
Statt dem Errichten des „Haus der Schicksale“ rät der MAZSIHISZ unter anderem zum Renovieren der Synagoge in der Rumbách Sebestyén utca.
Am gestrigen Montag wandte sich der Verband der jüdischen Gemeinden Ungarns (MAZSIHISZ) in einem offenen Brief an Premier Viktor Orbán. In diesem dankt man für das zwar ergebnislose, aber offene Gespräch mit Staatsekretär János Lázár, das vergangenen Donnerstag stattgefunden hatte. Dieses habe den Verband gestärkt, sich mit ihren Kritikpunkten an den Premier zu wenden. Statt dem am Sonntag beschlossenen Boykott thematisiert der MAZSIHISZ Dialogbereitschaft und gibt Empfehlungen für Gedenkstätten.
Man betrachte mit Sorge das Projekt zur Errichtung der Gedenkstätte „Haus der Schicksale“ im ehemaligen Josefstädter Bahnhofsgebäude im VIII. Bezirk: Sowohl dessen Position neben dem bereits bestehenden Holocaust-Gedenkzentrum in der Páva utca, als auch der Standort, das Konzept zur „Kinder-Holocaust“-Ausstellung allgemein und der Name der Einrichtung seien kritikwürdig. Zudem wuchsen die Konflikte in der Beziehung zur dortigen zukünftigen Leiterin, Mária Schmidt (auch Leiterin des „Haus des Terrors“-Museums; Anm.). Staatssekretär Lázár selbst hatte bei den Gesprächen am Runden Tisch betont, dass das Projekt nur mit Unterstützung der jüdischen Verbände zustande kommen könne – in dem Brief stellte der MAZSIHISZ noch einmal klar, dass momentan keiner der jüdischen Verbände das Projekt unterstütze. Daher wende man sich nun mit alternativen Empfehlungen zur Verwirklichung an den Ministerpräsidenten.
Statt dem aktuell bestehenden Konzept empfehle man eine Einrichtung, die – ergänzend zum Holocaust-Gedenkzentrum – das ungarisch-jüdische Zusammenleben, „die Symbiose der ungarischen und jüdischen Kultur“ darstelle. Neben der Tragödie des Holocaust in Ungarn gelte es, auch aufzuzeigen, wie sich die beiden Kulturen gegenseitig beeinflussten. Dafür könnten zusätzlich auch verschiedene, kleinere lokale Projekte in Gemeinden abseits von Budapest umgesetzt werden. Nur einen Absatz später empfiehlt man jedoch, das „Haus der Schicksale“ gänzlich zu kippen, und stattdessen das eben genannte Konzept über das ungarisch-jüdische Zusammenleben, das in der Gemeinde Gyöngyös unter dem Namen „Együttélés Háza“ („Haus des Zusammenlebens“) umgesetzt werden soll, lieber in der Budapester Synagoge in der Rumbách Sebestyén utca zu realisieren (obwohl die Gemeinde Gyöngyös über das Projekt bereits im Gemeinderat abgestimmt und die Planungen begonnen hatte; Anm.). Mit dem Wegfall des Josefstädter Projektes könnte die Regierung Einsparungen machen, die in das Holocaust-Gedenkzentrum, die Synagoge in der Rmbách Sebestyén utca und das „Haus des Zusammenlebens“ investiert werden könnten, formuliert der Brief.
Diskussionen um Besatzungsdenkmal schaden ganz Ungarn
Was das Besatzungsdenkmal angehe, so suche man den Dialog, da man das Gefühl habe, dass die Konflikte um das Monument dem ganzen Land schaden: „Die im Zusammenhand mit dem Denkmal auftauchenden erinnerungspolitischen Fragen berühren uns nicht als jüdisches, sondern gesellschaftliches Problem und als Mitglieder der ungarischen Nation. Wir sind uns sicher, dass der Herr Ministerpräsident und jedes Mitglied seiner Regierung daran interessiert sind, die wegen dem Denkmal im In- und Ausland entstandenen Diskussionen möglichst bald und ruhig abzuschließen.“
Der Verbandsbeschluss vom Sonntag (die Vollversammlung der jüdischen Gemeinden hatte aufgrund der Erinnerungspolitik der Orbán-Regierung zum Boykott des Holocaust-Gedenkjahres aufgerufen; Anm.) – der aber an keiner Stelle im Brief wörtlich thematisiert wird – habe gezeigt, dass sich Ungarn „den Wunden“ seiner Vergangenheit von vor 70 Jahren stellen, aber auch das zuvor fast 1000 Jahre währende Zusammenleben aufzeigen müsse. Man bitte den Premier, eine entsprechende weise Entscheidung im Sinne der gesellschaftlichen Aussöhnung zu treffen, um die schwierige Vergangenheit aufarbeiten zu können.
Daniel Hirsch
Ottó Heinek, der Präsident der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, hat sich heute via Népszabadság im Namen der Ungarndeutschen den Vorbehalten von MAZSIHISZ angeschlossen und gegen den Plan zur Errichtung des geschichtsklitternden „Besetzungsdenkmals“ protestiert. (http://nol.hu/belfold/20140211-a_nemetek_is_tiltakoznak) Die Statue, so Heinek, untergrabe die Glaubwürdigkeit historischer Auseinandersetzung und führe in ihrer Konsequenz zu tiefgreifenden Aversionen gegen die ethnische deutsche Gemeinde in Ungarn. Er hoffe, dass die Regierung ihren Fehler erkenne und das Projekt stoppe!
Wie recht Heinek mit dieser Prophezeiung hat, zeigt sich in dem Shitstorm an Lesermeinungen unter dem Artikel in der Népszabadság: Man fühlt sich in einigen Fällen an die vergiftete Stimmung zu Beginn der Austreibungen der Ungarndeutschen zurückversetzt! Das ist die Folge der Geister, die Orbán hier beschworen hat!
Eigentlich wäre es Sache des deutschen Botschafters und der deutschen Bundesregierung, sich hier offen zu erklären, aber von dort kommt anscheinend nur peinliches Schweigen.