Am Wochenende entschied sich das Amt des Ministerpräsidenten für einen Entwurf des Denkmals für die Okkupation Ungarns 1944 durch Nazi-Deutschland und leitete diesen an den V. Bezirk, der die Errichtung auf seinem Gebiet abnicken soll. Dieser schloss sich der Entscheidung auf einer außerordentlichen Sitzung am Mittwoch unter Protesten den Opposition, aber letztlich erwartungsgemäß an – auf dem Szabadság tér sollen ein Adler und ein Erzengel an die Ereignisse erinnern.
Mit der Einstufung als „Angelegenheit von besonderem nationalen Interesse“ hatte die Regierung noch Ende Dezember eilig die Errichtung eines Denkmals beschlossen, das an die Opfer und Täter gleichermaßen erinnern und im Holocaust-Gedenkjahr anlässlich des 70. Jahrestags der deutschen Okkupation am 19. März eingeweiht werden
soll. Die Ausschreibung zur Gestaltung des Monuments, das gegenüber dem Denkmal für die sowjetischen Befreier stehen soll, endete vorletzten Freitag, bereits am darauffolgenden Wochenende entschied sich das für das Projekt verantwortliche Amt des Ministerpräsidenten für den Entwurf des Architekten Péter Párkányi.
Entschluss im Schnellverfahren
Dieser sieht eine Komposition aus dem deutschen Reichsadler und einer Statue des Erzengels Gabriel als Hauptelemente vor einem Tor-ähnlichen Konstrukt vor, ergänzt durch eine Reihe von Säulen. Sieben Meter hoch soll das Tor werden, das Denkmal aus Bronze, Stein und Chromstahl bestehen, berichtete index.hu am Sonntag unter Berufung auf die Projektdokumentation, die das Ministerpräsidialamt unter der Leitung von Staatssekretär János Lázár an die Verwaltung des V. Bezirks delegierte, um so bald wie möglich eine Zustimmung zu dem Projekt zu bekommen. Denn bis zum 15. März sollen alle Arbeiten beendet werden, damit am 19. März die offizielle Einweihung
stattfinden kann, so Index. Die Dokumentation wurde zusammen mit der Einladung zur Beschlusssitzung vom Bürgermeister des V. Bezirks, Antal Rógán, der zudem Fidesz-Fraktionschef ist, versendet. Ein MSZP-Abgeordneter der dortigen Verwaltung, Tibor Pásztor, veröffentlichte diese Sonntagabend auf seinem Blog.
„Aggressive Besatzer“ und „aufopfernde Ungarn“
Die der Budapester Zeitung vorliegenden Dokumente erklären die Symbolik des Mahnmals so: Es gelte, die Dramatik des Ereignisses nicht mit menschlichen Zeitzeugen, sondern mit kulturhistorischen Figuren allegorisch, frei von „Blutlachen, Waffen und Toten“ darzustellen. Der 800 Kilogramm schwere, schwarze Reichsadler stelle das NS-Regime dar, das sich als „aggressive“ Besatzungsmacht auf das okkupierte Volk der Ungarn herablasse beziehungsweise über dieses stelle. Der eine Tonne schwere Gabriel verkörpere wiederum Ungarn, wie er es auch als luftiger Mittelpunkt des Heldenplatzes tue, heißt es in der Beschreibung des Künstlers. „In meiner Komposition ist Gabriel im Gegensatz dazu auf die Erde herabgelangt, mit den Beinen auf dem Boden, um ihn herum Ruinen. Wie ein historischer Befund der vergangenen großen Epoche [Ungarns] und all seiner kulturellen Schönheit, Einzigartigkeit und Unübertrefflichkeit“, formuliert Párkányi. Für den mit geschlossenen Augen und abgerissenem Flügel dargestellten, womöglich träumenden Gabriel wird aus einem „Traum ein Alptraum“, seine Körperhaltung sei die eines Besiegten (geplant ist auch ein aus seiner Hand gefallener Reichsapfel), der aufgebe, sich gar aufopfere, aber vielleicht auch einen Neuanfang wage. Auf ihn setzte sich die größere Nation, der Reichsadler, als Gabriels komplettes Gegenteil, fege „gleichsam den deutschen Kampffliegern gleich über die Welt hinweg“ und kneble Ungarn.
In einer Einschätzung der Budapest Galeria, die als Gutachter zwei Bildhauer einsetzte, heißt es, dass das Denkmal „den Verlust von Ungarns Würde und Unabhängigkeit“ ausdrücken solle, dass Gabriel in Párkányis Entwurf „schutzlos“ sei, sich aber auch nicht verteidige. In Ungarn seien damals ein bis zwei Millionen Menschen „von Haus aus von der deutschen Kultur geprägt“ gewesen, der „große, aggressive Nachbar“ habe Ungarn von einem einheitlichen Europa unter deutscher Führung überzeugen wollen, letztlich aber „zusammen mit seinen Pfeilkreuzler-Söhnen die Nation getötet“. Da das Denkmal all dies „beispiellos verkörpere“, sei die Verwirklichung zu empfehlen.
