Gerade rechtzeitig zum Nationalfeiertag werden am Vorplatz des Parlaments, dem Kossuth tér, zumindest die Oberflächenbauarbeiten fertiggestellt. So wird Premier Viktor Orban seine traditionelle Kundgebung an das ungarische Volk am 15. März hier abhalten können. Jedoch wird die feierliche Eröffnung des Platzes, einschließlich eines Besucherzentrums, verschiedener neuer Monumente und unterirdischer Ausstellungen erst Monate später erfolgen.
Schon ab Samstag wird die Straßenbahnlinie 2 wieder entlang des Kossuth tér verkehren. Auch Fußgänger und Radfahrer können den Platz erneut auf ihrem Weg ins Stadtzentrum umrunden. Nur Autofahrer dürften enttäuscht sein: Der gesamte Kossuth tér ist für die Zufahrt durch Autos gesperrt. Das neue Gesicht des Platzes besticht durch eine imposante Weitläufigkeit; perfekt geeignet für Großveranstaltungen, Kundgebungen oder gegebenenfalls Demonstrationen. Der zusätzliche Raum, der durch die Verlegung der Parkmöglichkeiten unter Tage geschaffen wurde, wird durch großzügige Rasenflächen gefüllt. Dies entspricht dem Ziel, den Platz grüner zu gestalten. Da jedoch viele Bäume dem Projekt weichen mussten und die ordentlich getrimmten Rasenflächen ereits jetzt großangelegt mit Verbotsschildern bestückt sind, bleibt der Platz im Gesamteindruck doch steril.
Alles für den Tourismus
Für den Touristenverkehr an dieser für Budapest wichtigen Sehenswürdigkeit war die Schaffung eines Besucherzentrums von großer Bedeutung. In der Vergangenheit mussten sich Touristen, die das Parlament besichtigen kamen, stundenlang, bei jedem Wetter auf dem Vorplatz die Beine in den Bauch stehen. Nicht einmal eine öffentliche Toilette stand zur Verfügung. Dies ändert sich mit der Eröffnung des Besucherzentrums. Weiterhin wird ein Parlamentsmuseum, welches in den nächsten Wochen fertiggestellt werden wird, den Platz touristisch aufwerten. Einen weiteren Vorteil hat das Besucherzentrum: Auf diese Weise wird unterirdisch Kossuth Platz, Parlament und Donauufer miteinander verbunden. Im Allgemeinen scheint der neue Platz der Nation mehr an vermeintlichen touristischen Bedürfnissen ausgerichtet zu sein, was sich auch in übertriebenen Konstruktionen wie einem aufwendigen Kühlsystem für das schattenfreie Areal des Platzes äußert. Durch den Ausstoß feinen Wassernebels, der von weitem den Eindruck einer Las Vegas-Bühnenshow erweckt, soll verhindert werden, dass sich die Besucher im Sommer die Fußsohlen verbrennen.
Die größte Veränderung werden Kenner des alten Kossuth Platzes sicherlich hinsichtlich der Denkmäler feststellen. Geblieben sind das Reiterbild Graf Ferenc Rákóczi II, dem Führer der ungarischen Aufstandsbewegung von 1703 bis 1711 und die Statue des berühmten Nationaldichters Attila József. Letzterer wurde versetzt und kann, ganz wie in einem seiner berühmten Gedichte nun endlich „An der Donau“ sitzen. Das Denkmal an die Gefallenen von 1956 verschwindet unter Tage. Um dem Platz wieder den Charme von 1944 zuteil werden zu lassen, wird das 1952 errichtete „alte neue“ Kossuth-Denkmal durch ein „neues altes“ Denkmal, welches nach dem Vorbild des 1945 entfernte ursprünglichen Kossuth-Denkmals nachgebildet wurde, ersetzt. Auch Gyula Andrássy und István Tisza, beide große ungarische Staatsmänner, die sich gegenüber den Habsburgern für die Rechte Ungarns einsetzten, erhalten jeweils ein eigenes Denkmal. Allerdings ist gerade Tisza eine der eher fragwürdigeren Figuren der Geschichte. Er führte Ungarn in den ersten Weltkrieg und verfolgte eine rigorose Magyarisierungspolitik.
Neben Kritik an der Umgestaltung muss man allerdings einräumen, dass der heutige Kossuth tér mehr den ästhetischen Ansprüchen entspricht, die man an den Vorplatz eines monumentalen Bauwerkes wie dem ungarischen Parlament stellt.
Katrin Holtz