenportal Origo. Künstler Szabolcs Kisspál fügte hinzu, dass man nicht hinnehme, dass die MMA
das viele Geld, über das sie verfüge, auf ungerechte Weise verteile. Eine entsprechende symbolische Aktion, bei der sich einige Demonstranten direkt vor den igadó-Eingang auf den Boden legten und mit Falschgeld bedeckten, wurde nach kurzer Zeit von der Polizei beendet, indem diese die Liegenden forttrug.
Daniel Hirsch
Wer sich den Vigadó einmal von Innen ansehen möchte, hat dazu beim Ball der Deutschen Wirtschaft am 31. Mai die Gelegenheit.