Wenn man den Roman „Blumenfresser“ des ungarischen Schriftstellers Laszlo Darvasi anfängt, ohne den Autor zu kennen, kann man eine gewisse Verwirrtheit durchaus nicht verleugnen. Darvasi ist ein Schreiber des Surrealismus und dementsprechend vertrackt und verträumt kommt auch sein Liebesroman daher. Die Geschichte, welche in Darvasis südungarischer Heimatstadt Szeged spielt, hat mit dem Selbstmord des Ehepaars Imre und Klara Schön in einem Zimmer voller Blumen eine Ausgangssituation, deren Beschreibung irgendwie zum ganzen Buch passt – deprimierend schön.
Lászlo Darvasi ist eher ein Schreiber von düsteren Geschichten, er hat ein gewisses Talent den Tod zu zelebrieren und in einem pikanten, schönen Licht darzustellen. Traditionellerweise ist er eher ein Autor kürzerer Texte oder Gedichtbände, wagt sich nun mit seinem Roman „Blumenfresser“ tief ins Reich der Epi. Es ist nicht sein erster Roman, z.B. war er schon mit Werken wie „Eine Frau besorgen“ und „Die Hundejäger von Lojan“ erfolgreich und gewann für sie den Brücke Berlin Literaturpreis, aber der „Blumenfresser“ ist vielleicht sein „romanigster“, bzw. deutlichster Roman.
Revolution und Hochwasser
Darvasi erzählt eine Liebesgeschichte von fünf Hauptpersonen um die Zeit der ungarischen Revolution im Jahre 1848. Dabei geht es um die etwas wunderliche und verträumte Klara, welche die Geliebte von ihrem Mann Imre Schön ist, aber auch von seinem Bruder Peter sowie seinem Halbbruder Adam geliebt wird. Außerdem ist da noch Zigeunerkönig Gilagóg, der einem die Geschichte der Zigeuner versucht nahezubringen. Die gleiche Geschichte wird im Roman fünfmal erzählt, immer aus der Sicht einer anderen Hauptfigur. Somit entsteht eine gewisse Vertrautheit mit der Geschichte, die aber auch immer wieder neu verzaubert. Den historischen Rahmen bildet im Höhepunkt die ungarische Revolution um Dichter Sándor Petőfi im Jahr 1848 und endet in der Hochwasserkatastrophe 1879, in der Szeged fast vollständig zerstört wurde und die viele Todesopfer forderte.
Verwirrend, verzaubernd
Anfangs ist es etwas schwer, sich in den Roman einzufinden, weil einige Sätze und Begriffe eher verwirrend erscheinen. Man fragt sich häufig: Muss das unbedingt so formuliert werden? Man merkt dem Roman die literarische Heimat, Gedichtbände, dem Autor hier oft an. Der Literaturkritiker Jörg Plath findet, dass Darvasi zur kurzen Form zurückkehren sollte und schreibt in der Neuen Zürcher Zeitung: „Die Erzählweise ist überraschend, weniger das Erzählte. Darvasi bezahlt einen hohen Preis für die Annäherung an traditionelle Romanformen.“ Die Geschichte ist so wie Hauptdarstellerin Klara, verträumt und unscharf. Er zeigt auf, wie sich Liebende in einer schwierigen Zeit eine Traumwelt erschaffen und mit ihr untergehen. Die Legitimation für diese bittersüße Art der Erzählung oder Dichtung bietet der Autor gleich mit im Buch: „Was ist das, wahre Dichtung?“, fragte Klara. Pelsöczy leckte sich die Oberlippe und dachte nach, dann sagte er nur: Was größeren Schmerz verursacht als das, was wirklich ist!“ – deprimierend schön.