Nach der überraschenden vorzeitigen Haftentlassung von Russlands prominentesten Gefangenen, des Multimilliardärs und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des heute insolventen Energieunternehmens Yukos, Michail Chodorkowski, musste es mit dessen Ausreise aus Russland schnell und unbürokratisch zugehen. Dank der Unterstützung durch den deutschen Unternehmer Ulrich Bettermann, Inhaber der Bettermann-Gruppe, die mit der Obo Bettermann Kft. bereits seit gut zwei Jahrzehnten auch in Ungarn erfolgreich tätig ist, gelang das auch. Am Sonnabendvormittag erzählte der Unternehmer der Budapester Zeitung wie es zu seinem plötzlichen Beitrag an dieser vorweihnachtlichen humanitären Aktion gekommen war.
Es begann am Donnerstag gegen 17 Uhr mit einem Anruf seines langjährigen Freundes, des ehemaligen deutschen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher, der sich bereits seit Jahren für die Freilassung von Chodorkowski eingesetzt hatte. Genscher, der von den englischen Anwälten Chodorkowskis angesprochen worden war, fragte bei Ulrich Bettermann an, ob er anderntags einen Firmenjet der OBO-Fluggesellschaft nach Sankt Petersburg schicken könne. Auf den Einwand, dass so schnell kein Einreise-Visum für den Piloten beschafft werden könne, entgegnete Genscher, dass dies kein Problem darstellen werde.
„Am liebsten wäre ich selber nach Sankt Petersburg geflogen, um bei dieser humanitären Aktion zu helfen und Chodorkowski nach Deutschland zu holen, aber ich war am Donnerstagnachmittag schon auf dem Weg zur Weihnachtsfeier mit meinen Mitarbeitern in Ungarn“, so der leidenschaftliche Pilot Ulrich Bettermann. Von Arnsberg/Menden machte sich deshalb Flugkapitän Heiko Bauer mit einem anderen OBO-Jet auf den Weg nach Russland, um Chodorkowski von Sankt Petersburg nach Berlin-Schönefeld zu bringen. Am Freitag gegen 12 Uhr landete dessen Maschine in Sankt Petersburg.
Gegen 16 Uhr hob sie mit Chodorkowski an Bord, der um 9.20 Uhr ein Straflager nahe der finnischen Grenz verlassen hatte, wieder in Richtung Berlin ab. Dort wurde er von Genscher auf dem Flughafen empfangen und anschließend von ihm ins Hotel Adlon begleitet, wo Chodorkowski der am 25. Oktober 2003 in Novosibirsk bei einem Zwischenstopp mit seinem Privatjet verhaftet worden war, seine erste Nacht in Freiheit verbrachte. Der in einer privaten Maschine erfolgende Ausflug des ehemaligen Yukos-Gesellschafters war notwendig geworden, nachdem die russische Seite bei den Verhandlungen ausbedungen hatte, dass dessen Ausreise nach Deutschland nicht mit einer deutschen Regierungsmaschine erfolgen dürfe.
Mit dieser Bedingung konfrontiert wandten sich die Anwälte an den noch immer sehr gut vernetzten ehemaligen deutschen Außenminister Genscher, der wiederum rasch seinen engen Freund und Vertrauten Ulrich Bettermann ins Vertrauen zog. Ursprünglich sei das Ganze als „Geheimaktion von Genscher und mir“ geplant gewesen, erinnert sich Bettermann. Erst als während der Aktion, vermutlich durch eine undichte Stelle bei der Bundespolizei, etwas durchsickerte, habe man sich gemeinsam dafür entscheiden, an die Öffentlichkeit zu gehen. So habe man dann, als die Maschine am späten Freitagnachmittag polnischen Luftraum erreicht hatte, eine Pressemitteilung abgesetzt.
„Wir haben uns so verhalten, wie es die Russen wollten.“
Insgesamt sei die Aktion allerdings ein voller Erfolg gewesen: „Ich freue mich, dass alles geklappt hat und Herr Chodorkowski wohlbehalten in Berlin eingetroffen ist“, so Bettermann, der Chodorkowski sogar persönlich kenne: vor 12 Jahren sei er ihm einmal beim Weltwirtschaftsforum in Davos begegnet. Auf die Frage, ob er durch sein Engagement für den prominenten Putin-Kritiker keine geschäftlichen Nachteile befürchte, denn schließlich sei seine Firma auch in Russland stark aktiv, erklärt er gelassen: „Wir haben uns so verhalten, wie es die Russen wollten.“ Daher habe er sich auch sofort schriftlich bei Präsident Putin für die „große menschliche Geste“ bedankt. „Ich bin Putin, den ich vom Weltwirtschaftsforum in Davos kenne, dankbar für diese humanitäre Maßnahme.“ Bezüglich des weiteren Schicksals von Chodorkowski halte es Bettermann für möglich, dass er erst einmal für eine gewisse Zeit in Deutschland bleibe.
Der sensationelle Schritt gilt als Zugeständnis des Kremls vor den Olympischen Winterspielen, die Anfang Februar im russischen Sotschi eröffnet werden. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nannte die Begnadigung Chodorkowskis „eine gute Entscheidung“. Auch Steinmeier ist am OBO-Firmensitz im sauerländischen Menden kein Unbekannter. Er war vor vier Jahren Ulrich Bettermanns Ehrengast beim Richtfest für das neue OBO Werk.
Ulrich Bettermann kann nun bei der Weihnachtsfeier am heutigen Sonnabendnachmittag am ungarischen OBO-Bettermann-Standort im Budapester Vorort Bugyi unverhofft mit einer extra guten Nachricht vor seine ungarischen Kollegen treten. Die Stimmung dürfte aber ohnehin so sonnig wie der heutige Sonnabend in Ungarn sein. „Wir haben ein sehr gutes Jahr hinter uns, alles verlief planmäßig“, so Lajos Hernádi, Geschäftsführer der Obo Bettermann Kft. gegenüber der Budapester Zeitung.