Heute ist er eine bekannte Persönlichkeit in der englischsprachigen Community Budapests: Kaum vorstellbar, dass Howard Cohen die ersten Jahre in der Stadt als Außenseiter verbrachte, der abgeschnitten war vom örtlichen Geschehen. Nach drei jeweils ineinandergreifenden Tätigkeiten in der Reise- und Unterhaltungsbranche und einem Abstecher in die Politik kann sich Howard nun in der Stadt endlich heimisch fühlen – Dank einer Reihe zufälliger Geschehnisse, die ihn in das geografische Zentrum Europas, weit entfernt von seiner Heimatstadt Manchester im Vereinigten Königreich, führten.
„Eigentlich hat mich ein Job hergebracht.” Howard zögert, wenn er gefragt wird, warum er nach Ungarn kam; und wenn man sich seine Lebensgeschichte anhört, wird klar, dass die Dinge nicht so einfach sind. Nach einem Jobangebot als Organisator von Firmen-Events für HelmsBriscoe in Mittel- und Osteuropa wählte Howard aus geografischen Gründen Budapest als sein neues Zuhause. In den ersten drei Jahren diente die Stadt nur als Basis: „Ich bin immer auf Reisen gewesen,” sagt er. „Ich bin jetzt seit mehr als acht Jahren in Budapest, aber in den ersten drei Jahren war ich nie hier. Ich war schlimmer als ein Tourist! Ich kannte nicht einmal jemanden außerhalb der Arbeit.”
Von der Musik zur Politik
Mit dem Aufkommen der Wirtschaftskrise schrumpfte der Markt für internationale Konferenzen – und in einem Geschäftszweig, der auf Komissionen beruht, war die Arbeit finanziell letztlich nicht mehr rentabel. „Ich dachte darüber nach, was ich machen könnte, und das Logischste war es, zurück in die Unterhaltungsbranche zu gehen.”
Howard wuchs quasi mit der Musikindustrie auf. Sein Vater betrieb in den „Swinging Sixties“, den Sechzigerjahren, eine Kette erfolgreicher Plattenläden in Manchester und dem Nordwesten Englands und organisierte daneben Musikveranstaltungen. Da Howard seit seinen jungen Jahren als DJ arbeitete, trat er schon früh in die Fußstapfen seines Vaters – und fand sich letztlich selbst im Arbeitsfeld Konzertpromotion wieder. Nebenbei legte der Tausendsassa auch als Radio DJ auf, der sich in der Reiseindustrie als Betreiber von Touren versuchte und gleichzeitig bei der internationalen Politik mitmischte.
Mit 14 war Howard aktives Mitglied der Liberal Youth (Liberale Jugend), einer jungen Vereinigung der Liberaldemokraten, einer liberalen Partei im Vereinigten Königreich. Mit 15 besuchte er bereits seine erste internationale Konferenz in Italien, die ihn zu einer – wenn auch unbezahlten – politischen Karriere inspirierte und seinen Fokus auf den Ost-West-Dialog setzte.
Die Politik brachte Howard 1984 auch zum ersten Mal nach Budapest. Er nahm an einem bilateralen Treffen des Weltbundes der Demokratischen Jugend teil und begann, bei politischen Verhandlungen mitzumischen, was ihn mit solcher Leidenschaft füllte, dass er es bis an die Spitze der Liberal Youth schaffte. Zwischen 1985 und 1993 stieg er bis in die Büro-Ebene auf und wurde sogar von 1991 und 1993 Vize-Präsidenten.
„Ich wurde ein bisschen als Querdenker angesehen, da sich meine Ansichten sehr auf der linken Seite des Spektrums befanden,“ sagt Howard. „Sie wollten mich beschäftigen und ruhig halten, deshalb gaben sie mir 1989 Osteuropa und Asien als Arbeitsbereiche.“
Der Ansprechpartner für Expats
Mit dem unerwarteten Fall des Sozialismus und dem Osteuropaweiten Ausbruch von Revolutionen, wurde 1989 zu einer wechselhaften Periode in der politischen Historie der Region.
Während der Belagerung verbrachte Howard einige Zeit in Sarajevo, um die ersten Wahlen in Kroatien zu beobachten. So arbeitete er am Epizentrum des politischen Wandelns in Osteuropa, und bildete junge Politiker in der Theorie der Gründung und des Managements politischer Parteien aus. Er gründete ein Reise-Unternehmen, das sich Journalisten, die in Kriegsgebiete im Balkan reisten, als Zielgruppe nahm. Doch seine Vergangenheit in der Unterhaltungsbranche traf auf sein politisches Leben, als ihn ein Teenager-Mädchen in einem bosnischen Flüchtlingslager von einem Foto erkannte, das sie von ihm während eines DJ-Auftritts in einem Club in Manchaster gesehen hatte.
Jahre später fand sich Howard in Budapest wieder, und da er seine ersten Jahre allein in der Stadt verbracht hatte, unwissend, ob es überhaupt eine Expat-Community in der Stadt gibt, fasste er einen Beschluss: Er wollte etwas dagegen unternehmen. „Facebook war damals noch etwas ganz Neues. Ich suchte nach jedweden Expat-Gruppen – und konnte nichts finden. Schließlich erstellte ich selbst eine Facebook-Gruppe namens ’Expats in Hungary’, was ich total vergaß, als ich zurück nach UK reiste, um mein Haus zu verkaufen. Zurück in Budapest loggte ich mich ein und hatte plötzlich um die 500 Mitglieder, die der Gruppe beigetreten waren.” Howards Posteingang lief über vor Nachrichten von Expats, und plötzlich war er zur Ansprechperson für Expat-Fragen geworden. Der Erfolg der Facebook-Gruppe half Howard zurück zu seinen Wurzeln in der Unterhaltungsbranche.
In Budapest endlich angekommen
Zunächst begann er, wieder beim Radio zu arbeiten. Seine erfolgreiche Sendung lief auf Rádió Café und später auf Tilos und Budaörs Rádió, was Howard bald zu einer bekannten Radiostimme machte. Seine Verbindungen beim Radio stießen ihn förmlich in die Welt der Comedy. So übernahm Howard den englischsprachigen Comedy Club als Manager und unterstützte 2008 die Gründung der Veranstaltungsfirma Baby Blue Banana, die 2012 in Danube Events umgetauft wurde. Die Firma veranstaltet englischsprachige Events in Budapest, Bratislava, Brno, Kosice und Wien. „Ich wollte nicht, dass unsere Veranstaltungen sich ausschließlich an Expats richten,“ sagt Howard. „Ja, unsere Events sind auf Englisch – doch sie werden gleichermaßen von Ungarn besucht.“
Nach Howards Auffassung ist sein Leben eine Aneinanderreihung von Zufällen gewesen, die sich einfach dadurch ergeben hätten, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Aber warum entschied er, in Budapest zu bleiben, einer Stadt, die er aus praktischen Gründen aufgrund eines Jobs wählte, in dem er längst nicht mehr arbeitet? „Ich liebe es einfach, aus der Tür zu treten und in den ersten fünf Minuten einem Freund zu begegnen. Budapest ist eine Großstadt, die sich anfühlt wie ein Dorf,” sagt er. „Ich lebe in Budapest, da es mein Zuhause ist.”