Immer wieder hat sie neue Ideen, wie sie ihren Schülern die deutsche Sprache näher bringen kann, und ihre gesamte Kreativität steckt sie in ihren Beruf: Pia Honos, Deutschlehrerin an der Fillér Schule im II. Bezirk. Sie wuchs in der ehemaligen DDR auf, verliebte sich in einen Ungarn und gründete eine Familie in Budapest. Nun hat sie schon mehr Jahre hier verbracht, als zu ihrer Jugend in Deutschland, doch die Verbindung zu ihrer alten Heimat hält sie allein schon um ihrer Schüler willen aufrecht.
„Schon als Kind wollte ich Lehrerin werden.“ Pia Honos ist in ihrem Element: ihrem Klassenzimmer. Der Raum ist hell, voll mit bunter Papierbastelei und ordentlichen Reihen winziger Stühle und Tische. „Ich hatte eine wunderbare Unterstufenlehrerin, eine richtige Traumlehrerin“, erzählt sie. „In der vierten Klasse sollten wir aufschreiben, was wir mal werden wollen – und bei mir stand da immer ‚Unterstufenlehrerin‘.“ Das war noch in der damaligen DDR. Pia Honos wurde 1964 in Saalfeld in Thüringen geboren und wuchs zusammen mit zwei jüngeren Schwestern auf. Schon als Jugendliche trainierte sie kleine Kinder im Sportclub, und folgerichtig absolvierte sie ein Studium als Lehrerin für die unteren Klassen mit den Fächern Deutsch, Mathematik und Sport.
Ein Jahr nach ihrem Abschluss, mit Anfang Zwanzig, fuhr sie in den Urlaub zum Balaton. Eigentlich war daran nichts Besonderes; bereits als Kind war sie mit ihren Eltern viele Sommer dort gewesen. Wie für so viele Ostdeutsche bedeutete Ungarn für die Familie ein Stückchen „westliche“ Freiheit. Doch dieser eine Urlaub veränderte Pia Honos‘ Leben.
Ein Urlaubsflirt am Balaton
„Ich war eigentlich mit meinem Freund dort“, lächelt sie verschmitzt. Den Trip zusammen mit einem befreundeten Pärchen hatten sie seit Januar geplant; da mussten sie das Visum besorgen. Ende Juni war die große Liebe jedoch bereits verblasst. „Nach einer Woche saßen wir in einem Biergarten. Es war nirgends mehr Platz und wir haben uns zu meinem jetzigen Mann und dessen Freund an den Tisch gesetzt.“
István, so heißt ihr Mann. Damals sprach er kein Wort Deutsch, und sie nur ein paar Brocken Ungarisch – trotzdem brach sie den Urlaub am Balaton ab und ging mit ihm für eine Woche nach Budapest. Nur wenig später heirateten die beiden, und Ungarn wurde Pia Honos‘ neue Heimat. Gemeinsam mit ihrem Ehemann zog sie in Budapest zwei Kinder groß, einen Sohn und eine Tochter. Die Sprache lernte sie nahezu vollständig intuitiv. Nur einmal machte sie einen sechswöchigen Kurs. Manchmal macht sich das bemerkbar: „Ich habe nie richtig auf Ungarisch schreiben gelernt. Wenn ich meinem Mann einen Einkaufszettel schreibe, lacht meine Familie mich aus!“
Ihr Beruf ist auch ihr Hobby
Als die Kinder größer wurden, suchte Pia Honos wieder nach Arbeit – als Unterstufenlehrerin, etwas anderes kam nicht in Frage. 2003 fing sie als Deutschlehrerin an der Fillér Utcai Általános Iskola im II. Bezirk an. An dieser Schule lernen die Kinder schon ab der ersten Klasse eine Fremdsprache, Deutsch oder Englisch, und auch andere Fächer wie Sport, Sachkunde oder Musik werden auf Deutsch unterrichtet. Nach 16 Uhr können die Kinder noch weitere Übungsstunden belegen, die von den Eltern extra bezahlt werden. Dieser Nachmittagsunterricht war für Pia Honos mit ausschlaggebend für die Entscheidung, an der Fillér Schule zu arbeiten.
