Seit anderthalb Jahren wird das 127 Jahre alte Corinthia Hotel Budapest von Thomas M. Fischer geleitet. Wir unterhielten uns mit ihm über die Marktposition seines Hotels, dessen Perspektiven, aber auch seine Motive, den jüngsten Mieter im Hotel, die Redaktion von Budapester Zeitung und The Budapest Times, zu generösen Miet-Bedingungen willkommen zu heißen.
Wie verlief das erste Halbjahr für Ihr Hotel?
Wir können uns nicht beklagen, wir hatten einen ordentlichen Umsatzzuwachs in Höhe von etwa 7-8 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode. Daneben konnten wir sowohl unsere Belegungsrate als auch unsere durchschnittlichen Einnahmen je Gästenacht verbessern.
Wie erklären Sie sich diese positive Entwicklung?
Zum einen mit unserer weiteren Profilstärkung im Privatkunden-Bereich, die unter anderem durch die Malév-Pleite notwendig wurde. Parallel dazu hat nun aber auch wieder der Firmenkunden-Bereich angezogen. Schließlich hatten wir noch einen Sondereffekt, nämlich das Donau-Hochwasser beziehungsweise die damit einhergehende Lahmlegung des Schiffsverkehrs, die zu einer gestiegenen Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten im gehobenen Hotelsegment führte. Hier kam uns zugute, dass wir über sehr gute Kooperationen zu den Kreuzfahrt-Unternehmen verfügen. Generell hilft aber allen Hotels, dass Budapest nicht nur eine unglaublich attraktive Stadt ist, sondern auch über ein in ganz Europa unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis verfügt.
Und das derzeitige Ungarn-Bild im Ausland?
Das ist leider im Ausland immer wieder ein Thema. Ich war erst vor kurzem in Deutschland, England und der Schweiz auf Geschäftsreisen unterwegs. Bei allen Verhandlungen spielte auch das derzeitige Ungarn-Bild eine Rolle. Das macht es sicher nicht einfacher, Ungarn zu verkaufen. Ohne etwas beschönigen zu wollen, bin ich immer wieder gezwungen, klarzustellen, dass vieles, was in den westlichen Medien über Ungarn geschrieben wird, nicht ganz der Realität entspricht. Teilweise falsche Vorstellungen herrschen aber auch in anderer Hinsicht, etwa was die Kaufkraft betrifft. Die großen Hotels im Premium-Segment haben hier Durchschnittsraten von 100-120 Euro pro Nacht und dann ist, anders als in London oder Paris, Schluss.
Worauf führen Sie zurück, dass sich die Zahl der Buchungen im Business-Bereich langsam wieder erholt?
Viele Fluglinien entdecken Budapest wieder für sich, wobei die eigentlichen Profiteure davon nicht so sehr die Fünf-Sterne-Häuser sind, sondern die der niedrigeren Kategorien.
Dennoch fällt auch für uns natürlich etwas ab. Auch das allgemeine Geschäftsklima ist hierzulande ein wenig besser geworden. Insgesamt sind unsere guten Zahlen aber auch ein Indiz dafür, dass wir einfach ordentlich gearbeitet haben.
Was unterscheidet Ihr Hotel von den Wettbewerbern?
Wir sind mit Sicherheit das Hotel in unserem Segment mit der größten Geschichte, sie reicht bei uns bis ins Jahr 1896 zurück. Viele Kunden entscheiden sich gerade deswegen für uns. Wir sind ein Grand Hotel mit Historie, aber einer absolut wettbewerbsfähigen modernen Inneneinrichtung. Diese Kombination wird sehr geschätzt. Wir bieten sogar – auch für externe Gäste – Führungen durch unser Haus an, wobei unter anderem auch ein kleines Hotel-Museum betrachtet werden kann, das wir aus Anlass unseres zehnten Jubiläums der Wiedereröffnung in diesem Jahr zusammengestellt haben. Ein weiteres großes Plus unseres Hauses ist unsere Komplexität.
Inwiefern?
