Rio de Janeiro, Lissabon, Berlin, Buenos Aires und nun Budapest: Karin Schmitz ist eine Weltenbummlerin. Die gebürtige Brasilianerin lebte selten mehr als fünf Jahre im gleichen Land. Vor einem Jahr eröffnete die 31-Jährige mit ihrem Vater das brasilianische Restaurant der ungarischen Hauptstadt.
Wenn die Glöckchen am Tamburin scheppern, die Hände der Musiker auf die Trommeln prasseln und das Cavaquinho zupfen, dann vibriert der Andrássy út rund um das „Casabrasil“ und Karin Schmitz‘ Idee ist Wirklichkeit geworden. Verrückt klingt es schon: Mitten auf der Prachtstraße Budapests veranstaltet sie in ihrem Restaurant im September den traditionellen Rundtanz „Samba de Roda“. Eben hier eröffnete sie vor einem halben Jahr gemeinsam mit ihrem Vater die brasilianische Bar und Churrascaria. „Mich verschlägt es in Städte, die im Wandel sind. Genau deshalb sind wir auch in Budapest. Hier gibt es so viele Möglichkeiten, etwas Neues zu schaffen.“
Dazu ist der Lebenslauf der 31-Jährigen schon beeindruckend: Sie wuchs in Rio de Janeiro auf, zog mit ihrem Vater, einem Gastronom, mit fünf Jahren nach Portugal. Mit 18 begann sie dann in Berlin ihr Modedesign-Studium, arbeitete zwischenzeitlich in Florenz und Genf und sammelte in Buenos Aires erste Erfahrungen in der Hotelbranche. Erst seit einem Jahr lebt sie mit ihrem dreijährigen Sohn und ihrem isländischen Mann, den sie nicht zwischen Geysiren, sondern in Lissabon kennen und lieben gelernt hat, in Ungarn.
Die Idee für das Restaurant hatte Schmitz schon seit einer Weile im Kopf. Die Freundschaft ihres Vaters mit dem brasilianischen Botschafter in Ungarn brachte dann die Entscheidung, das erste Restaurant mit Copa Capabana-Feeling in Budapest zu eröffnen. Ein paar Monate später im Casabrasil:. Hier zeigt die schmale Frau mit den dunklen Augen zu ihrer Rechten:. „Das hier ist von Judith Klein, einer brasilianischen Künstlerin, die in Ungarn lebt.“ Ihre Arme deuten auf Wandinstallationen aus mehreren wurzelartigen Ästen, die mit runden Bällchen verzahnt und eigens für ihr Restaurant angefertigt sind. „Inspiriert wurde das Ganze von Maniok-Wurzeln aus Brasilien“, erläutert Schmitz.
Denn mit ihrem Restaurant will die junge Frau auch ein Stück zur brasilianischen Kultur in Ungarn beitragen. „Natürlich gibt es aber auch schon einige kleine Events wie z.B. Spiele-Nachmittage für Kinder von Brasilianern und Portugiesen oder eine brasilianische Woche.” Tatsächlich besuchen zahlreiche Brasilianer ihr Restaurant. „Ich freue mich sehr, dass im September 400 bis 500 neue Brasilianer in die Stadt kommen, die für ein Wissenschaftsprojekt ein Jahr lang hier forschen.” Der Grund für die hohe Akzeptanz bei ihren Landsleuten liegt auf der Hand: Die meisten der Zutaten für traditionelle brasilianische Kost seien in Ungarn einfach nicht zu bekommen. „In vielen brasilianischen Restaurants in Europa ist die Küche deshalb sehr europäisch.”
Für Schmitz ist die Authentizität bei Zutaten und Gerichten jedoch besonders wichtig. So können etwa die Gäste beim traditionellen Rod izio zwischen 10 bis 12 Fleischsorten wählen, die ihnen die brasilianischen Köche am Tisch von einem großen Fleischspieß absäbeln. Dazu reichen sie warme Käsebällchen, Salat mit Stücken von eingelegtem Palmenmark und schwarze Bohnensuppe, die aus der Tasse getrunken wird. „Das Rodizio stammt aus der Küche Südbrasiliens, aus der Küche der Cowboys, die einst mit ihren Rinderherden Feuer machten und weit ab jeglicher Zivilisation ihr Fleisch grillten”. Daher auch der der Name „Churrascaria“, der so viel bedeutet wie „Grillhaus“. Das Fleisch importiert Schmitz, wie viele andere Zutaten auch, aus Lateinamerika.
Schmitz fühlt sich in Budapest sehr wohl: „Ich mag die Menschen hier, die meisten sind super entspannt und sehr offen.“ Budapest ist auch der der erste Ort für sie und ihren Mann, mit dem sie keine gemeinsame Sprache verbindet – eine bewusste Entscheidung. Zurzeit werden die Räumlichkeiten und das Programm des „Casabrasil“ noch weiter verfeinert. „Wir arbeiten gerade an einer neuen Speisekarte und probieren uns an hauseigenen Cocktails.“ Mit ihren Mitarbeitern sitzt sie auch schon mal abends gemeinsam in dem sonst menschenleeren Restaurant und probiert ihre neuen Kreationen aus. „Der Chico Bento mit Gin und Guavensaft ist im Moment mein Liebling“.
Für den brasilianischen Unabhängigkeitstag am 7. September steht der Plan schon: Neben der Lesung einer brasilianischen Professorin wird auch eine große Party mit Live-Musik stattfinden. Und zu Bossa Nova-Klängen wird auch in Zukunft im „Casabrasil“ gegessen, getrunken und getanzt, als wäre der Zuckerhut an die Donau gewandert.