Die ungarische Tochter des deutschen Chemieriesen kann auf ein erfolgreiches Jahr mit einem dynamischen Wachstum zurückblicken. Im Gespräch mit Geschäftsführer Herbert Fisch, der zugleich für die Region Südosteuropa verantwortlich ist, gehen wir den Ursachen dafür auf den Grund.
Laut Angaben des Zentralamtes für Statistik (KSH) wacht die ungarische Bauwirtschaft so langsam wieder aus ihrem seit 2009 anhaltenden Dornröschenschlaf auf. Spürt Ihre Firma, als wichtiger Lieferant für Bauzusatzstoffe schon etwas davon?
Teilweise. In der Regel spüren wir Veränderungen bei dieser Branche aber erst mit einer gewissen Verzögerung. Dass es aber in die positive Richtung gehen wird, konnten wir bereits Ende 2013 spüren. Dafür spricht übrigens auch die Tatsache, dass es in der Stadt wieder deutlich mehr Baustellen gibt als noch vor einem Jahr.
Dämmstoffe machen einen großen Teil Ihres Absatzes in diesem Bereich aus. Können Sie sich da über die von der Regierung verfügten Senkungen der Energiekosten für Haushalte freuen?
In der Tat, mit einer Verbilligung der Energie setzt man nicht gerade Anreize, in die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden zu investieren. Trotzdem schätze ich diesen Effekt nicht als gravierend ein. Der entstehende zusätzliche finanzielle Spielraum könnte sich vielleicht sogar eher positiv auf die Investitionsbereitschaft auswirken. Und überhaupt: für das größte Problem bei der energieeffizienten Sanierung von Altbauten halte ich nach wie vor insbesondere die zersplitterten Eigentumsverhältnisse, die teilweise trotz vorhandener finanzieller Mittel Investitionen verhindern.
Hier könnte vielleicht das staatliche Programm zur Sanierung der Plattenbauten, dessen Neuauflage kürzlich bekanntgegeben wurde, Abhilfe schaffen.
Wir bewerten es als eindeutig positiv, dass es dieses Programm wieder geben soll und es auch leichter zugänglich sein soll. Das Programm wird auf jeden Fall spürbare Impulse geben. Wir gehen von positiven Effekten auf unsere Absätze, besonders von Dämmstoffen aus.
Auch die letztjährige Leistung der ungarischen Landwirtschaft dürfte Ihnen Freude bereitet haben.
Ja, der Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe geht es gut. Obwohl sie bereits auf einem hohen Niveau waren, konnten Sie 2013 noch einmal gute Steigerungsraten vorlegen. Das spüren natürlich auch wir. Unser Geschäft läuft hier hervorragend, auch die Zahlungsmoral hat sich deutlich verbessert. Dazu gehört aber auch, dass unser Forderungsmanagement konsequenter und besser geworden ist. Vor 2009 hatten wir hier etliche teils hausgemachte Probleme, insbesondere durch unsere Vertragsgestaltung. Generell haben wir unsere Strategie beim Kreditmanagement komplett geändert.
Inwiefern?
Früher hatten wir alles über Kreditversicherer abgewickelt, heute haben wir eigene Fachleute, die unter anderem die Zahlungsfähigkeit unserer Kunden unter die Lupe nehmen, was insbesondere bei Neukunden sehr wichtig ist. Zur Not sind wir bei Problemen sehr nah am Kunden. Wir haben auch die Anbindung zwischen Vertrieb und Finanzabteilung gestärkt, die Kreditmanager gehen mittlerweile mit zum Kunden, da es wichtig ist, zu sehen, wie dieser aufgestellt ist. Auf diese Weise konnten wir die Zahlungseingänge deutlich beschleunigen und den Anteil von Zahlungsausfällen verringern. Ungarn ist inzwischen im Agrarbereich in Sachen Zahlungsdisziplin sehr weit gekommen und belegt in meiner Region einen Spitzenplatz.
Was hat Sie dazu bewogen, das Forderungsmanagement in die eigene Hand zu nehmen?
Zunächst einmal ist es günstiger als diese Dienstleistung von einem externen Anbieter erbringen zu lassen. Dazu kommt, dass wir um das Jahr 2009 große Probleme mit unseren Kreditversicherern hatten. Im Endeffekt entschied sich BASF global dafür, das Kreditmanagement mehr in das Unternehmen hinein zu verlagern. Im Nachhinein kann ich sagen: diese Entscheidung war goldrichtig, allein bei uns in Ungarn hat sich dieser Schritt sehr bezahlt gemacht. Durch entsprechend vorhandene Expertise konnten wir auch risikobereiter werden, also Geschäfte tätigen, von denen uns früher abgeraten worden wäre. Normalerweise ist der Dezember der kritische Monat, in dem wir wegen unserem Geld angespannt sind, weil die Zahlungsziele erst nach der Ernte liegen. Diesen Dezember mussten wir uns aber keine großen Sorgen machen.