Wir sind das „kompletteste“ Hotel am Markt: Es gibt kein vergleichbares Haus, das so viele verschiedene Zimmer und sonstige Möglichkeiten bietet. Mit unserem breiten Angebot an Konferenz- und Meeting-Räumlichkeiten setzen wir Maßstäbe, darunter ganz sicher mit dem wohl schönsten Ballsaal der Stadt. Solche hohen Ballsäle, unser ist elf Meter hoch, findet man in ganz Europa nur noch selten. Ein weiteres Highlight ist unser wunderschönes Hallenbad im Spa-Bereich, das sogar aus dem Jahr 1886 stammt, also noch älter ist als das Hotel und uns auch mit seiner Größe ebenfalls einmalig macht in unserem Segment. Außerdem können wir unseren Gästen unter unserem Dach sechs verschiedene gastronomische Angebote machen. Auch das ist einzigartig.
Mit all dem gleichen Sie den fehlenden Donau-Blick sicher mehr als aus.
Auf jeden Fall. Wobei man aber darüber diskutieren kann, ob wirklich die Donau das Stadtzentrum darstellt oder nicht eher die Andrássy út. Es gibt kein anderes Fünf-Stern-Hotel, das so dicht zu dieser Verkehrsader und insbesondere zu solchen kulturellen Einrichtungen wie der Budapester Oper und dem Operetten-Theater liegt. Die im Oktober wiedereröffnende Franz-Liszt-Musikakademie befindet sich so nah zu uns, dass man in den Konzertpausen theoretisch bei uns einen Sekt trinken könnte. In nur wenigen Minuten erreicht man von uns aus auch das jüdische Viertel mit seinen berühmten sogenannten Ruin Pubs, aber auch einer der größten Synagogen Europas. Es ist aber natürlich keinesfalls so, dass wir uns auf all diesen Gegebenheiten ausruhen würden, wir sind auch permanent dabei, unser Hotel weiterzuentwickeln und unsere Angebote zu verbessern.
Was genau haben Sie in nächster Zeit vor?
Wir wollen etwa unsere gastronomischen Angebote weiter ausbauen und ebenso unseren schon jetzt gut funktionierenden Eventbereich weiterentwickeln, insbesondere in Sachen Technik, unter anderem, indem wir moderne, über Smartphones und Tablet-Computer mögliche Lösungen anbieten. Solche Lösungen sollen bei uns generell mehr zum Einsatz kommen. Mein großes Vorbild sind hier die Apple Stores und Flughäfen. Hier gibt es viele Lösungen, die durchaus auch bei uns im Hotelbereich übernommen werden könnten, etwa auch beim Einchecken oder bei Konferenzen. Warum soll es nicht auch möglich sein, nach der Analogie von Flughäfen sein Smartphone beziehungsweise einen darauf gespeicherten QSR-Code als Zimmerschlüssel zu nutzen? Hier sehe ich noch viel Entwicklungspotenzial und damit weitere Möglichkeiten, uns von unseren Wettbewerbern abzusetzen. Ich will nicht ein Hotel haben, das genauso ist wie alle anderen. Man muss vorausdenken. Und dazu gehört auch, sich gelungene Lösungen aus anderen Bereichen abzuschauen und bei sich zu implementieren, aber auch generell eine gewisse Offenheit und Experimentierfreude an den Tag zu legen.
Haben Sie überhaupt so viele Freiheitsgrade, um hier eigene Wege gehen zu können?
Auch wir haben natürlich unsere zu Firmenrichtlinien. Aber wir sind eine familiengeführte Firma mit neun Häusern und dementsprechend in vielen Bereichen wesentlich schneller und flexibler als ein Mega-Konzern mit mehreren Tausend Hotels. Im nächsten Jahr kommt übrigens unser zehntes Haus in Taormina auf Sizilien dazu. An weiteren Projekten arbeiten wir in europäischen Metropolen, aber auch New York, in Afrika und in Rio. Ein entscheidender Unterschied bei uns ist auch, dass sich alle unsere Häuser in unserem Eigentum befinden. Wir sind also keine reine Managementgesellschaft wie fast alle anderen großen Hotelketten. In unseren Hotels befindet sich unser Kapital. Das wirkt sich natürlich auch auf unser Alltagsgeschäft aus. Als Generaldirektoren wird von uns verlangt, dass wir unser jeweiliges Hotel wie eine eigene Firma führen. Wer nicht unternehmerisch denkt und nur darauf wartet, was die Zentrale vorgibt, ist bei uns fehl am Platz. Das ist ein großer Unterschied zu den vielen großen Ketten und verlangt einen speziellen Managertyp. Natürlich gibt es bei uns entsprechende Corporate Guidelines, aber eben auch viele Freiräume. Ganz wichtig ist übrigens eine sehr gute Kommunikation zwischen den Führungsspitzen unserer neun Häuser. So ist es möglich, dass gute Lösungen rasch in anderen Hotels übernommen werden. Dieses ständige Experimentieren und Weiterentwickeln macht einen großen Reiz meiner Arbeit aus.
