Abseits der aktuellen Kreditprobleme der Banken in der Heimat scheinen sich chinesische Händler in Ungarn wohl zu fühlen: Im Asia Center Budapest wurde erst vergangene Woche das Fujian Brand Trade Center eingeweiht, dass 200 chinesischen Firmen Platz bietet, und mit einem Forum, das unter Beteiligung von Vertretern verschiedener Institutionen der CEE-Region stattfand, die 6. China Brands-Ausstellung eröffnet (die Budapester Zeitung berichtete). Aus diesen Anlässen sprachen wir mit Rudolf Riedl, der als Geschäftsführer des Handelszentrums voller Herzblut die Geschäftsbeziehungen zwischen Ungarn und China vorantreibt.
Welche Position hat China im aktuellen Ostöffnungsprogramm der ungarischen Wirtschaftspolitik?
China ist ein traditionell wichtiger Handelspartner Ungarns, zunächst gilt es erst einmal festzuhalten, dass das Ostöffnungsprogramm kein neues Programm ist, es wurde bereits unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Péter Medgyessy [2002-2004 im Amt; Anm.] ins Leben gerufen. China wurde seitdem strategischer Partner von jeder ungarischen Regierung – obwohl Viktor Orbán selbst früher noch gegen China protestiert hatte. Ungarn hat zudem in der Region eine Brückenfunktion für chinesische Unternehmen inne, gleichzeitig schauen auch ungarische Firmen vermehrt Richtung China. Der in den Medien heiß diskutierte, mit einer Staatsbürgerschaft verbundene Verkauf von ungarischen Staatsanleihen an Chinesen ist eigentlich nur ein Nebenthema, denn nicht nur für sie ist der Erwerb möglich. Trotzdem ist es für sie eine attraktive Möglichkeit, die europäische Region zu betreten. Die meisten der hier lebenden Chinesen sind aber bereits lange ungarische Staatsbürger. Man darf also diesbezüglich nicht gerade von einer Gefahr durch eine chinesische Einwanderungswelle sprechen.
Wie sehen die Chinesen den Handelspartner Ungarn? Und können Sie etwas zur aktuellen ungarischen Strategie in Sachen Handel mit China sagen?
Was die im Ausland lebenden Chinesen angeht, ist Ungarn die größte „Kolonie“ in Zentralmitteleuropa. Die hier Lebenden sind schon fast eher Ungarn als Chinesen, so gut sind sie bereits integriert. Die neu Ankommenden suchen neue Märkte und finden hier viele Möglichkeiten vor. Ich empfehle ihnen immer, statt ein namenloser Hersteller zu sein, wie sie das von China aus im Export gewohnt waren, eher zu einem Markenhersteller in Europa und den USA zu werden, weil das in der westlichen Welt Vertrauen schafft und automatisch zu mehr Umsatz führt. Die chinesische Regierung sieht das übrigens genauso und unterstützt diese Unternehmungen finanziell. Und das muss sie auch tun, denn die Chinesen sind zwar im Allgemeinen nicht so begeistert, ins Ausland zu ziehen, da sie aber auch in ihrer Heimat schon fast Produktionskosten auf europäischem Niveau haben, müssen sie das irgendwann tun. Zum Teil fördert auch die EU solche Unternehmungen, etwa wenn sich jemand in Ostungarn ansiedelt. Der Markenstempel „Made in EU“ kommt so für die Hersteller als Verkaufsargument automatisch hinzu, wenn sie hier produzieren lassen. Ungarn bietet den Chinesen große logistische Vorteile vor den anderen angrenzenden Ländern, etwa in Sachen Verkehrsanbindung liegt es am besten in der gesamten CEE-Region.
Welche Ziele verfolgen Sie in diesem Zusammenhang mit der China Brands-Ausstellung in Ihrem Center?
