Banker zu sein in Ungarn ist spätestens seit dem Regierungswechsel 2010 mit enormen Herausforderungen und fast chronischen Stresstests seitens der Regierung verbunden. Zuweilen gibt es für die Branche aber auch Lichtblicke, einer ist das seit Anfang Juni laufende Wachstumskreditprogramm der Ungarischen Nationalbank (MNB), das wir zum Anlass nahmen, um mit Peter Szenkurök, dem Leiter der ungarischen Niederlassung der Oberbank AG, darüber, aber auch über andere Dinge der ungarischen Bankenwelt zu sprechen.
Fangen wir zunächst mit den positiven Dingen an, sprechen wir über das Wachstumskreditprogramm! Bitte erklären Sie unseren Lesern kurz das Wesentliche dieses Programms!
Vereinfacht formuliert geht es um Folgendes: Die ungarische Nationalbank versorgt die teilnehmenden Geschäftsbanken mit einer Forint-Refinanzierung zum Nulltarif. Diese Banken übernehmen damit wiederum die Verpflichtung, die Refinanzierungsmittel zu maximal 2,5 Prozent Zinsen an ihre Firmenkunden weiterzugeben. Die Nationalbank möchte damit das Firmenfinanzierungsgeschäft in Ungarn beleben.
Gibt es internationale Vorbilder dafür?
Es sieht so aus, als ob man sich an einer ehemaligen Maßnahme der Bank of England, nämlich deren sogenannten funding for lending scheme zumindest teilweise orientiert hat.
An wen richtet sich das Programm?
An kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Laut EU-Definition sind das Unternehmen, welche bestimmte Grenzwerte (250 Mitarbeiter, 50 Million Euro Umsatz und 43 Million Euro Bilanzsumme) nicht überschreiten.
Bei der Veranstaltung des Deutschen Wirtschaftsclubs (DWC) mit Notenbankpräsident György Matolcsy bezeichneten Sie dessen Wachstumskreditprogramm als „großen Wurf“, der die Wirtschaft voranbringen könne. Warum sind Sie dieser Meinung? Welches Potenzial in Sachen Investitionsförderung und Schaffung von Arbeitsplätzen sehen Sie in dem Programm? Welche realen Auswirkungen aufs Wirtschaftswachstum könnte es haben?
Zunächst einmal gibt dieses Programm Firmen die Möglichkeit, sich günstig auf Forint-Basis zu finanzieren. Nach unserer Beobachtung werden größtenteils bereits bestehende Kreditfinanzierungen umgeschuldet, der zusätzliche finanzielle Spielraum wird also eher weniger für die Tätigung von Neuinvestitionen genutzt. Diese Verwendung hängt nicht zuletzt auch mit den kurzen Fristen der Inanspruchnahme des Programms zusammen. So müssen die Abwicklung und der Abschluss des Kreditvertrags bis spätestens Ende August dieses Jahres erfolgt sein. Mehrheitlich werden also bereits bestehende Finanzierungen in Forint konvertiert, und das zu einem historisch günstigen Zinssatz von höchstens 2,5 Prozent. Damit werden für die Firmen einerseits Wechselkursrisiken eliminiert und damit Investition planbarer und kalkulierbarer gemacht. Andererseits werden durch niedrigere Zinskosten Projekte und Investitionen rentabler. Darüber hinaus bringt das Programm aber auch den Firmenkreditmarkt in Ungarn in Bewegung. Einige Großbanken waren mit der Kreditvergabe in den letzten Jahren offensichtlich sehr zurückhaltend. Für ein Unternehmen mit einer Vorwärtsstrategie ist es jedoch wichtig, einen verlässlichen und starken Bankpartner an seiner Seite zu haben, welcher dessen Projekte und Investitionen proaktiv mit Finanzierungen begleitet. Das kommt insgesamt wiederum der gesamten ungarischen Wirtschaft und damit auch dem Arbeitsmarkt zugute. Welche konkreten Auswirkungen diese Effekte jedoch aufs Wirtschaftswachstum haben werden, ist schwer abzuschätzen. Deshalb möchte ich mich nicht an solchen Spekulationen beteiligen.
Auf der gleichen DWC-Veranstaltung kündigten Sie bereits Mitte Mai an, sich „ambitioniert“ an dem Programm zu beteiligen. Was ist aus dieser Ankündigung geworden?
Wir haben uns nach einer intensiven Prüfungsphase in der Tat ambitioniert, also durchaus substanziell an dem Programm beteiligt. Erfreulicherweise wurden die von der Oberbank Ungarn bei der Ungarischen Nationalbank beantragten Refinanzierungsmittel auch in vollem Umfang bewilligt.
Warum haben Sie sich so stark engagiert? Was erhoffen Sie sich von der Teilnahme?
Ganz einfach. Einerseits geht es hier darum, die Unternehmen in Ungarn zu stärken und zu fördern. Einer solchen Maßnahme darf man sich als Bank nicht verschließen. Die Unterstützung von Unternehmen ist ja schließlich unsere wichtigste Aufgabe. Da wir davon überzeugt sind, dass das Programm etwas Gutes darstellt, wollten wir dessen Möglichkeiten unseren Bestandskunden nicht vorenthalten. Im Zusammenhang mit diesem Programm wurden wir aber auch von zahlreichen potenziellen Neukunden angesprochen.
War es schwer, beim Erwerb von gewissen Kontingenten aus diesem Kreditrahmen gut zum Zug zu kommen? Wie groß war der Andrang?