Stellt es bei solchen Themen kein Problem dar, in einem so geschichtsträchtigen Haus zu wirken?
Ganz im Gegenteil: Unsere große Vergangenheit ist Verpflichtung für die Gegenwart und Zukunft. Unser Hotel setzte vor über hundert Jahren Maßstäbe im Budapester Premiumbereich, das soll auch weiterhin so bleiben. Es geht darum, das Erreichte der Vergangenheit behutsam mitzunehmen, bei Wahrung der Substanz den heutigen Ansprüchen gerecht zu werden und somit ins 21. Jahrhundert zu transferieren, also Tradition und Moderne zu verknüpfen. Wir müssen natürlich wissen, wo wir hinwollen, dabei sollten wir aber auch nicht vergessen, wo wir herkommen.
Seit wann sind Sie hier Generaldirektor?
Seit anderthalb Jahren. Die Zeit ist unglaublich schnell vergangen. Ich habe keinen Zeitvertrag. Solange unsere Besitzer zufrieden sind mit dem, was wir hier tun, sehe ich keinen Grund, Budapest den Rücken zu kehren. Mein Vorgänger war sechs Jahre hier. Einen ähnlichen Zeithorizont kann ich mir ebenfalls vorstellen.
Für viele Kollegen hieße es jetzt schon wieder, langsam zu packen!
Das macht in meinen Augen keinen Sinn. Aufenthalte von unter vier-fünf Jahren halte ich nicht für sehr sinnvoll. Damit gehe ich zum Glück konform mit unserer sehr langfristig angelegten Firmenphilosophie.
Sie gehen in Ihrer Aufgabe sogar so weit auf, dass Sie hier wohnen.
Das ist nicht ganz korrekt. Ich wohne nicht hier im Hotel – das ist ein ganz entscheidender Punkt. In einem separaten Gebäude haben wir auch noch 26 Residenzen, die wir managen. Dort wohne ich momentan. Diese beiden Gebäude sind zwar miteinander verbunden, de facto gehe ich aber abends genauso wie jeder andere von der Arbeit nach Hause. Aber wahrscheinlich wird das nicht auf immer und ewig so bleiben. Ich habe nicht vor, so wie mein Vorgänger die komplette Zeit über hier zu wohnen. Aber für den Anfang ist das natürlich perfekt, es wird einem alles abgenommen, worum man sich sonst, wenn man etwa ein Haus in Buda hätte, komplett selber kümmern müsste. Das fängt schon mit der komplizierten Suche an…
Sie wohnen nicht nur ganz in der Nähe Ihres Arbeitsplatzes, sondern auch inmitten eines spannenden Budapester Stadtbezirks. Nutzen Sie dessen vielfältige Angebote?
Durchaus. Ob nun den Dönerstand gleich um die Ecke, den hiesigen Starbucks oder eines der vielen Fine Dining-Lokale, die es hier innerhalb eines Radius von nur wenigen Gehminuten gibt, etwa das Fausto. Es ist beeindruckend, was für eine Fülle an gastronomischen und kulturellen Angeboten es hier gibt. Und es tut sich immer mehr. Immer weitere Straßenabschnitte verwandeln sich in verkehrsberuhigte Zonen, immer neue Lokale entstehen. Die ganze Ecke hier ist top. Es macht Spaß, abends hier auszugehen.
Welche Lokale würden Sie persönlich Ihren Gästen empfehlen?
Also zunächst einmal die im eigenen Haus. Damit, diese durchzukosten, wären sie erst mal eine Zeit lang beschäftigt. (Lacht.)
Und dann?
