
Das minimalistische Design lässt Raum, um sich voll auf den Genuss zu konzentrieren. Fotos: Zoltán Miklóska
Keine zwei Wochen ist es her, als ich hungrig die Gegend rund um die Király utca durchstreifte. Die Restaurants im Gozsdu udvar hatte ich bereits durchgekostet, und so gern ich diese geschäftige, angesagte Schlemmermeile habe, so knurrte mir doch der Magen nach etwas Neuem. Auch in der Király utca fand ich nicht, wonach es mich dürstete. Die Cafés hätten es nicht mit meinem Hunger, die Grillrestaurant-Ketten nicht mit meinen gastronomischen Ansprüchen aufnehmen können.
In einer ruhigen Seitenstraße wollte ich mich kurz fangen, als ich plötzlich einer mysteriösen Fensterwand gegenüber stand. Die weißen Vorhänge waren von innen zugezogen, doch die ebenfalls verglaste Eingangstür erlaubte einen Blick ins erleuchtete Rauminnere. Das geschmackvolle Interieur aus lindengrünen, gepolsterten Sesseln, mittelbraunem Parkett und dezenten, geschmackvollen Dekogegenständen erweckte mein Interesse. Der Ort war nicht ausgeschildert, strahlte jedoch sofort eine edle Atmosphäre aus. Ich wusste, hier würde ich gut dinieren können. Einzig die verschlossene Tür hielt mich davon ab, sogleich das dato noch vor der Eröffnung befindliche Restaurant aufzusuchen.
Etwas wie das Lou Lou
Eine Woche später werde ich an ebendiesem Ort zu meinem Tisch geführt. Károly Rudits verweist den Teddybären behutsam von dem für mich bestimmten Sessel, hier habe eben noch ein ganz junger Gast gesessen. Mein Magen knurrt genauso laut wie vor einer Woche. Ein Glück bin ich jetzt hier, im Lou Lou Restaurant.
Rudits ist der Besitzer des Lou Lou, doch er ist auch Gastgeber und Gourmet, kurz, ein Gastronom mit Leidenschaft. Schnell wird klar, dass man es hier außerdem mit einem Mann mit Erfahrung zu tun hat. Denn ganz neu ist das Lou Lou nicht, im Gegenteil: Zum ersten Mal öffnete das Fine Dining Restaurant seine Pforten 1996. Innerhalb weniger Jahre wurde es zu einem der besten und beliebtesten Restaurants Budapests. Im Januar 2009 kam dann das plötzliche Aus, die Krise machte sich auch in der Gastronomie bemerkbar. Einige Jahre hat es nun gedauert, bis Rudits den Zeitpunkt der Neueröffnung gekommen sah. „In der vergangenen Zeit bin ich ruhiger geworden, sehe nun klarer“, erzählt der Restaurantbesitzer. „Das sieht man auch am neuen Lou Lou. Viele hochklassige Restaurants sind vielleicht etwas zu schnörkelig, andere etwas zu schlampig. Doch es gibt auch etwas dazwischen. Etwas, das die nötige Eleganz besitzt und doch gelöst und einfach ist.“ Etwas wie das Lou Lou.
Fürwahr besticht das französisch geprägte Restaurant mit noblem Minimalismus und einer Prise charmantem Witz – Eigenschaften, die sich im Interieur wie in den Gerichten widerspiegeln. Die Tische aus hellem Holz kommen ohne Tischdecken daher, zum warmen, selbstgebackenen Brot und der fein gesalzenen Butter wird ein Holzmesser gereicht. Statt Ölgemälden zieren ein paar Flaschen Wein, weitere Teddybären und geschmackvolle Vasen den Raum, die hochprofessionellen Bedienungen tragen schwarz. Sodann wird das Amuse-Gueule serviert: Verschiedene geschichtete Mousse‘, arrangiert im kleinen Glas. Ricotta, Spinat, etwas Puffreis und der aus der französischen Schweiz stammende Halbhartkäse Tête de Moine – eine himmlische, grün-weiße Ouvertüre.
Trüffel, Ente und ein japanisch-ungarisches Gelee
Ein Salat aus frischem Ziegenkäse, Schwarzwurzel, Chlorophyll (sic!), grünem Gartengemüse und Trüffelspänen folgt sogleich. Hier treffen sich unterschiedlichste Blattsalate und bieten einen frischen, leichten Zwischenstopp vor den Hauptgängen. Der feine Trüffel, der dezent über das grüne Gericht gestreut wurde, hinterlässt seinen eigensinnigen Geschmack im Mund und leitet dramaturgisch über zu den kulinarisch größten Momenten des Abends. Aufgetischt wird nun ein Entenleber Parfait, das Enten-Rillettes umschließt; dazu gibt es eine Handvoll Pilze, Birne und ein Gelee aus Nomu Tokaier Weinessig. Wie mich der Kellner aufklärt, stammt dieser besondere Weinessig von einem japanischen Feinschmecker und Weinliebhaber, der sich in den ungarischen Traditionswein verliebte und just die erste und einzige Firma gründete, die ihn in Weinessig verwandelt. Tatsächlich geht das Gelee eine herrliche Symbiose mit Rillettes und Pastete ein und schmeckt mit dem Wissen um seine Herkunft fast noch besser.
Als Höhepunkt dient die nun folgende geröstete Entenbrust mit Orangensoße, Belgischer Endivie und Karotte. Das Fleisch der Ente ist zum Dahinschmelzen zart und kleidet sich gleichwohl mit einer knusprigen, deftigen Kruste. Die Orangensoße mit ihrer süß-sauren Würze und einem zimtigen Pepp bildet eine adäquate Basis und erweckt in mir den Wunsch, der Teller möge sich immer und immer wieder aufs Neue mit diesem Gericht füllen.
Trotz des wundervollen Teller-Arrangements kann die hausgemachte Tortellini mit Kräutern der Provence, Gemüse und gereiftem Provolone-Käse leider nicht mit ihren Vorgänge(r)n mithalten. Die Pasta mit der Tomaten-Paprika-Soße ist schmackhaft und fruchtig, doch den besonderen Dreh, den mutigen Ausbruch, den solch ein Gericht benötigt, hat sie leider nicht inne.
Die Süße des Desserts tröstet jedoch ohne Weiteres mithilfe von in Ingwer-Karamell gebackener Banane, Krokant, weißer Schokolade, Limettencreme, Kardamom und Ananas, auch wenn es im Lou Lou keineswegs Grund zum Trösten braucht. In einem separaten Keramikkännchen erlaubt es eine unaufdringliche Vanillesoße, die Nachspeise nach Belieben anzureichern. Eine fabelhafte Komposition süßer Verführungen.
Den Schlussstrich setzen eine Weihnachts-Praline und ein Mohn-Baiser, clean auf einem Holzbrett angerichtet und auf eine fingerfertige Verzehrung wartend. Was nicht erwähnt werden muss: Mein Hunger ist gestillt, der Gaumen höchst zufrieden. Au revoir, Lou Lou.
Restaurant Lou Lou
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 12 bis 15 Uhr, 18:30 bis 23 Uhr
Samstag: 18:30 bis 23 Uhr
Sonntags geschlossen
Tel.: +36 1 / 877-6202,
+36 70 / 333-5289
VI. Székely Mihály utca 2.
www.lou-lou.hu
Preise
Vorspeisen und Hauptgerichte:
………………………………..3.200-8.900 Ft
Dessert:………………………………2.100 Ft
Mittagsmenü (3 Gänge, Mo bis Fr):
………………………………………….4.400 Ft