Von Gábor Török
Mesterházy sei ein Amateur, der nicht einmal zu einer ordentlichen Verleumdungskampagne fähig sei, sagte vor wenigen Tagen Parlamentspräsident László Kövér. Das Regierungslager begegnet dem sozialistischen Politiker ziemlich ambivalent. Obwohl er schon bei den Parlamentswahlen im Jahr 2010 als Spitzenkandidat der Sozialisten (MSZP) ins Rennen gegangen war, hatte seine damalige Kandidatur im Grunde keinerlei
Bedeutung: Die Wahlschlappe der Linken war schon Monate vor den Wahlen
absehbar gewesen, insofern vergeudete der Fidesz keine Energien darauf, den
Spitzenkandidaten der Gegenseite ernsthaft anzugreifen. Die heutige Regierungspartei hatte damals vielmehr das Symbol für die historische Niederlage der MSZP im Visier: Gyurcsány Ferenc (Regierungschef zwischen 2004 und 2009; Anm.). Das reichte, um die Wähler zu mobilisieren.
Mesterházy wurde im rechten Lager – aber auch von vielen Linken – lange Zeit
als Übergangsfigur betrachtet, wurde doch angenommen, dass er im Zuge der
inneren Richtungskämpfe bei der MSZP schlicht verbluten würde. Ich könnte
zahlreiche Analysen und Kommentare aus dem Jahr 2010 zitieren, in denen
davon ausgegangen wird, dass Mesterházy 2014 mit Sicherheit nicht mehr
Spitzenkandidat der Linken sein werde. Mutmaßlich hat auch der Fidesz damit
spekuliert: In den vergangenen Jahren hat er in seiner Rhetorik fast ausschließlich auf Gyurcsány und Gordon Bajnai (Regierungschef zwischen 2009 und 2010; Anm.) gefeuert. Die Regierungspartei hat auch eine Menge Energie darauf verwandt, um Bajnai und Gyurcsány zu stigmatisieren. Mesterházy indes wurde bisher in keiner einzigen Negativkampagne die Hauptrolle zuteil – selbst jetzt noch muss er sich gewissermaßen mit der Statistenrolle begnügen, denken wir nur an die unzähligen Plakate, auf denen die Spitzen der Linken mit dem Clown zu sehen sind.
Es kann aber natürlich auch sein, dass Mesterházy in gewisser Hinsicht mehr
Akzeptanz als linker Politiker in den Augen des Regierungslagers findet als Gyurcsány und Bajnai – in einem Brief, den regierungsnahe Intellektuelle an ihn schrieben, scheint so etwas denn auch herauszuklingen, allerdings gehe ich davon aus, dass dies nicht der Fall ist: Die Rechte hat den MSZP-Chef bisher vielmehr als ungefährlich, das heißt, als einen Gegner betrachtet, den sie zum Frühstück vernaschen kann – viele Regierungspolitiker denken noch heute so über ihn. Derweil hat sich Mesterházy allerdings als gewiefter Taktiker erwiesen. Zunächst war es ihm gelungen, Ex-Premier Gyurcsány aus der MSZP zu drängen, später konnte er sich im Lager der Linken als Spitzenkandidat
gegenüber Gordon Bajnai behaupten, der von fast allen linken Kommentatoren als die chancenreichere und geeignetere Person betrachtet worden war. All das zeugt von großem politischem Geschick, umso mehr, wenn wir die heutige Situation der MSZP mit ihrem zerrütteten Zustand im Jahr 2010 vergleichen.
Die bisherige Polit-Karriere des MSZP-Chefs stand bisher vor allem im Zeichen innerer Positionskämpfe. Und obwohl er zweifelsohne bereits mehrere Siege davontragen konnte, werden erst die Parlamentswahl 2014 und ihre Konsequenzen zeigen, welchen Sinn seine bisherigen Auseinandersetzungen hatten. Sollte die Linke die Wahl im April gewinnen, wird er trotz einer heterogenen Allianz und vielen Gegnern im eigenen Lager zum Ministerpräsidenten avancieren. Dies wäre wohl schwer als Pleite zu interpretieren. Sollte er allerdings verlieren, wovon gemäß der aktuellen Umfragen eher auszugehen ist, wird sich die Situation natürlich völlig anders darstellen: Seine weiteren Aussichten werden dann einerseits von der Deutung der Niederlage, andererseits vom Verhalten der anderen Linksparteien abhängig sein.
Obwohl viele glauben, dass Mesterházy abgesägt wird, wenn die vereinte Linke
bei der Wahl verliert, gibt es immerhin auch Gegenargumente. Zum einen ist die Erwartungshaltung in Bezug auf das Abschneiden der linken Wahlallianz bei der Wahl ziemlich niedrig, eine Niederlage gilt heute sozusagen als Papierform – das schließt natürlich nicht aus, dass er innerhalb der MSZP in die Bredouille geraten könnte. Zum anderen wird die MSZP die mit Abstand größte Fraktion der Linken im Parlament stellen – die Parteien von Gyurcsány und Bajnai können sich schon freuen, wenn sie jeweils fünf Mandate erlangen. Zwar werden die beiden Ex-Regierungschefs wohl danach trachten, in der kommenden Legislaturperiode der MSZP den Rang abzulaufen, mich würde es aber nicht überraschen, wenn Mesterházy entgegen den Erwartungen noch lange Zeit ein maßgeblicher Politiker der Linken sein würde.
Der Autor ist Politologe. Der hier abgedruckte
Text erschien am 6. Februar 2014
in der konservativen Wochenzeitung Heti
Válasz.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar