Es gibt Dinge, die sollten in Stein gemeißelt sein wie beispielsweise die Verfassung und solche, die es tatsächlich sind: die Gewinner der Trafikkonzessionen. Denn wie das linksliberale Wochenblatt hvg in seiner Onlineausgabe Ende der Vorwoche berichtete, drohen künftigen Regierungen, die den Tabakmarkt liberalisieren wollen, ernstzunehmende finanzielle Konsequenzen.
Die Konzessionen wurden für zwanzig Jahre vergeben. Dabei gab es um die Vergabepraxis mehr als genug fragwürdige Momente, die eine erneute Vergabe – zumindest aus Sicht eines Großteils der Bürger – erforderlich erscheinen lassen. Doch hat die Regierung diese Möglichkeit von Vornherein ausgehebelt. Denn die Verträge sichern den Konzessionsgewinnern Entschädigungen teils in Milliardenhöhe zu, sollte eine zukünftige Regierung Hand an die Trafiken legen.
Kein Ausweg
Dabei hat die nationalkonservative Regierung von Viktor Orbán tatsächlich äußerst umsichtig formuliert. Denn die Entschädigungszahlungen werden dann fällig, wenn weitere Tabakgeschäfte eröffnet werden (es sei denn, die wachsende Bewohnerzahl macht dies notwendig) oder eine künftige Regierung gar ganz Abstand von den Konzessionen nehmen will. Dies ist auch keineswegs ein Geheimnis, schreibt Paragraph 34 der Konzessionsverträge doch genau dies fest. Weiter heißt es da, sollten für die Konzessionsgewinner nachteilige Schritte (wie die Liberalisierung des Marktes – Anm.) seitens der Regierung unternommen werden, ist sie verpflichtet, die ausstehenden Konzessionsgebühren an den Konzessionsnehmer auszuzahlen – auf einen Schlag. Ein Rechenbeispiel der hvg zeigt, dass es sich hierbei teils um Milliardenbeträge handeln könnte. Während für Geschäfte in Ortschaften bis zu 2.000 Einwohnern jährlich 100.000 Forint Konzessionsgebühr an den Staat gezahlt werden müssen, kann dies in Budapest und in den Komitatshauptstädten mit 240.000 Forint zu Buche schlagen. Die Rechnung ist schnell gemacht: Ein Gewinner hat beispielsweise vier Trafiken in der Hauptstadt gewonnen, zahlt dafür also 960.000 Forint jährlich. Sollte die Regierung Orbán im kommenden Jahr abgewählt werden und die Nachfolgeregierung sich daran machen und die Konzessionsvergabe neu aufrollen, wären allein für diesen Betreiber 18 Milliarden Forint Entschädigung fällig.
Kritiker des im Volksmund als „Trafikmutyi“ (Trafikgemauschel) bezeichneten Vergabeverfahrens bemängeln, dass die Regierung nicht nur ihre eigenen Leute bei der Vergabe der Konzessionen bevorzugt, sondern sie auf lange Sicht auch noch rechtlich abgesichert hätte. Auch die Begründung für eine etwaige Entschädigung halten Kritiker für mehr als scheinheilig. So heißt es im Vertrag, die Zahlung sei bei der frühzeitigen Auflösung des Vertrags nötig, da der Konzessionsgewinner in die Trafikgeschäfte investieren müsste, um den rechtlichen Anforderungen zu genügen. Schon jetzt hat Péter Juhász, Vize-Vorsitzender der Partei “Gemeinsam-Dialog für Ungarn” gegen Unbekannt wegen Veruntreuung Anzeige erstattet. Laut Juhász betragen die Investitionen pro Geschäft kaum mehr als 500.000 Forint, die Begründung im Vertrag sei demnach haltlos. Es bleibt abzuwarten, ob das Gericht seiner Argumentation folgen wird.