Anlässlich des Gedenktages der Vertreibung und Verschleppung der Ungarndeutschen am 19. Januar lud die Konrad-Adenauer-Stiftung Budapest in Zusammenarbeit mit der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen am vergangenen Sonntag zu einem Symposium in Budaörs. Zu erinnern, Lehren aus der Geschichte zu ziehen und gleichzeitig in die Zukunft zu blicken – das war das Anliegen der Veranstaltung mit dem Titel „Ungarndeutsche als Brückenbauer in Mitteleuropa“. Unter den Vortragenden war auch der Ministerpräsident a.D. und ehemaliger Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Christoph Bergner.
Die Vortragsreihe fand mit Budaörs an einem historischen Ort statt, nämlich in jener Kleinstadt südwestlich von Budapest, von der aus am 19. Januar 1946 im Rahmen der beschlossenen Aussiedlung die ersten Abtransporte Ungarndeutscher das Land in Richtung amerikanischer Zone verließen. Etwa 200.000 Angehörige der deutschsprachigen Minderheit wurden zwischen 1946 und 1948 unter chaotischen Verhältnissen enteignet und zwangsausgesiedelt, zurück blieben laut Zensus von 1949 etwa 25.000, meist unter erschwerten Bedingungen und unter Aufgabe ihrer kulturellen Identität. Das Urteil des kollektiven Schuldspruches traf Sympathisanten von Hitler-Deutschland, antifaschistische Untergrundkämpfer und Unpolitische gleichermaßen.
Die Geschichte der Vertreibung der sogenannten Donauschwaben ist eines von zahllosen tragischen Kapiteln des Weltenbrandes Zweiter Weltkrieg. Bis zum heutigen Tage bleibt sie ein hochsensibles Thema, da unzählige Schicksale darin verstrickt waren oder es gar bis heute noch sind, zahlreiche Biografien entscheidend geprägt und aus der Bahn geworfen wurden. Gleichzeitig erinnert uns die Episode der Vertreibung an eine Reihe hochaktueller Fragen nach dem verantwortungsvollen Umgang mit der Vergangenheit ebenso wie nach dem Wert kultureller Eigenständigkeit im Kontext der europäischen Gemeinschaft.
Aufgrund der unterschiedlichen Kriegserfahrungen folgte die Vertreibung der Deutschen in Ungarn einer anderen Logik als in der ehemaligen Tschechoslowakei oder Polen. Den Anstoß und die Legitimation zu den Ausweisungen gaben erst das Potsdamer Abkommen 1945 und nicht zuletzt der Druck der Sowjetunion. Einen politischen Konsens vergleichbar mit dem tschechoslowakischen hatte es in Ungarn nie gegeben. Einerseits hatten die Magyarisierungsbestrebungen des Horthy-Regimes sowie die relative wirtschaftliche Schlechterstellung der Magyaren Anfang der 1920-er Jahre die Entwicklung gewisser Ressentiments gegen andere Volks- und Religionsgruppen seit Anfang des 20. Jahrhunderts befördert. Nichts desto trotz kam es nach Kriegsende auch immer wieder zu Demonstrationen gegen die kollektive Ausweisung der Deutschen. Denn wie Christoph Bergner, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt von 1993 bis 1994, in seinem Referat am Sonntag anmerkte, waren die Ungarndeutschen „Gerufene, keine Eroberer. Sie waren friedliche Siedler.“ So ist es also unerlässlich, die Ereignisse von damals im zeitgeschichtlichen und europäischen Kontext zu betrachten.
Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen als Vorbild
Gleichzeitig, so mahnte Bergner, sei es aber auch entscheidend, dabei ein Gleichgewicht zu finden, das das Leid unschuldiger Opfer nicht mindert oder ignoriert. In seinem Vortrag betonte er weiterhin, dem Leid der Opfer sei am besten Respekt zu zollen, indem man aus den schrecklichen Ereignissen eine Verpflichtung für die Zukunft ableitet: „Der 19. Januar soll zum Anlass genommen werden, ein ‚Nie wieder‘ zu organisieren“, formulierte Bergner, der noch bis vor wenigen Wochen als Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten im Bundesinnenministerium tätig gewesen war. Nach seiner Ansicht hätten die Ungarndeutschen heute das Potential, zu Vermittlern zu werden und interkulturelle Brücken zu bauen zwischen Deutschland und Ungarn. Zu diesem Zweck sei es aber auch wichtig, sie als eigenständige Bereicherung der deutschsprachigen Kulturlandschaft zu betrachten. Er lobte in diesem Kontext den Umgang der aktuellen ungarischen Regierung mit der deutschen Minderheitenfrage. Seit 1994 können sich die selbstidentifizierten Ungarndeutschen in der einzigartigen Landesselbstverwaltung organisieren, die als politisches und kulturelles Repräsentationsorgan der Ungarndeutschen dient und dessen Vorsitzender im vierten Zyklus, Otto Heinek, ebenfalls am Symposium teilnahm.
Den politischen Einsatz für eine verstärkte Position der deutschen Minderheit hatte auch der ungarische Staatssekretär für Kirchen-, Minderheiten und Zivilgesellschaftsfragen im Ministerium für Humanressourcen, György Hölvényi, betont, der in seiner Rede die historische Verbindung der Ungarndeutschen mit Ungarn herausstellte und Minderheiten als Chance deklarierte. „Es muss nicht nur eine rechtliche Grundlage geben“, führte er weiterhin aus, „es muss auch eine Atmosphäre der Toleranz und der Möglichkeit der Entfaltung der eigenen Herkunft geben.“
In seinem Schlusswort zu dieser Gedenkveranstaltung gab Otto Heinek seiner Hoffnung Ausdruck, dass in Zukunft kulturelle Eigenständigkeit nicht als Abgrenzung, kulturelle Vielfalt hingegen als Bereicherung betrachtet würden. Es müsse eine würdige Lehre aus den dramatischen Ereignissen der Nachkriegsjahre gezogen werden.