Meines Wissens waren die geplanten Refinanzierungsmittel um ein Vielfaches „überbeantragt“. Schon allein das spricht für den Erfolg dieser Maßnahme und damit für den Nationalbankpräsidenten, Herrn Dr. Matolcsy. Trotz der enormen Übernachfrage hatte die Oberbank Glück: Ihr wurde das Kontingent in der ursprünglich beantragten Höhe zugesprochen.
Sind alle Bedingungen der Kreditgewährung restlos geklärt oder gibt es noch Fragezeichen? Gibt es noch irgendwelche Unwägbarkeiten, was die Vergabe der Kredite betrifft?
Es gab intensive Gespräche zwischen Vertretern der Ungarischen Nationalbank und den Banken. Es wurde in relativ kurzer Zeit ein effektives Programm erarbeitet. Wir sind mit unseren teilnehmenden Kunden bereits voll mit der Umsetzung beschäftigt. Nach mehreren Besprechungen mit der Nationalbank sowie allgemeinen Klärungen von ihrer Seite gibt es derzeit keine bedeutenden Unwägbarkeiten mehr, was dieses Kreditprogramm betrifft.
Welche Verbesserungen würden Sie sich noch wünschen?
Ich habe bereits erwähnt, dass dieses Programm eher auf die Eliminierung von Wechselkursrisiken und auf günstigere „Refinanzierungen“ von bereits getätigten und finanzierten Investitionen abzielt. Zumindest bei unseren Kunden wird diese Unterstützung in diese Richtung genutzt. Es wäre also eventuell auch noch eine Maßnahme wünschenswert, die hauptsächlich auf Neuinvestitionen abzielt. Dazu wäre dann aber freilich eine längere Laufzeit der Programme notwendig. Gerade mit Blick auf Neuinvestitionen ist sie bisher für viele Unternehmen noch zu kurz.
Wie ist die bisherige Bilanz von Seiten Ihrer Kunden? Wie ist das Interesse?
Das Interesse war und ist enorm. Wir kommen mit der Bearbeitung entsprechender Kundenanfragen kaum nach. Wir haben keine Probleme, die Fördermittel am Markt, also bei unseren Kunden, zu platzieren. Wir sind von dem großen Zuspruch positiv überrascht.
Wie ist generell die Stimmung bei Ihren Kunden?
Es gibt natürlich eine Vielzahl von Meinungen bei unserer Kundschaft. Der Großteil unserer Kundschaft ist aber in der glücklichen Lage, dass sie vorwärts sieht und auch entsprechend agiert. So wie wir das als Oberbank auch tun.
Zu welchen Veränderungen hat die Einführung und kürzliche Erhöhung der Finanztransaktionssteuer bei Ihnen geführt?
Diese Steuer hat uns intern sehr beschäftigt. Es gab unzählige interne Besprechungen, aber auch mit den Kunden. Es wurden mit Kunden jede Menge Briefe gewechselt. Immer wieder mussten wir auf Reklamationen eingehen und bei Kontoabschlüssen zusätzliche Erläuterungen geben. Auch im IT-Bereich, insbesondere durch die vielen notwendig gewordenen Neuprogrammierungen hatte uns die neue Steuer viel Mehrarbeit verursacht. Aber was soll’s, Gesetze müssen halt eingehalten werden!
Wie beurteilen Sie die Leitzinspolitik der Nationalbank?
Ich möchte sie nicht kommentieren. Ich weiß, das wird gelegentlich von Bankenvertretern getan. Es gibt aber andere Experten, insbesondere Makroökonomen, die das besser können und damit auch ihr Geld verdienen.
Wie geht es der Oberbank-Gruppe insgesamt?
Die Oberbank ist in Ungarn, Österreich, Deutschland, Tschechien und der Slowakei mit insgesamt 150 Filialen tätig. Wir konnten den Überschuss vor Steuern im Geschäftsjahr 2012, nach einem schon hervorragenden Vorjahresergebnis, um 5 Prozent auf 132,4 Millionen Euro steigern. Vor allem im mehrjährigen Vergleich zeigt sich deutlich, dass sich die Oberbank-Gruppe wesentlich besser als der Gesamtbankenmarkt entwickelt. Wir hatten in den vergangenen Jahren keine Ergebniseinbrüche zu verzeichnen. Seit 2006, also noch vor Beginn der Finanz-, Banken und Staatsschuldenkrise konnte wir unser Ergebnis vor Steuern kontinuierlich um insgesamt 60 Prozent steigern, während der Gesamtbankenmarkt einen signifikanten Rückgang hinnehmen musste. Auch in Ungarn haben wir uns seit unserem Markteintritt 2007 kontinuierlich nach oben entwickelt und konnten insbesondere unser Kredit- und Einlagenvolumen, aber auch unsere Erträge steigern.
Welche Strategie verfolgt die Oberbank?
Die Oberbank konzentriert sich in erster Linie auf das Firmenkundengeschäft mit KMU. In diesem Segment haben wir unsere Kernkompetenz. Auf Grund unserer hervorragenden Ertragslage sind wir auch sehr gut mit Eigenmitteln und Kernkapital ausgestattet. Mit einer Eigenmittelquote von derzeit 16,81 Prozent erfüllen wir die strengen Anforderungen von Basel III schon jetzt und müssen daher auch nicht unsere Kreditvergabe einschränken, wie das bei manchen Großbanken bereits der Fall ist. Unser Geschäftsmodell beruht auf dem klassischen Bankgeschäft, nachhaltigem Wirtschaften und langjährigen Kundenbeziehungen. Damit sind wir unseren Kunden ein berechenbar, stabiler Finanzpartner mit einem Höchstmaß an Sicherheit.