
Schneider Simon Skottowe: „Die Anforderungen an einen Anzug verändern sich
mit dem Umfeld, in dem er getragen wird.“
In unmittelbarer Nähe zum Parlament, aber doch unauffällig in einer Seitenstraße versteckt befindet sich ein echtes Kleinod der handgefertigten Herrenmode. In der Zoltán utca, hinter einem großen Schaufenster werden Anzüge von Hand, aber vor allem nach Maß angefertigt, um jeden Mann „so gut aussehen zu lassen wie nur möglich“.
Inhaber ist Simon Skottowe, und er ist Herrenschneider aus Leidenschaft. Seit 15 Jahren lebt der geborene Brite in Budapest und zwölf davon ist er sein eigener Herr: „Ich kam für die Elit Kleiderfarbik hierher und sollte bei der Privatisierung durch ein britisches Unternehmen helfen.“ Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten nur drei Jahre später fiel ihm etwas auf, was ausschlaggebend war für seinen Verbleib in Budapest: „Vor mehr als zehn Jahren gab es hier einfach keinen Anbieter gehobener Herrenmode, kein Geschäft, in dem sich ein Mann sowohl für’s Wochenende, die Arbeit, aber auch für besondere Anlässe einkleiden konnte.“ Dem Schneider selbst war dies nie aufgefallen, bezog er seine Kleidung doch aus seiner alten Wahlheimat Milano. „Endlich verstand ich, warum sich meine Freunde immer über die schlechte Auswahl in Budapest beschwerten.“ Und so begann, was nunmehr seit einem Dutzend Jahren Anlaufstelle für klassische Herrenmode ist.
Doch selbst ein Kosmopolit und fachlich von großen Meistern geschulter Schneider fängt ein Unternehmen klein an. So waren es im Falle von Skottowe er und seine Nähmaschine. Doch schnell sprach sich herum, dass es in Budapest nun auch einen Bespoke-Schneider gibt. Mittlerweile ist aus der One-man-Show ein Unternehmen mit drei festen Angestellten und mehreren Aushilfen geworden. Im Showroom – in dem auch die Anproben stattfinden – wird auch genäht, sodass alle Werksschritte von Skottowe selbst überwacht werden können. Dabei setzt er stets auf Klasse statt Masse. „Zuerst einmal, gilt es abzuklären, wie sich der Kunde präsentieren möchte.“ Am besten eigne sich dafür ein Gespräch im Laden. Simon ist es wichtig, möglichst viel über den Berufsalltag des Kunden zu erfahren, denn je nach Umfeld würden sich auch die Anforderungen an den Anzug ändern: „Bankmanager oder Anwälte sind in dunklen, konservativen Stoffen meist bestens angezogen, da sie ein seriöses Image vertreten. Jemand, der in der Medienbranche oder in der IT arbeitet, möchte zwar auch seriös wirken, das aber mit ein wenig Kreativität würzen.“ Je nach Wunsch kann alles am neuen Gewand selbst entschieden werden: Vom Schnitt über den Stoff bis hin zu Kragenform und Aufschlägen. Hier macht sich Simons fundierte Ausbildung und auch sein Gespür für Eleganz bezahlt, denn neben dem beruflichen Umfeld sei es auch der Kunde selbst, der den Anzug festlege. Dem Schneider ist es wichtig, bei der Farbauswahl harmonisch zu arbeiten, was heißt, dass der Stoff sowohl zu Haar- und Augenfarbe des Kunden passen muss als auch zu seinem Körperbau. Mit Streifen und karierten Mustern beispielsweise sei gelegentlich zu Vorsicht geraten.
Mehr klassisch, denn modern
Kaum verwunderlich dürfte sein, dass der Brite mehr der klassischen Eleganz denn den modischen Trends zugetan ist. Dies hat neben seinen persönlichen Präferenzen vor allem einen handfesten Grund: „Unsere Anzüge sind preisintensiv, aber eben auch eine langfristige Investition. Deswegen versuche ich meine Kunden von allzu modischen Anzügen abzuraten.“
Doch wer sich einmal für Simon Skottowe entschieden hat, wird selbst die relativ lange Wartezeit von bis zu zweieinhalb Monaten gern in Kauf nehmen. Denn hier wird wirklich alles von Hand gemacht. Dabei ist das Schnittmuster immer die Grundlage und wird, einmal angefertigt, für drei Jahre aufbewahrt. Das hat mehrere Vorteile, denn zum einen muss nicht jedes Mal ein neues Schnittmuster gefertigt werden, zum anderen verkürzt sich so die Fertigungszeit auf sechs Wochen. Doch selbst mit einem vorhandenen Muster benötigt Simon noch ein Fitting, um den Anzug wirklich perfekt zu gestalten – und mit weniger gibt er sich nicht zufrieden. Wohl auch deswegen sind es vor allem erfolgreiche Geschäftsmänner, die seine Dienste nutzen. Simon glaubt, ein Teil seines Erfolgs liege darin begründet, dass ein wirklich perfekt sitzender Anzug immer noch einen Schub Selbstvertrauen gibt, „und gerade im Geschäftsleben kann es ein psychologischer Unterschied sein, zu wissen, man ist der am besten angezogene Herr im Raum“.
Simon Skottowe
VI. Zoltán utca 10
www.simonskottowe.com
Unterschied „Bespoke“ und „Made-to-measure“
Im Gegensatz zum Made-to-measure-Verfahren (MTM) gibt es beim Bespoke keine Schablone, die entsprechend geändert wird. Im Forbes Magazin wird die Bedeutung dessen wie folgt beschrieben: „Ein neues Schnittmuster wird (beim Bespoke-Anm.) angefertigt, damit jede noch so kleine Nuance des Trägers durch den Schneider erfasst werden kann.“ Dies ist wohl die markanteste Differenz. Denn auch bei MTM-Anzügen kann heute ein hohes Maß an Individualität und persönlicher Präferenz erreicht werden. Bei einem MTM-Anzug ist die Fertigung oft ausgelagert, wohingegen beim Bespoke-Verfahren alles direkt vor Ort geschieht. Was bedeutet, dass derjenige, mit dem der Anzug besprochen wird, auch den Arbeitsprozess sieht und entsprechend auf die Umsetzung der Kundenwünsche direkt Einfluss nehmen kann. Ein MTM-Anzug ist eine gute Alternative für Herren, denen Anzüge von der Stange (off-the-rack/ OTR) nicht passgenau genug sind, doch der exklusive Unterschied zu Bespoke-geschneiderter Kleidung wird sich beim Tragen bemerkbar machen.