Ob „Aranycsapat“ („Goldene Mannschaft“) oder„Hat-Három“ („Sechs zu drei“) – jeder Ungar weiß sofort worum es dabei geht: die erfolgreichste ungarische Fußballmannschaft aller Zeiten um Ferenc Puskás und deren glorreicher Sieg gegen England 1953. Symbole einer Zeit, in der Ungarn im internationalen Fußballsport den Ton angab. Aber während das mittlerweile über ein halbes Jahrhundert her ist, räumen heute ungarische Sportler bei einem verwandten Spiel ab: dem Tischfußball. Auch als Hobby wird „Csocsó“- wie Tischfußball in Ungarn genannt wird – immer beliebter.
Der Kapitän des ungarischen Tischfußballnationalteams, Gergely Tálai, bringt die Begeisterung auf den Punkt: „Csocsó ist ein original ungarischer Begriff für Tisch-fußball. Es gibt nur einige Länder – Deutschland, die USA oder Frankreich – die ein eigenes Wort dafür haben und in denen Tischfußball als echter Sport anerkannt wird. Wir sind stolz unter diesen zu sein.“ Und tatsächlich: Dass das kleine Land nicht nur von der Qualität seiner Spieler, sondern auch von der Liebe zum Spiel mit den großen Staaten mithalten kann entdeckt man in Ungarn schnell. In fast keinem ungarischen Pub oder Club fehlt dieses besonderes Accessoire: der Kickertisch.. Ein bisschen Kleingeld in den Tisch geworfen – und die Spiele können beginnen.
Langer Weg zur Beliebtheit
In Ungarn begann der Siegeszug des Csocsó erst vor knapp zehn Jahren. Erfunden wurde Tischfußball allerdings im Westeuropa des späten 19.Jahrhunderts. Wirklich populär wurde Kickern dort allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Gerüchte besagen, dass das Spiel Kriegsveteranen dabei helfen sollte, Hände und Augen wieder besser zu koordinieren.
Von Beginn an orientierte sich das Spielfeld am echten Fußball: Elf Spielfiguren je Team, aufgereiht auf je vier Stangen, darunter ein Torwart und zwei Verteidiger, ein breites Mittelfeld und drei Spieler im Sturm. Der Spielball ist ungefähr so groß wie beim Tischtennis. Es geht um Reaktionen, um Präzision und auch ein bisschen um Glück.
In den Bars und Kneipen bekommt man für 50 oder 100 Forint elf Bälle, das Team mit den meisten Toren gewinnt die Partie. Wer das passende Kleingeld auf den Tisch legt, fordert den Gewinner des aktuellen Spiels zum Duell auf, das Verliererteam muss den Herausforderern weichen. Den Amateuren geht es vor allem um den Spaß: die Stangen rotieren, der Ball saust ungestoppt über die Spielfläche. Mit den offiziellen Regeln nimmt man es in den Kneipen meist nicht so genau.
Aber inzwischen ist Tischfußball auch anerkannt als Sport. In Belgien wurden schon seit 1950 Wettkampfligen realisiert, seit 1976 gibt es internationale Wettbewerbe, organisiert vom Internationalen Tischfußball-Verband (ITSF), in mehreren Kategorien: Einer-gegen-Einen, Zwei-gegen-Zwei, Frauen – oder Männerteams. Beim „Sport“ Tischfußball sind die Spielregeln fast wie beim echten Fußball: Der Spielball wird von der Mitte aus von zwei Spielfiguren angestoßen, es gibt Fouls, Auszeiten und Freistöße, der Ball muss angehalten und ohne Überdrehen der Stangen gepasst und geschossen werden.
Die Technik ist nicht schwer
„Viele sagen, Tischfußball sei nur etwas für die Kneipe. Aber es ist ein Sport. Genauso wie Billiard oder Dart wird es irgendwann die Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient“, sagt Örs Megyeri, einer der besten Tischfußballer Ungarns. Für die Nummer sieben im nationalen Ranking ist es nicht genug im Pub ab und an ein Spiel zu machen. „Das nenne ich nicht Tischfußball.“ Dabei griff auch er dort das allererste Mal an die Stangen. Damals musste ihn noch sein bester Kumpel, der heute immer noch sein Teampartner ist, dazu überreden, überhaupt mitzuspielen. Schnell entdeckte Megyeri sein Talent und seine Leidenschaft für den Tisch. „Jeden Tag habe ich acht Stunden oder mehr trainiert. Ich habe Mathe oder andere Fächer geschwänzt, um zu spielen. Heute weiß ich – die Technik zu lernen ist nicht schwer. Das kann ich jedem in zwei Monaten beibringen. Man muss nur die Schusstechniken üben. Aber das Wichtigste ist, dass dein Geist gewinnen will. Dafür braucht man Erfahrungen und ein Gefühl für das Spiel.“
