Das neue BGB ist knapp eine Woche in Kraft. Seitdem kursieren im ungarischsprachigen Internet vor allem berühmte Pressebilder, deren Protagonisten mit einem schwarzen Balken vor den Augen unkenntlich gemacht wurden. Damit soll auf den neuen Passus aufmerksam gemacht werden, der das Fotografieren betrifft. Dieser, so sind sich Presse- und Streetfotografen einig, könnte ganze Berufszweige gefährden.
Zur Erklärung: Mit dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch ändert sich auch die Situation für Fotografien aller Art dramatisch. Denn bisher galt, fotografiert werden kann frei, und jeder Bürger hat das Recht, einer Veröffentlichung oder dem Fotografiertwerden selbst zu widersprechen. Allerdings, und das ist der große Unterschied, wurde die Reihenfolge nun umgekehrt. Fotografiert werden darf heute nach dem Gesetz erst, wenn alle(!) Personen auf dem Bild ihre Zustimmung gegeben haben – bevor der Auslöser gedrückt wird, wohlgemerkt.
Im Alltag eines Presse- oder Straßenfotografen gestaltet sich die Arbeit strikt nach Gesetz nun folgendermaßen: Auf der Suche nach einem guten Motiv wird man fündig und möchte den Moment festhalten. Jetzt ist Schnelligkeit gefragt, denn ein gutes Foto ist oft nur eine Frage von Sekunden. Doch bevor der Fotograf abdrücken darf, muss er das Objekt, sprich die zu fotografierende Person erst um ihr Einverständnis bitten. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass besagter perfekter Moment nicht nur vorbei, sondern die Stimmung desselben zerstört ist. Fotografen, die ihren Lebensunterhalt mit Bildern verdienen, sind derzeit gezwungen, mit inverständniserklärungen bewaffnet auf Motivjagd zu gehen. „Reine Vorsicht“, wie es heißt, denn bei der Klage eines unfreiwillig Abgelichteten drohen empfindliche Strafen von mehr als 100.000 Forint. Doch der Absurditäten nicht genug: Oben beschriebene Regelungen beziehen sich auch auf private Fotografien. Wer sich selbst auf einem Bild beispielsweise im sozialen Netzwerk Facebook wiederfindet, kann hernach juristisch dagegen vorgehen. Einzige Ausnahme sind Aufnahmen von sogenannten „tömegrendezvények“, also Massenveranstaltungen. Allerdings ist auch hier wieder die Kreativität der Fotografen beziehungsweise später der Juristen gefragt, denn das Gesetz schweigt sich aus über eine genaue Definition dazu.
Bleibt einzig die Frage nach dem „Warum“. Und die stellen sich Profiknipser im ganzen Land, denn wirklich einleuchten will niemandem, wer hier geschützt werden soll. Persönlichkeitsrechte wurden bisher auch gewahrt und in Streitfällen entschied das Gericht. Allerdings fallen unter das neue Gesetz auch Ton- und Bildaufnahmen, und die haben in der Vergangenheit (unter anderen den Fidesz-Bürgermeister des Stadtteils Zugló, Ferenc Papcsák, oder die berühmte “Lügenrede” von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány) schon einige Politiker ins Straucheln oder gar zu Fall gebracht.
EKG
Wird ganz sicher die Herren von der dpa hier in Ungarn ärgern.
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/Ungarns-Roma-fluechten-vor-der-rechtsextremen-Gewalt-/story/26783353
Ist ja auch zum in den Hintern beißen, wenn es sich beim Abgebildeten um einen „Feind“ handelt und der dann noch Kohle dafür forden kann, weil Text und Foto nicht übereinstimmen und er nicht gefragt wurde.