Irgendwie kommt kein Stolz auf, wenn eine Landeswährung an Gewicht verliert. Also hängt es die Regierung jetzt vor den Wahlen auch nicht an die große Glocke. Andererseits macht sie aber keinen Hehl daraus, dass ihr ein schwacher Forint durchaus gelegen kommt.
Die aktuell von der Ungarischen Nationalbank (MNB) vorgelegten Statistiken müssen ernüchtern: Im vergangenen Jahr ergab sich ein durchschnittlicher Eurokurs von 297 Forint, im Vergleich zu kaum mehr als 250 Forint im Krisenjahr 2008 oder jenen durchschnittlich 275 Forint zum Euro, mit denen die Orbán-Regierung vor vier Jahren antrat. Dass Ungarn besser erfüllt, bezieht die Fidesz-Propaganda ganz sicher nicht auf den Forint, denn dieser hat binnen vier Jahren gegenüber dem Euro acht Prozent an Wert verloren. Was noch ganz anständig anmuten mag neben jenen 20 Prozent, die der Forint zur gleichen Zeit gegenüber dem Schweizer Franken einbüßte. (In jener Parität schossen die durchschnittlichen Notierungen von 200 HUF/CHF in 2010 auf 241 HUF/CHF im Vorjahr in die Höhe.)
Trotz Konsolidierung keine Bewegung
Bekanntlich sind die ungarischen Privathaushalte und Unternehmen noch immer beträchtlich in Devisen verschuldet, letztere konnten ihre „faulen“ Kredite möglicherweise über einen Wachstumskredit der MNB „entsorgen“. Der Staat hat zudem die Städte und Gemeinden konsolidiert, bewegt sich aber hinsichtlich der Auslandsschulden allen Anstrengungen zum Trotz nicht wirklich vom Fleck: Mit rund 80 Prozent am BIP kann an dieser Front, selbst wenn Ministerpräsident Viktor Orbán diesem Kampf oberste Priorität einräumte, noch lange nicht Entwarnung gegeben werden. Das aber schränkt seine Handlungsfreiheit ein, denn so sehr die Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure durch die schwache einheimische Währung aufgebessert wird, untergräbt diese zugleich die Existenz all jener, die sich in Devisen verschuldet haben – also auch des Staates.
Starker Forint nicht von Interesse
Den Landeswährungen Osteuropas wurde auf dem Weg ins vereinte Europa um die Jahrtausendwende eine Blütezeit vorausgesagt, denn die vertiefte euro-atlantische Integration sollte viel ausländisches Kapital anlocken, das Vertrauen in die aufstrebenden Märkte stärken, denen im Zuge der erwarteten rasanten Modernisierung ohne jeden Zweifel zugetraut wurde, in Sachen Arbeitsproduktivität kräftig aufzuholen. Irgendwie will die politische Elite Ungarns aber nichts von einem starken Forint wissen. Ab 2001 bewegte sich der Forint ziemlich frei in einer Bandbreite von 30 Prozent; die Medgyessy-Regierung wertete diesen bald darauf ab – das neue Zentrum wurde bei 282 HUF/EUR festgelegt. Paradoxerweise trauten selbst die Spekulanten den Sozialisten eine derartige Misswirtschaft nicht zu: Wegen des bevorstehenden EU-Beitritts trieben sie den Forint auf ein Rekordhoch von 240 zum Euro.
Als das Fiasko offenbar wurde und der Euro in weite Ferne rückte, behalf sich die MNB mit massiven Zinserhöhungen, um das heiße Geld bei der Stange zu halten. Da Ungarns Wirtschaft ab 2004 zunehmend in Gemeinschaftsstrukturen integriert war, weiter viel Kapital und nunmehr auch immense Fördermittel flossen, konnte selbst ein vier Jahre untätiger Ferenc Gyurcsány den Forint nicht wirklich erschüttern, der noch am Vorabend der Weltwirtschaftskrise von 2008 mit durchschnittlichen 251 HUF/EUR beinahe so stark wie 2005 notierte. Der von IWF und EU geworfene Rettungsanker ließ viele Illusionen sterben: 2009 ergab sich ein mittlerer Wechselkurs von 281 Forint zum Euro. Der ein Jahr später antretenden zweiten Orbán-Regierung war der endlich geschwächte Forint willkommen. In diesem Jahr wird seine Mannschaft den Mittelkurs von 300 HUF/EUR wohl mühelos überbieten. Bei einem Forint jenseits von 320 wird allerdings keine MNB-Intervention mehr Halt gebieten können. Zumal ausländische Anleger, die noch immer rekordnahe 5.000 Mrd. Forint an Staatsanleihen halten, in Ungarn heute nur noch 100 Basispunkte mehr Ertrag mitnehmen, als anderswo in der Region.
Rainer Ackermann