Deswegen vergleicht Megyeri seinen Sport gern mit Schach. Wenn man die Technik einmal beherrscht gehe es vor allem um Taktik und Konzentration. „Csocsó hat mich Einiges gelehrt. Zum Beispiel wie ich mit bestimmten, fast aussichtslosen Situationen umgehen muss. Man kann immer versuchen, clever zu sein. Aber du wirst niemals das Gleiche erreichen, als wenn du dich auf deine Instinkte verlässt.“ Kein Wunder, denn ein guter Schuss ist schneller als menschliche Reaktionen. Manche Spieler verbessern ihre Schusstechnik zusätzlich mit ledernen Golfhandschuhen oder Gummis oder Plastikbändern, die über die Stangengriffe gezogen werden. Schwitzige Hände oder rutschige Griffe sind damit passé, die Kraft verstärkt sich, der Ball wird schneller. Richtige Profis jonglieren den Spielball zwischen den einzelnen Figuren und Spielreihen geschickt hin und her, bevor sie ihn nach vorn passen, abstoppen und in eine geeignete Position für die verschiedenen Schusstechniken bringen. Ein solches Spiel zu verfolgen ist für Ungeübte sicher genauso spannend und unglaubwürdig wie Artistik. Örs Megyeri erkennt sogar Charakterzüge von Menschen in ihrer Spielweise: „Die Stangen sind wie eine Erweiterung deiner Person. Nach einigen Minuten weiß ich, ob jemand sehr selbstbewusst oder gar arrogant ist.“
Rund 300 solcher Profispieler gäbe es in Ungarn, schätzt Nationalteamkapitän Tálai. Zu seinem Team der besten ungarischen Spieler gehören elf Personen, darunter auch drei Frauen. Einer der Spieler – David Detre – führt die Weltrangliste der Tischfußballer mit fast 100 Punkten Vorsprung an. Noch zwei weitere Ungarn finden sich in den Top20 und auch bei den Frauen liegt Noémi Takács auf Platz 6 der Weltrangliste. Als Nation liegt Ungarn aktuell auf Platz 10, immerhin als erstes mittelosteuropäisches Land. Wer die Rankings anführt entscheidet die Punktzahl: Für einen Erfolg bei einem internationalem Wettkampf erhält man Punkte – und manchmal auch ein Preisgeld. „Aber man kann davon nicht leben.“, sagt der Profi Örs Megyeri. Ein netter Nebenverdienst – im Dezember erspielte Megyeri immerhin rund 150.000 Forint – sei es für den Projektmanager von Vodafone aber allemal.
Ein typischer Studentensport
Aber vor allem als Hobby boomt der Tischfußball derzeit. Eine genauere Anzahl der Hobbyspieler wagt darum keiner zu nennen – Teamkapitän Tálai schätzt sie auf 1.000 bis 3.000 Personen. Auch deswegen schießen mehr und mehr Kickerkneipen aus dem Budapester Boden: Beliebte Treffpunkte sind zum Beispiel das Íjász am Nyugati Bahnhof, das Akácfa Sörözö am Blaha Lujza tér oder der Könyvtár Klub neben der ELTE-Universität am Astoria. Und wer sich erst einmal an den Stangen probieren will oder einfach aus Spaß eine Partie spielen möchte, der findet im Nachtleben der Hauptstadt, oder auch nur der Kneipe nebenan, sicher einen passenden Tisch.
Tatsache ist, es gibt wohl kaum einen jungen Ungarn zwischen 15 und 35, der sich noch nie ans Csocsó gewagt hat. „Es ist ein typischer Studentensport“, sagt Péter Malinics, der die wohl größte Kickerkneipe Budapests, den „Tornado Csocsó Klub“, besitzt. Vor sechs Jahren eröffnet, musste der Pub schon mehrfach umziehen, aus Platzgründen. Im September ist die Kneipe jetzt an die Metrostation Corvin Negyed gezogen, weil hier sieben statt fünf Kickertische Platz haben. „Und wir brauchen schon wieder neue“, ächzt Malinics. Diesmal sollen es zwei Tische aus Deutschland sein, sonst spielen die Ungarn meist auf dem österreichischen Modell „Garlando“. „Auf dem Garlando sind die Ungarn gefürchtet“, meint Örs Megyeri.
Die Gemeinschaft zählt
Überall auf der Welt spielt man an unterschiedlichen Tischen, die einen machen den Ball schneller, bei anderen sind die Stangen schwerer zu bewegen. Die dazugehörigen Bälle sind aus unterschiedlichen Materialien, mal aus Plastik, mal aus Holz. Es sei eine Herausforderung mit dem unterschiedlichen Equipment klarzukommen, sagt Megyeri: „Aber ich mag die internationale Community.“
Gemeinschaft – das ist es, was die meisten Spieler, ob Amateur oder Profi – zum Csocsó treibt. „Es ist wie eine Sucht: Gute Gesellschaft und ein Spiel, dass man den ganzen Abend spielen kann“, beschreibt einer der Gäste des Tornado-Klubs. Und Gergely Tálai vom Ungarischen Nationalteam sagt sogar: „Wir Ungarn brauchen Csocsó, um Freundschaften und Beziehungen zu formen. Der Sport hat mir meine besten Freunde beschert.“
Guten Tag!
Können Sie mir helfen?
Ich bin auf der Suche nach PETRA SZENDEI, die ja vor einigen Jahren im Tischfußball
in Ungarn eine gute Spielerin gewesen sein soll. Können Sie mir bitte ihre Anschrift und die Telefonnummer vermitteln?
Danke für Ihre Hilfe
JOSEF SINGER