
Kann sich derzeitigen Hochrechnungen nach über eine dritte Amtszeit als Ministerpräsident freuen: Premier und Fidesz-Vorsitzender Viktor Orbán.
2014 wird es in Ungarn politisch heiß hergehen. Stehen dieses Jahr doch gleich drei Urnengänge an: Parlaments-, Europa- und Kommunalwahlen. Wer in Ungarn einen Wahlkampf bereits miterlebt hat, weiß: In der hiesigen politischen Arena wird ein Kampf auf Gedeih und Verderb geführt. Der Grund: Die Linke und Rechte sind unversöhnlich miteinander verfeindet. Die Abgrenzung zwischen den beiden großen politischen Lagern ist mithin hermetisch. Was auch auf das gesellschaftliche Miteinander der Magyaren einen Schatten wirft. So gibt es in Ungarn praktisch zwei Öffentlichkeiten und also auch zwei Lebenswirklichkeiten.
Während der eine Teil des Landes ausschließlich jene Medien konsumiert, die der amtierenden nationalkonservativen Regierung von Viktor Orbán gewogen sind, lässt sich der andere Teil alleinig von den linken Medien berieseln – die sogenannten Intellektuellen und Meinungsbildner beider Lager sind von dieser selbst auferlegten Gleichschaltung nicht ausgenommen. Das Ergebnis: Anstatt den Dialog miteinander zu suchen, reden die Menschen – zumeist in diffamierendem, gehässigem Ton – aneinander vorbei. Kommt es dennoch dazu, dass zwei Personen, die politisch unterschiedlicher Gesinnung sind, die Klingen kreuzen, führt das nicht selten zu einem zwischenmenschlichen Bruch – selbst zwischen langjährigen Freunden, ja Verwandten. Soweit also die dichotome politische Realität in Ungarn.
Unentschiedene und passive Wähler im Fadenkreuz der Parteien
Woran sich die Parteien in den Monaten bis zur Parlamentswahl, die voraussichtlich am 6. April stattfindet, abarbeiten werden, ist einerseits das Buhlen um diejenigen Wähler, die noch nicht wissen, wem sie ihre Stimme geben werden, andererseits die Mobilisierung jener eigenen Sympathisanten, die noch nicht entschieden haben, ob sie an der Wahl überhaupt teilnehmen. Freilich: Nebst des Wählerfangs werden die Parteien wohl auch in die Vollen gehen, einander nach Strich und Faden zu diskreditieren.
Während die Regierungspartei Fidesz die Linke als eine korrupte, unfähige Bande darstellen wird, die das Land im Zeitraum 2002 bis 2010 an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds manövriert hat, wird das vielstimmige linke Lager Orbán und seine Regierung als antidemokratisch und diktatorisch geißeln. Es dürften aber wohl auch die unterschiedlichen Realitätswahrnehmungen scharf zum Vorschein kommen, insbesondere, was den Zustand der ungarischen Wirtschaft betrifft. Während Orbán und der Fidesz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Oden an die erfolg- und segensreiche Wirtschaftspolitik der vergangenen vier Jahre singen werden – wobei die satte Senkung der Wohnnebenkosten („rezsicsökkentés”) einen zentralen Platz einnehmen wird –, wird die Linke was tun? Ja genau. Sie wird das diametrale Gegenteil behaupten. Das heißt, sie wird die Wähler davon zu überzeugen versuchen, dass die ungarische Wirtschaft aufs falsche Gleis geraten ist und es den Bürgern schlechter geht als unter ihnen – mit dramatischer Untermalung, versteht sich.
Viele Parteien werden den Einzug ins Parlament nicht schaffen
Was die Parteien anlangt, werden insgesamt wohl nur vier bis fünf Kräfte den Sprung ins Parlament schaffen, in dem ab der kommenden Legislaturperiode nur noch 200 Abgeordnete sitzen werden statt bisher 386. Mit dem sicheren Einzug ins Parlament können neben dem Fidesz die Sozialisten (MSZP) und die rechtsradikale Partei Jobbik rechnen. Hinter diesen drei politischen Kräften haben bisher noch die von Ex-Premier Gordon Bajnai (2009-2010) gelenkte Partei „Gemeinsam-Dialog für Ungarn” und die von Ex-Regierungschef Ferenc Gyurcsány (2004-2009) geführte Partei Demokratische Koalition (DK) realistische Chancen, die Fünfprozenthürde zu überspringen. Für die Ökopartei „Die Politik kann auch anders sein” (LMP) indes wird es aus heutiger Sicht wohl nicht reichen. Von den Ungarischen Liberalen unter Gábor Fodor, der Sozialen Union unter Ex-Parlamentspräsidentin Katalin Szili (2002-2010), der „Bewegung für ein modernes Ungarn” unter Ex-Finanzminister Lajos Bokros (1995-1996) und der sozialdemokratischen Partei 4K! unter András Istvánffy ganz zu schweigen.
