
Der ehemalige Takarékbank-CEO Péter Csicsáky wählte als Form
des Protestes den Rücktritt, Sándor Demján die des offenen Briefes.
Das Parlament hat sich über alle Bedenken hinweggesetzt, als es letzten Freitag zum zweiten Mal das neue Sparkassengesetz verabschiedete. Die ursprünglich vom Sektor gewünschte Integration wird den Kritikern folgend zur Existenzfalle für die Teilnehmer des Systems. Die Regierung ist überzeugt davon, dass man nur die Schwachpunkte des Sektors ausmerze.
Wenn dieser Rechtsstreit vor europäischen Foren landen sollte, wird sich Ministerpräsident Viktor Orbán nicht länger der bewährten Rhetorik bedienen können, die internationale Linke führe ihren Feldzug gegen das freie Ungarn. Er hat sich nämlich mit einem der einflussreichsten Männer des Landes angelegt, mit Sándor Demján, der als Bankier und Immobilienentwickler zu Milliardenreichtum gelangte und als knallharter Lobbyist für das Unternehmertun gilt. Demján hätte nicht im Traum daran gedacht, dass sein Lebenswerk ausgerechnet von der im Namen bürgerlich-konservativen Regierung zerschlagen wird. Oder besser gesagt ausgehöhlt, denn während die Sozialisten dem Sparkassensektor mittels Privatisierung des Spitzeninstituts eine „entfremdete“ Takarékbank vorsetzten, will die Orbán-Mannschaft mit dem Trojaner MFB ganz offenbar Geschäftskreise an die Schalthebel lassen, die sich im Moment noch vollkommen bedeckt halten.
Die staatliche Entwicklungsbank MFB hatte den deutschen strategischen Investor DZ Bank erst im Vorjahr ausgezahlt und mit knapp 40 Prozent der Geschäftsanteile an der Takarékbank einen Fuß in die Tür des rund 2.000 Mrd. Forint großen Sparkassensektors gesetzt. Dabei hatten die kleinen Sparkassen, allen voran die Mitglieder im Landesverband der Spargenossenschaften, OTSZ, (dessen Präsident Demján ist), der heute rund 80 Prozent des Sektors konzentriert, Jahr für Jahr ihre Positionen gestärkt, um die Eigenständigkeit zu bewahren.
Heute zählt der Sparkassensektor landesweit mehr als 1.400 Filialen, hinter denen ein Eigenkapital von 120 Mrd. Forint steht. Nach der Bilanzsumme halten die Sparkassen nur etwa 5 Prozent am gesamten Bankenmarkt, doch während die Handelsbanken selbst nach der heftigen Bereinigung ihres Kreditportfolios seit Ausbruch der Krise immer noch 120 Forint Ausleihungen auf 100 Forint Einlagen in ihren Büchern zu stehen haben, sind es bei den betont vorsichtig agierenden Sparkassen nur 50 Forint Kredit je 100 Forint Einlagen. In der heutigen angespannten Makrolage klingt besonders attraktiv, dass die Sparkassen ein Zehntel des privaten ungarischen Sparvermögens kontrollieren – im Gegensatz zu den ausgelutschten Banken verfügen sie also über aktivierbare Guthaben.
Soll der Sektor aber nun für die schwarzen Schafe leiden? Der vor einem halben Jahr berufene Regierungsbeauftragte Tamás Vojnits gab als Hauptproblem an, der Sparkassensektor könne das Geld seiner Mitglieder und der Anleger nicht effizient schützen. Tatsächlich hatten dessen Einlagenschutzfonds bei den Pleiten der Sparkassen Jógazda und Soltvadkert versagt, weshalb der Staat einspringen musste. Dieses schlagenden Argumentes (immerhin ging es um 40 Mrd. Forint) behalf sich denn auch der Premier in seinem Offenen Brief an den „guten Freund“ Sándor Demján, in dem er den einflussreichen OTSZ-Chef höflich bat, bei der Stärkung des Sparkassensektors auch künftig auf seine Zusammenarbeit rechnen zu dürfen. Warum aber sollte Demján plötzlich auf Konfrontation aus sein?
Die Erklärung gibt ein „Verhandlungs“-Stil des Regierungsbeauftragten, der einem nach drei Jahren Orbán-Regierung leider nicht mehr unbekannt ist. Es stimme einfach nicht – auch wenn Orbán genau das frank und frei behauptet –, dass man das neue Gesetz über Monate hinweg in laufenden Konsultationen mit den Betroffenen abgestimmt habe, insistiert Demján in seiner ebenso offen präsentierten Antwort an Premier Orbán. Ebenso wenig richtig sei weiterhin, dass der Sektor als Ganzes der staatlichen Hilfe bedürfe. Die Mitglieder des OTSZ gelten laut Finanzaufsicht übrigens als absolut stabil.
In Wahrheit wurden die Mitglieder des OTSZ am 24. Juni zu einer ersten fachlichen Konsultation eingeladen, auf der sie der Regierungsbeauftragte für den Sektor, Tamás Vojnits, – wie sich erst noch herausstellen sollte – mit einem fertigen Strategiepapier der Regierung zum Umbau des Sparkassensektors konfrontierte. Obgleich der OTSZ die Vorlage in zahlreichen Punkten kritisierte, reichte die Regierung bereits am 25. Juni den Gesetzentwurf ein, den das Parlament am 27. Juni verabschiedete. Auf das Veto von Staatspräsident János Áder, der unter anderem den mangelnden Schutz des Privateigentums monierte, reagierte die für den Entwurf zeichnende Entwicklungsministerin Frau Németh mit den üblichen banalen Korrekturen. Das laut Orbán „unter Berücksichtigung der angehörten Kritiken überarbeitete“ Gesetz wurde dann am 5. Juli zum zweiten Mal im Parlament durchgewinkt. „Das Eigentum löst den Eigentümer ab“, merkte Sándor Demján sarkastisch an, denn es schaut ganz danach aus, dass die Takarékbank die Sparkassen „integrieren“ und ihre Aktiva aufsaugen wird. Der Staat zahlte zunächst für einige wenige Milliarden den deutschen Investor am Spitzeninstitut aus, was für knapp 40 Prozent der Anteile reichte, und wirft nun 100 Mrd. Forint Kapitalerhöhung ins Rennen, mit denen die kleinen Sparkassen zu Untermietern im eigenen Hause werden.
Es gibt zwar noch Leute, die wie Staatspräsident János Áder einwerfen, es sei nicht rechtens, Privateigentum zu enteignen und solche, die deshalb sogar zurücktreten, wie es Takarékbank-Chef Péter Csicsáky soeben getsan hatte. Für Zweifler hat die Regierung den Brandfall im Nachbarhaus parat, denn wäre sie dort nicht zum Löscheinsatz ausgerückt, stünde auch dieses nette Haus hier längst nicht mehr.