Die Ausstellung ist Teil der Langzeitstrategie, das Center als das asiatische Handelszentrum der CEE-Region zu etablieren. Wir wollen den Handel zwischen den beiden Regionen stärken, indem wir etwa chinesischen Händlern bei der Ansiedlung in Ungarn helfen. Sie sollen vor Ort sehen, wie der hiesige Markt funktioniert und wie sie mit der Hilfe des Asia Centers in diesen einsteigen können. Es ist die größte Ausstellung ihrer Art in der Region, Budapest ist dieser Hinsicht das CEE-Zentrum, von hier aus können nicht nur 10 Millionen Ungarn, sondern sogar 150 Millionen CEE-Bürger erreicht werden. Zweimal im Jahr findet die Ausstellung statt, einmal Ende Juni/Anfang Juli, und einmal Ende November/Anfang Dezember. Nach ihrer erfolgreichen Präsentation auf der Ausstellung sollen die Händler in einem zweiten Schritt dazu bewegt werden, auch in Ungarn produzieren zu lassen. Der hiesige Markt bietet bereits jetzt viele Möglichkeiten, was Produktion und Arbeitskräfte angeht, und entwickelt sich sogar noch weiter. Ungarn bietet etwa gute sowie günstige Arbeitskräfte und vergleichsweise niedrige Produktionskosten.
Sie übernehmen als privater Geschäftsmann ja schon beinahe die Aufgaben des staatlichen Investitionsförderers HITA.
Es scheint in der Tat so zu sein. Unsere Konzepte sind durchaus ähnlich, aber wir im Asia Center erarbeiten keine allgemeine Ansiedlungspolitik, sondern haben den Zugang direkt von der Wirtschaftsseite her. Wir versuchen chinesische Firmen dazu zu bewegen, sich in Ungarn anzusiedeln. Unsere Aufgabe dabei ist, den Firmen zu zeigen, welche Produkte sie wie verkaufen können und sie beim Marketing sowie Verkauf zu unterstützen. Die Aufgabe von HITA ist es, den Firmen den bestmöglichen Platz in Ungarn zu bieten und alle möglichen Förderungen von staatlicher Seite zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne ergänzen wir uns mit unseren Aktivitäten, da wir unterschiedliche Zugänge zu ein und demselben Ziel haben.
Das Asia Center feierte dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen, wie würden Sie seine bisherige Entwicklung zusammenfassen?
Wir haben mit Mitarbeitern und Kunden im April den Geburtstag gefeiert, im September werden noch weitere Feieraktivitäten folgen. Einerseits bin ich zufrieden, da wir bereits viele unserer strategischen Ziele umsetzen konnten; man muss fast sagen, dass uns dabei die Finanzkrise 2008 „zu Hilfe“ kam: Viele Chinesen haben ihre Chance wahr genommen und den Weg hierher nach Europa, speziell CEE und Ungarn gesucht und gefunden. Dabei war ihnen das Center über all die Jahre ein treuer Partner, sie konnten unsere Infrastruktur und unser Netzwerk nutzen, ansonsten hätten sie das gesamte hiesige Geschäft erst mühsam selbst aufbauen müssen – was für die Chinesen mit ihrer etwas anderen Geschäfts- und Wirtschaftskultur sicherlich mit großen Anfangsschwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Andererseits bin ich unzufrieden, denn wir wollten viele Ziele deutlich früher erreichen. Ich würde mir daher wünschen, dass die ungarische Regierung ein besseres Image für den Wirtschaftsstandort Ungarn schafft. Momentan werden noch zu viele politische Scheingefechte geführt.
Welche Scheingefechte meinen Sie konkret und wie werden Sie dabei beim Erreichen Ihrer Ziele behindert?
Unter dem Begriff der „unorthodoxen Wirtschaftspolitik Ungarns“ wird ein permanenter Schlagabtausch mit der EU auf dem Rücken der Bevölkerung und der ausländischen Investoren ausgetragen. Dabei werden viele Reformen, die ja durchaus notwendig waren und zum Teil auch durchgeführt worden sind, unter den Tisch gekehrt. Auf der anderen Seite will jeder Investor, egal aus welchem Land er kommt, ein für ihn berechenbares wirtschaftliches und rechtliches Umfeld haben. Auch diese Firmen müssen ihren Umsatz machen, was aber sehr schwer ist, wenn während des Jahres die Rahmenbedingungen laufend verändert werden.
In einem Interview mit uns im März 2008 hatten Sie gesagt, dass Sie sich eigentlich spätestens 2012 aus dem Management des Asia Centers zurückziehen und dieses in asiatische Hände geben wollen. Nun sind Sie immer noch hier aktiv – können Sie nicht von „Ihrem Baby“ lassen?