Mit welchen Zuwachsraten rechnen Sie in Ihrer Region?
Das BASF-Gesamtgeschäft in der ganzen Region wird 2013 voraussichtlich zweistellig gewachsen sein. Unsere Stärke ist der Bereich Kunststoffe – davon das meiste für Automotive –, der einen Großteil unseres Geschäfts ausmacht, dementsprechend sind auch die Zuwächse verteilt. Agrar und Kunststoffe machen zusammen etwa 60 Prozent unseres Umsatzes aus. Daneben liefern wir in der Region Waschmittelzusätze und produzieren Autolacke und -beschichtungen, auch in diesem Bereich sind wir ordentlich gewachsen. Außerdem liefern wir Grundchemikalien an die Pharmaindustrie, der es in Ungarn ebenso gut geht. Wir sind schließlich auch noch im Bereich Tierernährung stark.
Womit erklären Sie neben einer gut laufenden Landwirtschaft und einer anspringenden Baukonjunktur ihr zweistelliges Ergebnis in Ungarn noch?
In unseren Auftragsbüchern spiegeln sich ganz klar die dynamischen Produktionszuwächse wieder, die deutlich die Nachfrage von Seiten solcher Kunden belebt hat, die bei diesen als Zulieferer tätig sind.
Obwohl BASF in Ungarn – abgesehen von kleineren Aktivitäten im Agrarbereich – keine Entwicklungskapazitäten aufgebaut hat, kooperiert Ihre Firma dennoch eng mit ungarischen Universitäten.
Unsere diesbezüglichen Aktivitäten sind darauf gerichtet, für unsere Konzernzentrale in Deutschland die Fühler auszustrecken. Von ihr ausgehend gibt es durchaus einige BASF-Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Ungarn. Teilweise werden an den Universitäten Dinge ausprobiert, die dann später in unserer Zentrale weiterentwickelt werden. Daneben gibt es auch Anfragen von Start-ups, die für uns interessant sind, etwa im Bereich Batterieherstellung, wo wir wiederum unseren Kunden, die zum Beispiel Elektromotoren bauen, irgendwann neue Lösungen und neue Materialien liefern müssen. Unsere Einheit New Business Development schaut sich ständig nach interessanten Neuigkeiten in der Forschungslandschaft um. Bei bestimmten Grundlagenforschungen kann es von Vorteil sein, diese erst in einem universitären Labor, das zum Teil mehr Freiheiten hat als unsere eigenen, untersuchen zu lassen, bevor die entsprechenden Aktivitäten in Ludwigshafen begonnen werden. Prinzipiell ist der südosteuropäische Markt aber zu klein, um hier eine eigene große Chemie-Anlage verbunden mit den entsprechenden Forschungs- und Entwicklungskapazitäten aufzubauen. Aber ganz ausgeschlossen ist natürlich nichts. Deshalb haben wir für unsere Zentrale in unserer Region ständig Augen und Ohren offen und sind etwa auch mit dem Investitionsförderer HITA und einigen weiteren dafür zuständigen ungarischen Behörden auf Tuchfühlung.
Sie kümmern sich nicht nur um den „größeren“ Forschernachwuchs, seit fast drei Jahren betreibt BASF Hungaria das „Kids‘ Lab“. Was sind die Motive dafür?
Wir haben uns auf Konzernebene dazu verpflichtet, das allgemeine Interesse an Chemie und Naturwissenschaften in den Schulen zu erhöhen. Daneben wollen wir auch den Ruf der Chemie-Branche verbessern und Kinder zu einem späteren naturwissenschaftlichen Studium animieren. Mit unseren Aktivitäten vor Ort liegen wir also ganz auf Konzernlinie. Wir freuen uns sehr, dass das Kids‘ Lab auch in Ungarn so erfolgreich gestartet ist.
Wie lässt sich dieser Erfolg messen?
