
Laura Lackey wuchs in New Orleans auf: „Was mir in Budapest fehlt, sind die Musik und die exotischen Rhythmen der Straße.“ (Foto: Katrin Holtz)
Budapest wimmelt nur so vor interessanten Persönlichkeiten. Mit ihrer architektonischen Anmut und dem pulsierenden Nachtleben übt die Donaumetropole eine unwiderstehliche Anziehung aus, für Künstler, Intellektuelle und allerlei buntes Volk. In dieser Reihe geben wir Einblick in Lebensgeschichten von Einheimischen und Wahlungarn. Lesen sie in diesem Teil, wie eine junge Amerikanerin eine Reise von Liverpool bis Budapest auf einem regenbogenfarbenen Fahrrad gemeistert hat.
Wir treffen Laura Lackey im MÜSZI Café auf dem Blaha Lujza Tér. Viele Menschen im Lokal scheinen Laura hier zu kennen. Sie begrüßen die junge Frau überschwänglich und rufen sie zu ihren Tischen. „Ich wohne hier in der Nähe und bin des öfteren hier“, entschuldigt sich Laura etwas verlegen. Laura liebt Kulturcafés wie dieses, die ein ausgewogenes Programm aus Kulturveranstaltungen und Unterhaltungsnachmittagen für jedermann anbieten. Und tatsächlich, zumindest an diesem Tag sind im MÜSZI vom Kinde bis zum frischverliebten Rentnerpaar alle Altersschichten vertreten. Ein sozio-demographisches Mosaik fügt sich in diesem Raum zusammen, und wer sich die Zeit nimmt, kann bestimmt die ein oder andere interessante Lebensgeschichte
hören. Aber heute hören wir von Laura Lackeys Abenteuern.

Liebt die Musik: Laura Lackey ist Vollblut-Musikerin, die nur ihre Gitarre und ein Publikum braucht. (Foto: Arthur White)
Laura ist Sängerin, Gitarristin, Bandmanagerin und Lebenskünstlerin. Dem
Swing und Jazz hat sie ihre Seele verschrieben. Seit bald drei Jahren lebt die
gebürtige Amerikanerin, die ihre Jugend in San Francisco verbrachte, nun schon in Budapest. Sie liebt die Metropole an der Donau, und nur manchmal packt sie das Heimweh. „Was mir fehlt, ist die Musik. Ich bin aufgewachsen in einem der ärmeren Viertel von San Francisco. In der Nähe unseres Hauses gab es einen jamaikanischen Markt, von wo aus tagein tagaus exotische Rhythmen die Straße erfüllten“, schwärmt Laura ein wenig wehmütig. Später zog Laura nach New Orleans und verdingte sich dort als Musikerin. Das Leben der Straßenmusiker New Orleans ist wild, die Nächte hindurch spielen sie in Bars, den Tag über träumt man vom Abenteuer in Europa. Eines Tages wurde dieser
Traum für Laura Wirklichkeit. Zusammen mit einem Freund kaufte sie ein Flugticket nach England.
Mit dem Fahrrad bis nach Budapest
Erste Station war Liverpool, Großbritannien. Hier wurde Laura ein Geschenk
gemacht, das den weiteren Verlauf ihres Lebens ändern sollte. „Als ich in Liverpool ankam, fand ich diese schräge Fahrradwerkstatt, die die wunderschönsten Fahrräder aus alten Teilen zusammengebaut haben.“, schwärmt die Musikerin, „Mein Freund und ich haben uns zwei der Fahrräder geliehen, und nachdem wir eine Woche damit rumgefahren sind, hat der Typ,
dem sie gehörten, sie uns geschenkt.“ Endlich ein eigenes und vor allem kostenloses Fortbewegungsmittel zu besitzen, inspirierte Laura zu einer verrückten Idee – „Ich sagte zu meinen Freunden: ‚Hey, wenn wir schon Fahrräder haben, dann müssen wir auch eine Tour machen.‘“ Gesagt, getan. Die junge Kalifornierin packte ihre Gitarre und einen Schlafsack und fuhr zusammen mit anderen Straßenmusikern los. „Wenn man unterwegs ist, braucht man nicht viel. Ich packe immer nur ein, was in meinen Gitarrenkasten passt. Eine Zahnbürste, Klamotten zum wechseln. Ich sage mir einfach, was nicht reinpasst, brauche ich auch nicht.“ Zuerst tourten die fahrenden Musiker nur innerhalb des Vereinigten Königreichs, wagten dann aber den Sprung über