Regierungspartei geht mit den besten Aussichten ins Wahlrennen
Den Wahlsieg werden sich der Fidesz sowie ein linkes Wahlbündnis aus MSZP, „Gemeinsam-Dialog für Ungarn” und DK ausmachen, wobei aufgrund der Meinungsumfragen davon auszugehen ist, dass die jetzige Regierungspartei eine deutliche Mehrheit oder gar wieder eine Zweidrittelmehrheit erlangen wird. Das Abschneiden der Wahlallianz aus MSZP, „Gemeinsam-Dialog für Ungarn” und DK ist insofern noch unwägbar, als es dieses Dreier-Bündnis noch gar nicht gibt (lediglich die MSZP und die Bajnai-Partei konnten sich auf eine lose Wahlkooperation einigen). Allerdings ließen zuletzt sowohl Gordon Bajnai als auch MSZP-Chef Attila Mesterházy durchblicken, dass ihre Parteien doch noch eine Wahlkooperation mit der Gyurcsány-Partei eingehen könnten – bislang haben sich beide Kräfte dagegen gesperrt. Gyurcsány seinerseits redet schon seit Langem einer breiten linken Wahlallianz das Wort. Doch selbst wenn ein solches Wahlbündnis zustandekommen sollte, wird es die Linke denkbar schwer haben, Orbán und den Fidesz zu bezwingen.
Die LMP wiederum, die 2010 noch mit dem erfrischenden, namensgebenden Slogan „Die Politik kann auch anders sein” für Furore sorgte, gibt heute das Bild eines zerstrittenen Haufens ab, der sich in seinem Gerangel um Posten und Listenplätze längst nicht mehr von den „etablierten” politischen Kräften abzuheben vermag.
Rechtsradikale dürften den Einzug ins Parlament bequem schaffen
Schließlich ist da noch die radikale Partei Jobbik unter Gábor Vona. Doch scheint auch Jobbik in den vergangenen Jahren an Anziehungskraft eingebüßt zu haben. Dies dürfte einerseits damit zu tun haben, dass der Fidesz die Themen der radikalen Partei geschickt besetzen konnte, andererseits damit, dass der Radikalismus von Jobbik innerhalb der Mauern des Parlaments massiv an Schwung verloren hat. Wenngleich Jobbik das fulminante Wahlergebnis aus dem Jahr 2010 (16,7 Prozent) wohl nicht wiederholen dürfte, wird die Partei den Einzug ins Parlament dennoch bequem schaffen, vor allem dank ihrer jungen, höchst aktiven Wählerschaft.
Im April werden die siebten demokratischen Parlamentswahlen seit der Wende abgehalten. Bei den bisherigen Urnengängen siegte sowohl die Rechte (1990, 1998, 2010) als auch die Linke (1994, 2002, 2006) jeweils drei Mal. Als Besonderheit unter den ehemaligen Ostblockländern kann gelten, dass es in Ungarn seit der Wende bisher noch nie zu vorgezogenen Wahlen gekommen ist, also alle sechs Regierungen mit mehr oder weniger großen Umbildungen ihre vierjährige Legislaturperiode voll ausfüllen konnten.
„Während Orbán und der Fidesz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Oden an die erfolg- und segensreiche Wirtschaftspolitik der vergangenen vier Jahre singen werden – wobei die satte Senkung der Wohnnebenkosten („rezsicsökkentés”) einen zentralen Platz einnehmen wird –, wird die Linke was tun? Ja genau. Sie wird das diametrale Gegenteil behaupten. Das heißt, sie wird die Wähler davon zu überzeugen versuchen, dass die ungarische Wirtschaft aufs falsche Gleis geraten ist und es den Bürgern schlechter geht als unter ihnen – mit dramatischer Untermalung, versteht sich“
Ich habe die Jahre unter Gyurcsány erlebt. In der Tat gab es in manchen Bereichen der Gesellschaft bzw. Wirtschaft eine Art Betriebsamkeit. Viel glaubten an noch bessere Geschäfte, so im Immobiliensektor und dem Einzelhandel. Westliche Investoren entwarfen große Projekte und der Staat bzw. Gemeinden träumten von großen Investitionen. Man denke nur an die geplatzten Pläne zum neuen Regierungsviertel hinter dem nyugati-pályaudvár, den Umbau des Süd-Bahnhofs zum modernen Shoppingcenter. Schon vergessen? Oder das unsägliche Vorhaben von Herrn Blum am Velencei-tó und den Mist mit dem Motorrad-Ring südlich des Balatons, wo plötzlich
die Immobileinpreise schossen, nur weil die Genossen dort was vorhatten. Alles zum Schaden der Natur und zum Verdruss der Demokratie. Dass LPM hier die gesamte politische Kaste ablehnt, kann ich bestens nachvollziehen, denn auch Fidesz ist nicht frei von Schuld.
Die meisten dieser Vorhaben hatten kein Fundament. Die Sache mussten schiefgehen.
Was blieb, waren vor allem rote Zahlen, einzelne Bereicherte und eine schlechte politische Moral.
Der Witz an der Sache: In den westlichen Medien hatte man über diese „Erfolge“ der MSZP/SZDSZ Jahre so gut wie nix berichtet, Rotschlamm ergoss sich über die Medienlandschaften Westeuropas – in den Stuben der journalistischen Ahnungslosen und Besserwisser. Ist es noch immer so? MSZP wird es auch wieder schaffen, Ungarn
zu diskreditieren – im Westen. Nur gewinnt man so keine Menschen in Ungarn.