András Kállay-Saunders wurde1985 in New York geboren. Der ungarischstämmige Amerikaner ist Sänger, Performer, Produzent und Komponist in einem. Seine Mutter Katalin, einstmals ein Modell, stammt aus dem ungarischen Adelsgeschlecht der Kállay, sein Vater Fernando Saunders war Bassist beim berühmten Lou Reed.
Kállay-Saunders wird Ungarn also beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen mit dem
Song „Running“ vertreten. Ich traf András im Művész Kávéház. Zu meiner großen Überraschung traf ich einen jungen Mann, dessen Gesichtszüge viel feiner sind als im Fernsehen, dessen Augen aber sehr müde wirkten. András’ Mutter zog vor sechs Jahren nach Budapest, um ihre kranke Mutter zu pflegen. András arbeitete damals noch in Amerika an seinem ersten Album. Von jenem Moment an, als er seine Mutter und Großmutter aus Übersee besuchen kam, ist die Geschichte bekannt: András und seine Großmutter saßen auf der Couch und sahen gemeinsam fern, als der Aufruf zur Casting-Show Megastar 5 gesendet wurde. Kurz entschlossen meldete er sich und nahm an der Fernsehsendung teil. Seitdem lebt er in Budapest, der Stadt, der er es zu verdanken hat, als Sänger endlich den Durchbruch geschafft zu haben.
Seit wann singst du?
Meine Mutter sagt, ich singe schon seit frühster Kindheit. Neben dem Singen habe ich in Amerika studiert und mich als Pizzabote verdingt. In Übersee treffen so viele verschiedene Kulturen aufeinander, unendlich viele Impulse prasseln täglich auf den Menschen ein – ich bin froh, dass ich dort leben durfte und so meinen Horizont erweitern konnte. Nichtsdestotrotz sind meine Texte kreativer, tiefsinniger und natürlicher seit ich in Ungarn lebe. Ich kann hier einfach bessere Musik schreiben.
Was denkst Du, woran das liegt?
In New York sehen die Menschen wie Roboter aus, wie sie zwischen den Wolkenkratzern umher gehen. Für mich ist Budapest viel schöner als der Times Square. Ich mag die alten Gebäude, die Natürlichkeit der Gefühle, es ist hier viel romantischer.
Kannst Du Dir vorstellen, einmal nach Amerika zurückzugehen? Oder kannst Du Dich hier in Ungarn noch weiterentwickeln, die Karriereleiter hinaufklettern?
Nein, ich habe nicht vor, zurückzuziehen, meine Freunde dort will ich natürlich trotzdem besuchen. Ich habe Budapest lieb gewonnen und möchte hier bleiben. Natürlich ist mir meine Karriere wichtig und das ich das tun kann, was ich liebe. Mein Ziel ist es nicht, Popstar und Mädchenschwarm zu werden. Seit ich nach Ungarn gezogen bin, versuche ich das den Leuten klarzumachen. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, als Philip Rákay (einer der Juroren – Anm.) während der Sendung „Dal2014“ sagte, ich sei nicht nur ein Sänger, sondern auch ein Künstler. Und das ist es, was für mich wichtig ist. Ich möchte Künstler sein, nicht Sänger oder Popstar. Wenn man mich neben einen Gitarristen auf eine Bühne stellt, kann ich mit ihm musizieren und singen. Ich brauche kein Playback wie „Popstars“.
Das Lied „Running“ unterscheidet sich stark von deinen anderen.
Ja, aber alle meine Lieder sind anders. Noch habe ich nicht wirklich meinen eigenen Stil gefunden, weil ich mich immer anders fühle. Dieses Lied ist tiefsinniger, ernster. Es beginnt lyrisch und geht dann richtig los, ich liebe drum and bass, dieser Stil passt sehr gut zu diesem Lied. Irgendwann möchte ich mal Blues- und Country-Nummern schreiben, weil beide Stile mir unheimlich wichtig sind. Viele Kritiker haben mich gewarnt, dass „Running“ und einige andere meiner Songs den Ungarn nicht gefallen werden. Viel gebe ich darauf nicht. Ich denke, ich habe erreicht, was ich erreicht habe, weil ich das tue, was ich für richtig halte.
Wem hättest Du die 10 Punkte bei der Show „Dal2014“ gegeben?
Beispielsweise Fool Moon. Sie haben A capella gesungen, das Ganze war sehr kreativ und schön, und sie haben gezeigt, wie talentiert sie sind. Viktor Királys Lied macht einfach nur Spaß, du wirst glücklich, wenn du es hörst. Auch Bogis Lied hat mir sehr gefallen. Den Gedanken dahinter, dass wir alle eins sind, finde ich sehr schön. Ich weiß nicht, wen ich ausgewählt hätte… Ich mochte auch die Band New Level Empire sehr. Viele Bands waren leider deswegen erfolgreich, weil sie eine große Fangemeinde haben, aber die Lieder selbst
waren schlecht.
Du weißt sicher, dass Du von vielen Seiten angegriffen wirst. In den Augen Vieler bist du kein Ungar oder nicht Ungar genug, um dieses Land beim Wettbewerb zu vertreten. Aber es gibt auch schärfere, zum Teil rassistische Töne. Dabei wissen wir, dass Du aus der Familie Kállay stammst. Was denkst Du darüber?
