Es begann in der Wohnung von Franz Liszt: Dort wurde 1875 die Königliche Musikakademie gegründet. Knapp 30 Jahre später, als Liszt längst verstorben war, errichtete man aus Platzmangel ein neues Gebäude. 1907 wurde das Hauptgebäude der Franz Liszt Musik-Universität, wie die Musikakademie offiziell heißt, fertiggestellt. Heute, ganze 106 Jahre später, mag man beim Anblick des Gebäudes auf dem Liszt Ferenc tér ein Déjà-vu erleben, denn nach zehnjähriger Renovierungsphase erstrahlt die Zeneakadémia wieder in altehrwürdigem Glanz.
Dass sich sogar das Logo der Musikakademie erneuert hat, das lehrt ein hochwertig gestalteter Image-Film auf dem neu geschaffenen Youtube-Kanal der Akademie. Ein Saiteninstrument, umgeben von einem Lorbeer-Kranz, zeigt nun die Belange der renommierten Musikschule an. Selbiges ziert auch ein Plakat der Akademie mit dem passenden Titel zum Startschuss: „Die Ouvertüre einer neuen Ära”. Und da sich Lorbeeren als florales Motiv im Jugendstil großer Beliebtheit erfreuten, wundert es nicht, dass sich die dekorative Gewürzpflanze auch im Gebäude selbst wiederfindet: Goldene Deckenpanele mit Lorbeermuster schmücken das Kernstück der Musikakademie, den im Stil von Art Nouveau erbauten Großen Saal.
Wie bereits vergangene Woche berichtet, öffnete die Musikakademie am 22. Oktober, dem Geburtstag Franz Liszts, nach zehn Jahren Umbauarbeiten offiziell ihre Pforten. Mit Beginn des kommenden Semesters im Januar kehrt dann auch die Universität wieder ein in die Säle der Akademie. In der vergangenen Woche berichteten wir über die von Zoltán Balog, Minister für Humanressourcen,und Akademiedirektor András Batta abgehaltenen Pressekonferenz. Diese Woche werfen wir einen Blick in das Innere des runderneuerten Gebäudes.
Die erste große Überraschung ist das dominante Pastellgrün des Eingangsbereiches, das die perlmutterfarben glasierten Keramiken ergänzt. Die Farbe wurde bereits zu Gründungszeiten verwendet, bei einer unbemühten Renovierung jedoch überstrichen. Sowohl Kasse als auch Garderobe sind von ihren alten Plätzen verschwunden. Der Innenhof an der zur Király utca weisenden Seite des Großen Saals wurde zum Atrium umgewandelt und beherbergt nun das Bistro. Sezessionistischen Prunk und Pracht der restlichen Gebäudeteile finden sich im Atrium nicht wieder; stattdessen dominieren klare Formen und moderne Materialien. Nur einige alte Ziegel geben dem Bereich eine Messerspitze nostalgischen Charmes.
Weniger Plätze für mehr Platz
Im Großen Saal hat sich am meisten getan: Das alte, quietschende Parkett wurde ausgetauscht, das neue, frisch geölte in der Farbe von Akazienholz bietet durch ein Gummibett bessere Qualität und einen ruhigeren Tritt. Für mehr Ruhe sorgen nunmehr auch Doppelfenster, die den Lärm der Budapester Innenstadt fernhalten sollen. Die Sitzgelegenheiten sind luftiger angeordnet, sodass kein Ellenbogen mehr den Nachbarn stören muss. Dafür füllen auch nicht mehr alle der ursprünglichen schwarzen Sitze den Raum. Luftlöcher in der Verkleidung hinter den Sitzen für den Chor verhindern ab sofort dicke Luft.
Unfertig ist nach wie vor die gewaltige Orgel, der Mittelpunkt des Großen Saals. Die alte Orgel wurde zur Restaurierung ausgebaut, Originalteile aus Deutschland würden laut András Batta, dem Direktor der Musikakademie, noch gesucht (die Budapester Zeitung berichtete). Voraussichtlich wird es bis 2016 dauern, bis die Orgel wieder vollständig im Saal trohnt. Eine erste Pfeifenreihe ist bereits angebracht – allerdings nur zu Dekorationszwecken.
Eigentlich ist es jedoch die Akustik, die die Musikakademie und insbesondere ihren Großen Saal auszeichnet. Nicht umsonst lernten, lehrten und musizierten an der Akademie solch weltberühmte ungarische Musiker und Komponisten wie Béla Bartók, Zoltán Kodály, Leó Weiner und György Solti. Aus Mangel an Live-Musik während seines Besuchs testete Gábor Miklósi, Journalist beim Online-Magazin Index, die legendäre Akustik schlicht mit seinem Handy: „Das auf Vibration gestellte Handy hörte man trotz dessen, dass es auf einem der gepolsterten Sitze in der ersten Reihe lag, bis nach ganz hinten.” Ein gutes Zeichen.Der hinterste, oberste Balkon bietet neben Studentenplätzen nun auch Stehplätze an, die günstige Konzertbesuche versprechen – was beim Besuch eines Wagner-Konzertes allerdings wenig ratsam sein dürfte.
Zu den weiteren Neuerungen gehört außerdem die neue Beleuchtung über der Bühne und den seitlichen Balkons. Doch auch unterhalb des Parketts im Großen Saal hat sich einiges getan: Das Zimmerwerk wurde restauriert, und unter der Bühne und den ersten sechs Sitzreihen findet sich nun ein staubfreies, klimatisiertes Instrumenten-Lager. Der Boden der Kellerebene wurde um knapp einen halben Meter abgesenkt, um noch mehr Platz zu bieten. Dort befinden sich nun auch neue Toiletten-Räume, die dem Schlangestehen an den begrenzten Waschräumen im Erdgeschoss ein Ende bereiten sollen.
Den Jugendstil herbeisehnende Atmosphäre
Auch um die Sicherheit (insebsondere der teuren Instrumente) muss man sich in der erneuerten Musikakademie keine Sorgen mehr machen. Ein neues Überwachungssystem mit strategisch platzierten Kameras verpasst kein Geschehen, und auch die Mitarbeiter-Eingänge wurden besser separiert, um keine unlauteren Besucher anzulocken.
Für die Orchester-Musiker und Chorsänger wurden neue, bequemere und größere Umkleiden geschaffen, die auch über Schließfächer verfügen, sodass auch hier mehr Sicherheit einkehren kann. Für die Solisten stehen getrennte Umkleiden zur Verfügung; doch sogar eine First Class wurde in die Umkleiden der Musikakademie integriert: Das Künstlerseparé, das sogar einen kleinen hübschen, mit einem Klavier ausgestatteten Musizierraum beinhaltet. Auch wenn der Marmor an den Wänden nicht echt ist, so kreieren die bemalte Glas-Deko und die anhand der Originale rekonstruierten kupfernen Kronleuchter doch eine den Jugendstil herbeisehnende Atmosphäre.
Zuletzt wurde auch der nach dem ungarischen Dirigenten György Solti benannte Kleine Saal komplett erneuert. Die Bühnentechnik wurde modernisiert und der Zuschauerraum abschüssig gestaltet, sodass von allen Plätzen eine gute Sicht möglich ist. Und auch hier wurden die Kronleuchter originalgetreu rekonstruiert.
Lisa Weil