Nachdem sie jahrelang Hausfrau war, ist es für die Familie kein Problem, dass sie ihre Tage komplett in der Schule verbringt. Jeder Arbeitstag beginnt morgens um Sieben mit einer langen Autofahrt von Csepel bis in den II. Bezirk. Abends um Fünf geht es dann zurück. Im Feierabendverkehr braucht sie eine ganze Stunde nach Hause.
Kein Wunder, dass ihr Beruf gleichzeitig ihr Hobby ist: Ständig denkt sie sich für die Kinder neue Unterrichtsmethoden aus, macht Experimente, führt Projekte durch und studiert mit ihnen Theaterstücke ein, mit Singen und Tanzen – natürlich alles auf Deutsch. Meist sind ihre Ideen so erfolgreich, dass daraus feste Traditionen entstehen. In der dritten Klasse führen die Schüler das Grimm’sche Märchen „Schneewittchen“ auf, in der vierten steht eine Exkursion in Pia Honos‘ alte Heimat Saalfeld an. Eine Woche lang gehen die Kinder dort zur Schule und lernen in der Praxis kennen, was sie vorher nur aus den Geschichten ihrer Lehrerin und den Schulbüchern kannten. Sie wandern durch den Thüringer Wald, auf den Spuren von Goethe und Schiller durch Weimar und besichtigen die Wartburg – deutsche Geschichte hautnah!
Pia Honos gibt sich die größte Mühe, ihren Schülern die deutschen Traditionen näher zu bringen. Zur Einschulung bekommen sie eine Zuckertüte. An Ostern blasen sie Eier aus und malen sie bunt an, und ganz neu ist ein „Kartoffelfest“, an dem nur Gerichte aus Kartoffeln gekocht werden. „Weil die Deutschen doch Kartoffeln, Kartoffeln, Kartoffeln essen“, lacht Pia Honos. „Zumindest in Thüringen. Mein Vater isst außer Kartoffeln fast nichts!“
In ihrem Beruf, dem Unterrichten der Kinder, findet sie Erfüllung und lebt ihre Kreativität aus. Pia Honos ist eben mit ganzem Herzen Lehrerin, und ihr Engagement wurde erst kürzlich mit der Auszeichnung „Deutschlehrer des Jahres 2013“ belohnt.
Ungarische Schulreform verkompliziert so manches
Doch es ist auch nicht immer einfach. Die deutsche Sprache verschwindet zunehmend aus Ungarn; die meisten Kinder haben bei der Einschulung keinen Grundwortschatz mehr. Vor zehn Jahren war das noch ganz anders, damals konnten ungefähr 80 Prozent der Kinder schon etwas Deutsch, entweder durch den Besuch eines deutschen Kindergartens oder weil ein Elternteil aus Deutschland stammte. „Seit vorigem Jahr ist es leider so, dass 80 Prozent der Kinder überhaupt kein Deutsch mehr können. Ich kann nicht mehr erzählen wie früher, sondern kann nur erklären und muss ganz anders an die Sache herangehen. Ich muss viel mehr spielerisch machen, mit Singen und Zeichnungen.“
Doch an dem nötigen Anschauungsmaterial fehlt es teilweise, und auch andere Dinge laufen nach Ansicht von Pia Honos nicht ideal. Beispielsweise darf sie seit Kurzem nicht mehr mit den Büchern unterrichten, die sie braucht, da diese im ungarischen Schulsystem nicht anerkannt werden. Statt der Lehrwerke aus Deutschland soll sie die auf dem ungarischen Markt vorhandenen Lehrwerke benutzen – diese sind jedoch für das hohe Niveau des Deutschunterrichts an der Fillér Schule nicht wirklich geeignet. „Das ist ärgerlich, und ich verstehe auch nicht, weshalb das so schwer ist“, sagt Pia Honos. „Aber in den vergangenen Jahren ist alles sehr streng geworden mit den ganzen Gesetzen. Heutzutage ist alles so kompliziert in Ungarn, alles wird kontrolliert.“