Das Asia Center ist eines unter meinen vielen Projekten, ich könnte gerne weniger Zeit hier verbringen (lacht). Es gibt aber genügend Aufgaben, die ich nach wie vor persönlich übernehmen muss, ich kann etwa nicht einfach kurzfristig die persönlichen Kontakte in China an jemand anderes delegieren, das würde vermutlich zu Unannehmlichkeiten führen. Ich werde aber die Führung irgendwann vorrausichtlich keinem Asiaten, sondern an mein Team übertragen, wenn es soweit ist. Ich würde mir wünschen, dass die hiesigen asiatischen Firmen ruhig aktiver am Geschäft und der Geschäftsentwicklung teilnehmen und auf dem europäischen Markt aktiver sind; ein Verkäufer muss hier schließlich seine Ware dem Kunden anbieten, nicht der Kunde dem Verkäufer für dessen Ware hinterher laufen. Das ist etwa einer der Unterschiede zwischen China und Europa. Ich muss dies und vieles mehr an unsere Kunden herantragen und gleichzeitig zwischen den 12 Nationen, die hier unter einem Dach sind, vermitteln. Meine große Auslandserfahrung hilft mir dabei, Konflikte zwischen den Volksgruppen zu vermeiden und gleichzeitig auf deren regionale Spezialität ein zu gehen. Und darauf bin ich stolz. Man muss sich einer solchen Aufgabe widmen.
Sie sagten in dem Interview auch, dass Sie sich den Schulterschluss zwischen den politischen Lagern Ungarns wünschen würden und dass Ungarn auch ruhig Bewährtes von anderen übernehmen könne, anstatt hartnäckig immer seinen eigenen Weg zu gehen. Wie stehen Sie heute zu diesen Aussagen?
Die Gräben zwischen den politischen Lagern sind leider nicht kleiner geworden, den Schulterschluss wünsche ich mir daher heute im Interesse aller immer noch. Es gibt meiner Meinung nach wahrlich für fast jedes Problem auf der Welt bereits ein Land mit einer bewährten Lösung, doch in jedem Fall eine eigene Lösung finden zu wollen scheint zur ungarischen Mentalität zu gehören. Als Geschäftsmann würde ein solches Verhalten über kurz oder lang zum Konkurs führen, dort ist ein diesbezügliches Verhalten nicht zu gebrauchen.
Sie dachten 2008 auch, dass eine weitere Besteuerung der hier ansässigen Unternehmen nicht mehr möglich sei, was sagen Sie angesichts der seitdem eingeführten Sondersteuern, wie sehr sind Sie geschäftlich davon betroffen?
Ich bin durchaus von den Sonderabgaben betroffen. Diese Strategie der ungarischen Regierung kann nicht funktionieren, denn je mehr Steuern eingeführt werden, umso mehr Menschen versuchen, diese zu umgehen; je mehr wirtschaftlich hemmende Schranken aufgebaut werden, umso mehr Sonderwege, etwa auch übers Ausland, werden gesucht und gefunden. Die gesamte Wirtschaft leidet unter einer solchen Strategie, die auch ein Nebeneffekt der Flat-Tax zu sein scheint, da sie die geringeren Steuereinnahmen bei höheren Gehältern kompensieren muss. Dieser Weg der Regierung, immer mehr und höhere Steuern zu erfinden, ist nicht der richtige, der ungarische Staat müsste stattdessen effizient strukturiert werden und seinen Steuerzahlern etwas für die Abgaben bieten. Man muss für gute Beispiele auch nicht erst nach Asien schauen, in Europa gibt es genug davon, unter anderem Deutschland oder Österreich, wo es für die durchaus hohen gezahlten Steuern einen guten Gegenwert, etwa in Form von guter Infrastruktur, guten Bildungsmöglichkeiten und einem guten sozialen Netz gibt. Als Investitionsstandort hat Ungarn derzeit trotz alledem sehr gute Rahmenbedingungen. Auch belegt Budapest in Sachen Lebensqualität im internationalen Ranking immer eine der vordersten Stellen. Ich kann daher Ungarn als Investitionsstandort für chinesische Unternehmen trotz meiner Kritik nur empfehlen.