Kritik für Verdrehung der historischen Tatsachen
Da sogar in der offiziellen Dokumentation von einer „gewalttätigen“, „aggressiven“ Okkupation Ungarns durch Nazi-Deutschland die Rede ist, steht das gesamte Projekt in der Kritik. So zitierte das Meinungsportal Vs.hu den Historiker Ignác Romsics, der in seinem Werk „Magyarország története a XX. században“ („Ungarns Geschichte im XX. Jahrhundert“) beschrieb, wie durch den Druck von Hitler unter Reichsverweser Horthy ein deutschlandfreundliches Regime eingesetzt wurde, das seine Armee anhielt, die NS als „Freunde“ zu empfangen. Hiernach habe man mit der Deportation der ungarischen Juden begonnen: „Gegen die Aktion entfaltete sich weder unter den Betroffenen, noch ihrer Umgebung, den christlichen Ungarn, breiter Widerstand. […] Es gab auch keinen geheimen Widerstand wie in Westeuropa oder Partisanenaktionen wie in Polen oder Jugoslawien.“ Das sei vor allem damit zu erklären, dass weite Teile der ungarischen Gesellschaft den Deutschen und Hitler für die Beihilfe in Sachen Trianon dankbar waren.
Die MSZP, die der Regierung „Geschichtsverfälschung“ vorwirft, „Gemeinsam-Dialog für Ungarn” und der Verband Jüdischer Gemeinden in Ungarn (MAZSIHISZ), der zur Konsultation mit Deutschland mahnte, kritisierten den Entwurf. Der Raoul Wallenberg-Verband hatte sich bereits Samstag in einem Brief an Rogán gewandt, man hoffe, dass bei dem Mahnmal auch auf „die Verantwortung des kollaborierenden ungarischen Staates“ hingewiesen werde. An sich sei es sinnvoller, statt mit einem Denkmal eher mit „Aufklärung, Erzählungen von Überlebenden und durch die objektive Vermittlung historischer Tatsachen“ zu gedenken. Mit ebensolchen kritisierte der Historiker Krisztián Ungváry bereits vor zwei Wochen in einem Kommentar auf komment.hu, dass grundsätzlich mit einem solchen Denkmal suggeriert werde, dass Ungarn im März 1944 „seine Unabhängigkeit verlor“, das Besatzungsmonument diene als „Memento des nationalen Selbstfreispruchs“ – was perfekt in die politische Strategie der Regierung im Holocaust-Gedenkjahr 2014 passe.
Update:
Aus einer Pressemitteilung vom Regierungsinformationszentrum (KIK) von vergangenem Dienstag geht hervor, dass für den geplanten Denkmalsentwurf insgesamt 269 Mio. Forint veranschlagt werden. Die entsprechende Rechtsregelung wurde am 31. Dezember verabschiedet, noch am selben Tag schloss das Amt des Ministerpräsidenten einen Vertrag zur Werkbeschreibung, Konzeptionierung und zur Anfertigung erster Planungskizzen des Monuments bis zum 3. Januar. Nach dem Einreichen seines Vorschlags wurde der Architekt Péter Párkányi per Eilbeschluss um ein konkretes Angebot gebeten. Der letzliche Vetrag zum errichten des Mahnmals wurde im Rahmen eines öffentlichen Vergabeprozesses ohne weitere Besprechungen oder öffentlicher Ausschreibung geschlossen.
„An sich sei es sinnvoller, statt mit einem Denkmal eher mit „Aufklärung, Erzählungen von Überlebenden und durch die objektive Vermittlung historischer Tatsachen“ zu gedenken. Mit ebensolchen kritisierte der Historiker Krisztián Ungváry bereits vor zwei Wochen in einem Kommentar auf komment.hu“
Nicht Denkmäler mit verschlüsselter Botschaft, also Symbolik, bewahren vor Unheil. Der Versuch, historische Tatsachen zB. in Form eines Filmes zu vermitteln, wäre vielversprechender – jedoch nur dann, wenn ungarische Parteipolitik keinen bzw. möglichst geringen Einfluss hätte. Die gilt allerdings genauso für die „Sozialisten“ in Ungarn, denen ich vieleLügen zutraue. Da in Ungarns öffentlichem Leben die parteipolitische Verkrampfung besonders spürbar ist, kann man die Hofnung fürs erste begraben.
Wenn Themen, wie der deutsche Einmarsch 1944 und die teils widersprüchliche Rolle Horthys bei der Ermordung bzw. beim Schutz jüdischer Ungarn derart komlex sind, dass sich sowohl Positives wie Negatives über Horthy sagen lässt, dann kann kein Denkmal sprechen. So entsteht zwangsläufig eine kitschige Gedenkarchitektur. Den Fidesz-Leuten fehlt in diesem Fall künstlerische wie gesellschaftliche Intelligenz.
Und wie soll man unterscheiden das es der Nazi Adler ist und nicht der Deutsche Adler?
Hier wird unverhohlen Versucht auf kosten Deutschlands Ungarns Weste weißzuwaschen… da kann sich der Architekt in seinen Erklärungen noch so sehr bemühen, was zählt ist das Auge des Betrachters. Und das wird Deutschland im Adler erkennen. Das Erzengel Gabriel für Ungarn herhalten muss ist auch schwer Diskussionswürdig.
Was den Kitschgehalt angeht kann ich mich meinem Vorposter nur anschließen. Was Denkmäler betrifft geht es Künstlerisch im Osten (Polen) wie auch im Südosten (Mazedonien) steil bergab. Aber Ungarn schießt den Vogel (Adler) ab.