Ganz ruhig sitzt er da mit seiner bunten Lesebrille, weißem T-shirt, Schlüsselbund an der Hose und einem Haufen vollgekritzelter Zettel mit hebräischen Buchstabensalat. Er trinkt ganz bescheiden sein Wasser und fragt ganz unbescheiden was er von seinem Leben erzählen soll „die kurze oder die lange Version? Mein Leben ist nämlich sehr interessant.“ Tal Lev ist der Besitzer des „Café Spinoza“: Einer, man kann mittlerweile sagen, Budapester Institution in der Dób utca im jüdischen Viertel. Außerdem gehört ihm noch das kubanische Restaurant „La Bodeguita del Medio“ im Fészek Művészklub und der Restaurantführer „Budapest Menu“.
Als Kind zweier überlebender Juden des 2. Weltkriegs, der Vater Pole die Mutter Russin, wurde Tal Lev in Israel geboren und wuchs in seiner Heimatstadt Haifa auf. Nach dem Dienst in der Israelischen Armee zog es ihn zum Sudieren in die Hauptstadt nach Jerusalem. Als Student hätte er sich jedoch nicht bezeichnet, der Fokus lag weniger auf dem Lernen als eher im Nachtleben der pulsierenden Stadt: „Clubs, Pianobars, Tanzlokale – sie zogen mich eher an als der Hörsaal.“ Auf den ersten Kontakt mit erfolgreichen Gastronomiekonzepten folgte eine Ausbildung zum Fremdenführer. Ein begehrter Job, der in Israel streng limitiert ist, “und”, so Lev, „viel anspruchsvoller ist als hier“. Als Fremdenführer lernte er Menschen aus aller Welt kennen und folgte manchen sogar bis in ihr Heimatland. So verbrachte er einige Monate in den USA und begeisterte sich für mexikanische Küche. Beim Gründer der Restaurantkette „El Torito“ lernte er einen Monat und reiste danach durch das Land. Zurück in Jerusalem eröffnete er ein koscheres mexikanisches Restaurant – ein Bombenerfolg. Auch Ungarn lernte er als Fremdenführer kennen und kam 1989 zu einem folgenreichen ersten Besuch nach Budapest. Dort verliebte er sich in die Stadt aber vor allem in eine Frau. Sie folgte ihm nach Israel, die beiden wurden Eltern eines Sohnes und das Restaurant lief immer noch prächtig. Doch der Friede währte nicht ewig, 2001 häuften sich die Selbstmordattentate in Israel und die Touristen blieben aus – damit auch Kunden für das Restaurant. Ein Umstand gegen den man machtlos war und wie schon der Namensgeber seines Cafés, der jüdischen Schriftsteller Baruch Spinoza sagte: „Jedes Ding kann nur von einer äußeren Ursache zerstört werden.“
Lächeln und Hummus für den Erfolg
Mittlerweile getrennt von seiner ungarischen Freundin kehrte Tal Lev nach Budapest zurück, diesmal um zu bleiben. Vom Ehrgeiz getrieben erkannte er ein Problem beim Finden von guten Restaurants in der Stadt und gründete „Budapest Menu“, welches sich schnell zum beliebtesten Restaurantführer Budapests entwickelte, mittlerweile existiert auch eine Ausgabe für Prag. Als Betreiber von „Budapest Menu“ hatte er schnell mit den besten Gastronomen der Stadt zu tun, so war es kein Zufall dass ihm als Israeli das damals schlecht laufende Spinoza angeboten wurde. Er veränderte das Konzept mit den für ihn geltenden Grundzutaten eines guten Restaurants: „im Grunde sind es Kleinigkeiten wie ein gutes Menü, die richtige Lautstärke der Musik und ein guter Service – immer mit einem Lächeln.“ Das Spinoza läuft mittlerweile richtig gut. Das liegt wohl einerseits an dem vielfältigen kulturellen Angebot wie den Klezmer Konzerten am Freitag, dem Live Piano und den Theateraufführungen, andererseits, so betont Tal Lev an dem Ideal, dass „der Gast immer mehr bekommt als er sich erwartet und wofür er bezahlt.“ Zu essen gibt es neben ungarischen Klassikern, seine mediterranen und jüdischen Lieblingsgerichte wie Hummus, gebackene Auberginen oder Antipasti.
Schluss ist noch lange nicht
Tal Lev selbst ist kein streng praktizierender Jude, er feiert zwar die traditionellen Feste wie aktuell den Jom Kippur, aber achtet nicht den Sabbat und lebt auch nicht koscher. Das Spinoza an sich ist zwar auch kein koscheres Restaurant aber man kann es als „koscher-style“ Restaurant bezeichnen, so findet man z.B. auf der Speisekarte kein Schweinefleisch, jedoch gibt es keine Trennung von Fleisch und Milchprodukten.
Sein anderes Restaurant, das „La Bodeguita del Medio“ hat sich der kubanischen Küche verschrieben, mit seinem wunderschönen Gastgarten soll es dem Gast ebenfalls mehr bieten als er erwartet, auch hier gibt es jeden Abend Livemusik.
Tal Lev ist aktuell wieder sehr glücklich, denn neben den gut laufenden Geschäften hat er vor einigen Tagen mit seiner neuen ungarischen Freundin Nachwuchs bekommen, es ist wieder ein Sohn. Doch zufrieden ist er trotzdem nicht: „Ich habe viel vor, es ist noch lange nicht Schluss.“ So hat er sich das sehr ehrgeizige Ziel gesetzt das „La Bodeguita del Medio“ zum beliebtesten Lokal in ganz Europa zu machen und auch im Spinoza ist noch Luft nach oben: „eines Tages soll das Lokal voll sein – von 8:00 bis 24:00 Uhr.“
Außerdem plant Tal Lev ein Hotel zu eröffnen „Ein kleines am besten damit ich den Kontakt mit Kunden und Personal aufrechterhalten kann.“
Der Kontakt mit Gästen und Mitarbeitern ist ihm tatsächlich sehr wichtig, so ist er jeden Tag in seinen Lokalen im jüdischen Viertel unterwegs. Die Gegend gefällt ihm immer noch am besten in der Stadt. Ein Stück Geschichte und Kultur, die in den deutschen Städten leider nicht mehr zu finden ist. Er erzählt von seiner Freundin, die immer sagt: „Wir sind sehr glücklich die Juden hier zu haben, denn sie haben die Stadt mitaufgebaut.“ Ein Satz, der sicherlich auch auf Tal Lev zutrifft, auch wenn er als Jude nicht so ganz koscher ist.