Ab sofort eröffnet sich Lesern ungarnweit die Möglichkeit zur digitalen Ausleihe. Die Bibliothek des Goethe-Instituts in Budapest schließt sich seinen Vorgängern an und beginnt mit der “Onleihe” seines Archivs. Mit e-Books, e-Hörbüchern, e-Zeitschriften, e-Zeitungen und Filmen im Repertoire, wird dem Abonnenten die Gelegenheit geboten, sich bequem Zugang zu den gewünschten Medien zu verschaffen.
Das Gewohnheitstier Mensch ist gegenüber e-Formaten grundsätzlich skeptisch eingestellt und klammert sich am Buch in seinem gedruckten Zustand fest.
In den Vereinigten Staaten lockerte sich die klassische Sichtweise des Buches bereits vor Jahren auf. Der Konsum elektronischer Titel gehört zum amerikanischen Alltag. Davon zeugt, dass dort mittlerweile vier von fünf Verlagen e-Books publizieren. Auch Marktführer, wie Amazon, Apple und Google belegen die Rentabilität des Unterfangens.
Dieser Trend scheint allmählich auch in Deutschland einzusetzen. Allein im letzten Quartal konnten 500 Bibliotheken etwa eine Millionen Onleihen vorweisen, ganz zu schweigen von den Verkaufszahlen.
In Ungarn hingegen steckt das gesamte „e-Vorhaben“ noch in den Kinderschuhen. Etwa 3.500 e-Books sind im Handel erhältlich – nur vier davon erreichten eine Verkaufszahl nahe 100. Die ungarischen Bibliotheken haben das Potenzial der digitalen Ausleihe noch nicht für sich entdeckt. Das Goethe-Institut Budapest geht nun mit gutem Beispiel voran und stellt sein Projekt vor.
Dienstleistung im Bauzustand
Seit dem Herbst vergangenen Jahres arbeitet das Goethe-Institut an der Umsetzung der digitalen Ausleihe an seinen Zweigstellen, die in insgesamt acht Verwaltungseinheiten eingeteilt sind. Ungarn reiht sich neben Polen, Tschechien und der Slowakei in das Konsortium Mittelosteuropa ein.
Jeder Interessent, mit festem Wohnsitz in Ungarn, kann sich für die Onleihe anmelden und nach Einzahlung der Jahresgebühr die gewünschten Medien 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche per Internet ausleihen.
Das Zwischenfazit von Holger Moos, dem Koordinator des Onleihe-Projektes im Goethe-Institut, fällt positiv aus. Durch die Ausleihe per Knopfdruck zeichnet sich ein Imagegewinn der Bibliotheken ab. Reibungslos verläuft die neue Dienstleistung jedoch nicht. Einschränkungen bei der Nutzung auf Endgeräten sorgen für Frustrationsmomente: manche Formate werden nicht unterstützt und die unterschiedlichen Kopierschutzmaßnahmen sind nicht mit jedem Gerät kompatibel. Der Koordinator des Onleihe-Projekts bemängelt auch das Medienangebot, das sich hauptsächlich auf Deutsch als Fremdsprache fokussiert und kein nennenswertes Angebot in fremdsprachiger Literatur aufweisen kann.
Ein Klima der Angst?
Es besteht zwar Verbesserungsbedarf, trotzdem sind sich Verleger und Bibliothekare einig: wir sind an einer Zeitenwende angelangt. Die Digitalisierung des Buches wird mit der Einführung des Buchdrucks, mindestens aber mit der Erfindung des Computers verglichen.
Doch wie jede Innovation, hat auch sie ihre Schattenseiten und führt zahlreiche Probleme mit sich: Verlage befürchten Umsatzeinbrüche und Bibliotheken bangen um ihre Existenz. Durch Kopierschutzmaßnahmen ist man nicht dauerhaft gegen eine Produktpiraterie vergleichbar mit jener in der Musikbranche gefeit und das klassische Urheberrecht vermag die neu aufgetretenen Problempunkte nicht zu handhaben.
Daher ist es erforderlich, den neuen Herausforderungen in Kooperation mit Verlegern, Bibliothekaren und Verbrauchern die Stirn zu bieten.