Etwa anhand der Teilnehmerzahlen und der Geschwindigkeit, wie schnell unsere Angebote ausgebucht sind. Wir haben seit dem Start in Ungarn etwa 5.000 Kinder erreicht, in der ganzen Region waren es 2012 fast 15.000. Das sind normalerweise Schulklassen direkt in Schulen, wir fahren aber auch zu Fachmessen. Es liegen stets sehr viele Anfragen vor, in der Regel ist das Kids‘ Lab nach zwei Tagen ausgebucht. 2013 haben wir an acht Universitäten zudem eine Chemgeneration Roadshow für Teens eröffnet. Bei diesem Angebot sind die Experimente, die zum Teil von Hochschul-Mitarbeitern ausgearbeitet wurden, anspruchsvoller und zielen auf die Altersgruppe ab 15 Jahren. Unser Schwerpunkt bleibt aber das Kids‘ Lab. Daneben haben wir in der Gesamtregion auch den Chain Reaction -„Kettenreaktion“-Wettbewerb gestartet, wo wir Gruppen von Schulkinder aufrufen, eine Kettenreaktion darzustellen, ähnlich den Ruth Goldberg-Maschinen. Nur dass diese bei uns nicht rein mechanisch sind, sondern natürlich auch chemische Komponenten haben müssen.
Das alles sind Aktivitäten, die Sie Zeit und Geld kosten und bei denen Sie sich nicht um Ihre geschäftlichen Dinge kümmern können.
Bei CSR-Themen darf Geld nicht die Priorität haben, die drei erwähnten Projekte sind finanziell auch gar nicht so schwerwiegend. Wir wollen Ideen, Wissen und Einstellungen weitergeben, intern wie extern. Dafür bringen wir gerne die notwendige Zeit auf.
Gibt es auf diesem Gebiet eine Zusammenarbeit mit anderen vor Ort aktiven Chemie-Unternehmen?
In Ungarn arbeiten wir bei gemeinsamen Projekten in der Regel nicht mit Firmen, sondern mit wissenschaftlichen Instituten wie Unis oder dem MKE (Verband Ungarischer Chemiker) zusammen. 2011, im Jahr der Chemie, hatten wir aber gemeinsam mit Mol, Richter, TVK, Teva und Sanofi-Aventis die Chemgeneration-Webseite gestartet. Die anderen Firmen bevorzugen eher ihre eigenen Projekte, sind mit diesen in der Öffentlichkeit aber nicht so präsent wie wir. BASF hat schon in meiner Kindheit Schulen unterstützt. Uns ist wichtig, ein breites Bewusstsein für die positiven Seiten und Möglichkeiten der chemischen Industrie zu schaffen.
Wo sehen Sie mit Blick auf die Rahmenbedingungen Handlungsbedarf von Seiten der Regierung?
In Sachen Planungssicherheit gibt es sicher noch Verbesserungspotenzial, wobei sich hier schon einiges verbessert hat. Ansonsten sind die Rahmenbedingungen für das BASF-Geschäft in Ordnung. Mit Blick auf das aktuelle und das prognostizierte Wirtschaftswachstum Ungarns bin ich insgesamt positiver gestimmt als noch vor einem Jahr.
Wie steht Ungarn im Vergleich zu den anderen Ländern Ihrer Region da?
In den vergangenen Monaten hat sich Ungarns Position deutlich positiv verbessert, in Südosteuropa ist Ungarn in Sachen Wachstums- und Investitionsklima führend. Es kommen wieder mehr Investitionen nach Ungarn. Die Regierung darf aber nicht nachlassen in ihrem Bestreben, für ausländische Investoren attraktiv zu sein. Der Standortwettbewerb ist hart. Auch Serbien ist sehr gut aufgestellt. Auch dort investieren internationale Firmen in Produktionsstätten. Es ist wichtig, dass die Regierung so intensiv an dem Thema Auslandsinvestitionen dran bleibt, wie etwa in Sachen Bildung bei der dualen Ausbildung geschehen.
Zum Abschluss noch eine Budapest-Frage: Wenn Sie hochrangigen Besuch aus Deutschland haben, wohin führen Sie ihn zum Essen? Was zeigen Sie ihm?
Vor kurzem waren wir mit unseren Gästen zum Essen wieder einmal im Burgviertel in einem guten Restaurant. Die Restaurants auf der Burg sind für ausländische Gäste ideal, kann man dort doch einen Besuch gleich mit einem kleinen Spaziergang in Burgviertel verbinden. Das kommt bei ausländischen Gästen immer gut an. Als Abendprogramm kann ich einen Besuch im Gozsdu-Udvar sowie in einer der zahlreichen Bars und Kneipen in dieser Gegend sehr empfehlen. Es gibt dort inzwischen viele niveauvolle Bars, die genauso gut in New York sein könnten.