Ich habe mich sehr gefreut, meine Familie hier zu treffen. Wir waren immer eine sehr kleine Familie, meine Mutter, mein Vater und ich. Und dabei habe ich mir immer eine große Familie gewünscht. Jetzt, da ich das endlich habe, fühle ich mich glücklich. Es gab Kommentare auf Facebook bezüglich meiner Hautfarbe. Meine Antwort war immer, ich hoffe, dass der Schreiber irgendwann mal sein Glück im Leben findet, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass jemand, der sich mit solchen Fragen beschäftigt, wirklich glücklich sein kann. Oder irgendetwas stimmt ganz grundsätzlich nicht in seinem Leben. Aber es gab auch Kommentare wie „Wir stimmen für András, um euch (die ihr Probleme mit seiner Hautfarbe habt – Anm.) eins auszuwischen!“ Auch haben viele geschrieben, es wäre eine gute Sache, wenn Ungarn von einem Farbigen vertreten wird. Dies ist ein großer Schritt für das Land.
Für Deinen Song hast Du Dir wahrlich kein leichtes Thema ausgesucht, in „Running“ geht es um Gewalt in der Familie. Warum glaubst Du, dass dies das passende Thema für den Eurovision Songcontest ist?
Ich lese oft die Kommentare, die mich betreffen. Auch die von Ausländern, weil ich neugierig bin. Viele schreiben, wie gut das Thema sei und dass es wichtig sei, auch mal so ein ernstes Thema bei dem Songcontest zu haben und so die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Viele schreiben auch, es sei interessant, dass Ungarn zwei Mal hintereinander so außergewöhnliche Lieder beim Songcontest vertreten habe. Im vergangenen Jahr war es ByeAlex und bis heute hat er viele Fans im Ausland. Nur in Ungarn mag man ihn nicht. Wenn du hier unbeliebt bist, heißt das, es gibt noch Hoffnung (lacht).
Was glaubst Du, warum hat Dein Lied das Rennen in Ungarn gemacht?
Selbst wenn man den Text des Liedes nicht versteht, ist es ein guter Song. Wenn der Refrain einsetzt, kann man sogar dazu tanzen. Ich denke, den Leuten hat der Text, das Lied an sich und eben auch das Thema gefallen.
Und wer ist das junge Mädchen, das Dich am Klavier begleitet?
Das war Zoé Cserpes, die kleine Schwester von Laura Cserpes (ung. Sängerin; Anm.). Ich wollte auf jeden Fall ein Mädchen, das wirklich Klavier spielen kann. Mir war Authentizität wichtig.
Hast Du neben Deiner Musikkarriere auch Zeit für anderes?
Ich laufe viel und gehe ins Fitnessstudio. Ich will aber kein Muskelberg sein, sondern Ausdauer aufbauen.
Wie schätzt Du Deine Chancen in Kopenhagen ein?
Ich habe mir die Shows der vergangenen Jahre angesehen und musste feststellen, dass die Lieder, die mir gefallen haben, leider nie gut abgeschnitten, geschweige denn gewonnen haben. Alles, was mir bleibt, ist das zu tun, was ich am besten kann. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob über Sieg oder Niederlage wirklich das Lied entscheidet. Interessanterweise mögen auch die in Ungarn lebenden Ausländer mein Lied sehr gern. Oft werde ich auf der Straße angehalten, und wildfremde Personen gratulieren mir. So viel positive Resonanz und vor allem so viel davon habe ich noch nie bekommen, wie jetzt zu „Running“.
Was sind Deine Pläne bis zum Wettbewerb?
Wir gehen auf Europa-Tournee. Wir haben schon Anfragen aus Amsterdam, London, Deutschland. Wir werden Konzerte spielen, natürlich live mit echten Musikern, so wollen wir meinen Song vorstellen. Aber natürlich auch die Songs, die noch nicht veröffentlicht worden sind. Ich kann es kaum erwarten, auch in anderen Ländern endlich auf der Bühne zu stehen und zu singen. Ich bin sehr neugierig auf die Reaktion des Publikums, was es über
mich und meinen Song denkt.
Gibt es etwas, was Du loswerden möchtest?
Ich hoffe, die Leute hier werden stolz auf mich sein. Ich denke jedenfalls nicht, dass sie von mir enttäuscht sein werden. Aber was, wenn dieses Mal ich derjenige bin, bei dem alle denken „Mensch, ist das ein guter Song!“, und dann werde ich doch Letzter. Was mache ich dann? Daran will ich lieber nicht einmal denken. Den hier lebenden Ausländern möchte ich sagen, hier kannst du alles erreichen, wenn du es wirklich willst und nicht aufgibst! Denn seien wir ehrlich: Ich kam nur zu Besuch zu meiner Großmutter nach Ungarn und jetzt? Jetzt vertrete ich Ungarn auf dem Eurovision Songcontest. Das ist wirklich unglaublich. Ich weiß, dass es Staaten gibt, die Ungarn momentan nicht sonderlich gut gesonnen sind. Diesen möchte ich Ungarn von einer neuen, liebenswerten Seite vorstellen, durch mich als Person. Ich habe keinen konkreten Plan, ich gebe mich einfach natürlich. Und noch einmal ein herzliches Danke an Ungarn dafür, dass ich hier der sein darf, der ich bin: Kállay-Saunders, der Sänger!
Das Gespräch führte Nóra Halász
Wer András Kállay-Saunders einmal live erleben möchte, hat beim Ball der Deutschen Wirtschaft am 31. Mai die Chance dazu. (Mehr Infos, Tischreservierungen und Sponsoring unter: +36-1-312-1123, mail@dwc.hu, www.dwc.hu oder auf der DWC-Facebookseite.)