Wurzeln in Deutschland
Trotz solcher Stolpersteine ist der Deutschunterricht an der Fillér Schule so gut, dass manche Schüler nach der 8. Klasse bereits die höchste Sprachstufe erreicht haben. Das liegt auch an der Konsequenz ihrer Unterstufenlehrerin: „Hier in meinem Klassenzimmer dürfen die Kinder kein Ungarisch sprechen. Ich habe nämlich eine Allergie, die immer herauskommt, wenn ich zu viel Ungarisch höre. Dann muss ich mich ganz fürchterlich kratzen.“
Die deutsche Sprache ist ein wichtiger Teil der ungarischen Gesellschaft. Pia Honos berichtet von ihrer Schwiegermutter, die mit 88 Jahren noch immer relativ gut Deutsch spreche, da sie es als Kind in der Schule lernte. Und auch sie selbst pflegt ihre Wurzeln in der alten Heimat. Jeden Sommer fährt sie nach Deutschland, und an Ostern und Weihnachten trifft sich die über mehrere Länder verstreute Familie entweder dort, oder in Österreich, der Slowakei oder Ungarn. Dennoch: Ungarn ist ihre feste Heimat. „Ich werde nicht wieder zurückgehen“, ist Pia Honos sich sicher. Inzwischen wiegen die Jahre in Ungarn ihre Jugendzeit in Deutschland deutlich auf – den Großteil ihres Lebens ist sie nun schon hier, und sieht keinen Grund, das zu ändern. Manchmal hat sie sogar schon Schwierigkeiten mit deutschen Wörtern, die sie selten benutzt. Doch es ist und bleibt ihre erste Sprache. Mit ihren Kindern redet Pia Honos Deutsch, und sie denkt auf Deutsch. Nur manchmal, da träumt sie auf Ungarisch.
Deutschlehrer des Jahres 2013
Pia Honos wurde als eine von acht Pädagogen am 27. Oktober, dem Europatag der Deutschen in Budapest, mit dem Preis „Deutschlehrer des Jahres 2013“ ausgezeichnet. Geehrt wurde ihr besonderes Engagement bei der Vermittlung der deutschen Sprache. Im Rahmen der feierlichen Veranstaltung im Deutschen Nationalitätengymnasium (XX. Bezirk) wurde zugleich auch das neue Schuljahr eingeläutet. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von den Deutschen Selbstverwaltungen Budapests und des Komitates Pest. Es sprach die Direktorin des Landesinstituts für Bildung und Erziehung, Marta Hancock. Sie verlas ein Grußwort des Gesandten der Deutschen Botschaft Klaus Riedel.
Liebe Tante Pia,
ich lese zwar nicht oft Zeitung, und schon garnicht im Internet, aber mein Papa, der regelmäßig die Budapester Zeitung ließt, hat mir diesen netten Artikel gezeigt.
Es war schön die Zeilen über Sie zu lesen, und sich wieder an die schönen, alten Zeiten zu erinnern, wie zum Beispiel, als wir das Schneewitchen vorgespielt haben. Ich habe es noch immer vor mir, wie wir geübt haben, und wie ich mich öfter im Vorspiel mit dem “ Wer hat mit meinem Löffelchen gegessen? “ verspätet habe.
Ich mochte immer die Tage, die mit den Deutschstunden anfingen. Sie waren lustig, interresant und spannend. Ich sage auch immer: “ Ach wie viel leicht und schön hatten wir es mit unserer Tante Pia „. Und ich habe noch immer das Rezept vom „Kalten Hund“ und mir schmeckt es noch immer so gut, wie in der zweiten Klasse.
Viel Glück weiterhin, aber ich weiß gar nicht, ob sie das überhaupt nötig haben
und hoffe, dass Sie meinen Kommentar lesen werden.
Viele Grüße: ihre ehmalige Schülerin Csilla Sophia Rohde