den Ärmelkanal. Mit der Fähre erreichten sie Belgien. Von hier aus ging es mit dem Fahrrad, gelegentlich auch mit dem Zug, weiter durch West- und Mitteleuropa. Niederlande, Deutschland, Frankreich, Österreich – sich immer ein Stückchen weiter Richtung Osten vorarbeitend. Bei so viel Spontaneität und dem unkonventionellen Leben „on the road“ mit teils chaotischen, aber meist kreativen Menschen muss man direkt an die Geschichten der Beat-Generation denken. Laura lacht, „Ja, ich denke, das war ziemlich Beatnik von uns.“
Leben und Liebe in Budapest
Im Sommer 2011 erreichte das fahrende Volk endlich Ungarn. Ein Land, mit dem die Sängerin viele Erinnerungen verbindet. „Die zweite Ehefrau meines Vaters war Ungarin“, erzählt Laura lächelnd, „deshalb war ich schon als Kind ab und zu hier, um die Familie meiner Stiefmutter zu besuchen.“ Schon damals war sie fasziniert von der Donaumetropole. Doch die erste ungarische Stadt, die sie auf ihrem Fahrrad vor fast drei Jahren erreichte, war Győr. Danach ging alles ganz schnell. Von Győr ging die wilde Fahrt weiter nach Budapest. „Eine der ersten Plätze, an denen wir in Budapest gespielt haben, war das Gödör“. Mit einem Leuchten in den Augen erinnert sich die Swingmusikerin an den Platz auf dem Erzsebet Tér, der heute unter dem Namen Akvárium bekannt ist, zurück. „Es war Sommer, und der Platz war jede Nacht gefüllt.“ Um ihren Lebensunterhalt aufzubringen, spielte Laura mit ihrer Band aus Straßenmusikanten fast jede Nacht. Gegen Bezahlung, aber auch gegen eine warme Mahlzeit oder Unterbringung.
Heute lebt Laura fast nur aus den Einnahmen ihrer Musik. Der Großteil kommt aus Auftritten mit ihrer Band Laura Lackey’s Rhythm Revue in Bars und Kneipen. Die meist aus drei bis vier Musikern bestehende Band spielt von Swing über New Orleans Jazz bis hin zu Blues und Gospel alles, was auf das Tanzparkett zieht. Dabei vereinen sie Interpretationen bekannter Songs mit eigenen Kompositionen zu einem markanten, musikalischen Programm. Zu einer gewissen Bekanntheit hat es die Band schon gebracht. „Wir könnten jede Nacht in einer anderen Bar spielen – wir haben genug Angebote“, erzählt Laura stolz. Doch am liebsten spielt die junge Frau in Lokál Bar in der Dob utca. Dort gibt es jeden Dienstag einen Swingabend mit Schnuppertanzstunde und anschließendem Konzert von Laura Lackey’s Rhythm Revue Band. Die Wahlbudapesterin lebt allerdings nicht nur von Konzerten, einen Teil verdient sie durch englischsprachige Singstunden in Kindergärten oder dem Komponieren und der Aufnahme von englischen Kinderliedern für Sprachlernwebseiten. „Ich bin froh, dass ich meinen Lebensunterhalt ausschließlich mit Aktivitäten verdienen kann, die ich liebe.“
Für ihre Zukunft wünscht sich Laura, die sich auch für ungarische Volksmusik
interessiert, ihre Musikkarriere in Budapest weiter zu entwickeln: „Wir hoffen,
dass wir auch dieses Jahr wieder auf dem Sziget Festival dabei sein können. Auch wäre es cool, mit einem Elektroswing-DJ zusammenzuarbeiten. Obwohl unsere Konzerte meist mehr als drei Stunden dauern, wollen die Leute danach noch nicht gehen. Wenn ein DJ da wäre, dann könnten die Besucher nach dem Konzert noch weiter tanzen, und wir könnten mit ihnen zusammen feiern.“ Jedem, der Laura Lackey’s Rhythm Revue noch nicht kennt, ist wärmstens empfohlen, sich eine ihrer Shows anzusehen. Am besten gleich am kommenden Dienstag in der Lokál Bar.
Katrin Holtz
Laura Lackey’s Rhythm Revue auf Facebook: www.facebook.com/LauraLackeysRhythm-Revue