Dann würde ich ihnen vielleicht als erstes die Restaurant-Szene am Liszt Ferenc tér empfehlen, wo sich etwa zwanzig Bars und Restaurants an einem Fleck befinden, rund herum gruppiert um einen netten kleinen Park, alles wirkt fast schon wie ein großer Innenhof. Sehr toll hat sich auch der ganze untere Abschnitt der Király utca entwickelt. Unbedingt empfehlen kann ich auch einen Besuch in einem Ruin Pub, am besten vielleicht im prominentesten Vertreter, dem Szimpla. Solche Einrichtungen habe ich bisher noch nirgendwo anders außer in Budapest gesehen. Ein Erlebnis ist aber auch der große Markt, der jeden Sonntag im jüdischen Viertel stattfindet.
Was würden Sie in kultureller Hinsicht empfehlen?
Auf jeden Fall die Oper und das Operettentheater. Unbedingt einen Besuch wert ist auch das Madách-Theater, so wie wir direkt an der Großen Ringstraße und nur wenige Gehminuten in Richtung Blaha Lujza tér gelegen: ein ausgezeichnetes Musical-Theater! Ich habe über drei Jahre in London gelebt und dementsprechend im Westend viele Shows gesehen. Aber was hier an Qualität geboten wird, ist besser, und zwar um einiges besser. Die Inszenierungen hier sind absolute Weltklasse, das kann ich nicht anders sagen. Allein schon die Bühnenbilder! Unglaublich! All das hätte ich nicht erwartet. Zumal das Madách-Theater von außen nicht gerade pompös aussieht. Wirklich Respekt!
Sie erwecken den Eindruck, als würden Sie abends regelmäßig Zeit finden, all diese Plätze zu frequentieren.
Mit Sicherheit viel zu wenig. Immerhin aber ausreichend, um mir ein Urteil bilden zu können.
Jetzt hätte ich noch eine Frage in eigener Sache: Sie haben unserer Redaktion großzügige, ja geradezu unschlagbare Miet-Bedingungen gewährt. Warum? Was ist Ihr Kalkül?
So wie wir sind auch die Budapester Zeitung beziehungsweise The Budapest Times starke Marken mit einer sehr interessanten, exklusiven Klientel. Zwischen unseren Zielgruppen gibt es große Überlappungen. Davon, dass die Redaktion der beiden Zeitungen jetzt bei uns eingezogen ist, erhoffe ich mir sowohl direkte als auch indirekte positive Auswirkungen auf unser Geschäft. Außerdem gehe ich davon aus, dass es in Sachen Publicity, ich denke hier speziell an die Berichterstattung über Hotelereignisse, natürlich nicht von Nachteil ist, diese beiden geschätzten Zeitungen der Expat-Community im Haus zu haben. Oder gehe ich hier fehl in der Annahme?
Es heißt: Aus den Augen aus dem Sinn, ich denke mal, auch das Gegenteil ist wohl der Fall. Insofern trifft Ihre Annahme sicher voll zu…
Hinter unserer besonderen Gastfreundschaft verbirgt sich aber noch mehr. Medien haben es heutzutage trotz ihrer Wichtigkeit nicht leicht. Ich weiß, dass auch die Budapester Zeitung und The Budapest Times alles andere als in Geld schwimmen und ihr Überleben sehr stark von der Solidarität der deutsch- und englischsprachigen Expat-Community abhängt. Da ich es sehr wichtig finde, dass es beide Zeitungen als festen Bestandteil der hiesigen fremdsprachigen Infrastruktur, aber auch der ungarischen Presselandschaft insgesamt weiterhin gibt, war ich gerne bereit, mit meinem Hotel einen entsprechenden Beitrag für den Fortbestand dieser Zeitungen zu leisten. Wenn die Community weiterhin in den Genuss von quasi eigenen Zeitungen kommen möchte, müssen sich deren Exponenten im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten entsprechend engagieren. Verantwortung für unser Gastland und dessen Einrichtungen zu übernehmen ist übrigens generell ein Teil unserer Geschäftsphilosophie. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir etwa auch die Arbeit der Stiftung Csodalámpa (dt.: Wunderlampe), die sich um schwer kranke Kinder kümmert. Nachhaltig wirtschaften heißt für mich und unsere Gruppe auch, über den eigenen geschäftlichen Tellerrand zu schauen und uns auch bei gesellschaftlich wichtigen anderen Themen zu engagieren.