Nach Korruptionsskandalen und Finanzierungsproblemen endlich mal wieder eine gute Nachricht über die Budapester Verkehrsbetriebe (BKV): Europas beste Straßenbahnfahrer fahren für die BKV. Letzte Woche gewannen Zsuzsanna Ledniczki und Tamás Veperdi beim erstmals ausgetragenen Wettbewerb „Bester Straßenbahnfahrer Europas“ in Dresden den Titel (die Budapester Zeitung berichtete). Die Budapester Zeitung wollte wissen, welche Persönlichkeit hinter dem Titel steckt und verabredete sich mit Ledniczki, die seit insgesamt sechs Jahren bei den BKV arbeitet und seit über drei Jahren auf der Straßenbahnlinie 19 zwischen Batthyányi tér und dem Bahnhof Kelenföld fährt. Passenderweise trafen wir sie nach dem Ende ihrer Schicht an der Endhaltestelle auf dem Batthyányi tér.
Ledniczki, die schätzungsweise Ende dreißig ist, hat sich von ihrer Auszeichnung nicht blenden lassen. „Was das für ein Gefühl ist, die beste Straßenbahnfahrerin Europas zu sein? Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, das ist mir noch gar nicht richtig bewusst geworden. Bisher hatte ich vor allem nur das Gefühl, dass es ein echt schönes Erlebnis war“, sagt sie ganz bescheiden. Jetzt hieße es erst mal wieder zurück zum Alltag, zur Arbeit und Hausarbeit. Auf die Frage, wie männliche Passagiere oder Kollegen darauf reagierten, dass eine Frau die Bahn fährt, antwortet sie hingegen selbstbewusst: „Meiner Meinung nach reagieren alle positiv. Es fällt gar nicht auf, dass eine Frau fährt, es ist ganz selbstverständlich. Höchstens im Frühling oder Sommer winken oder lächeln mir mehr Männer zu.“
Neue Bahn – neue Herausforderung
Wenn sie den Dresdner und Budapester Bahnverkehr vergleichen müsste, würde sie sagen, dass die Dresdner Kollegen es viel angenehmer haben: „Die Verkehrsanzeigen sorgen dort für freie Fahrt für die Straßenbahnen, die Fußgänger bleiben stehen, die Autofahrer telefonieren während der Fahrt nicht. Ihre (die der Dresdner Kollegen; Anm. d. Red.) Fahrten scheinen stressfreier zu sein, bei uns passiert es sehr oft, dass wir nur noch den Kopf schütteln.“ Neben dem fachlichen Austausch mit den internationalen Kollegen gab es in Dresden auch eine Vorführung der Arbeitskleidung, alle kamen in ihren schönsten Uniformen: „Meiner Meinung nach war neben den eleganten Anzügen des französischen Teams unsere blaue Uniform die schönste. Die meisten Uniformen waren einfach nur grau.“
Liebe zum Althergebrachten
Teampartner Veperdi sei früher ihr Ausbilder gewesen, sie hätten vor dem Wettbewerb gemeinsam trainiert, so seien sie zusammen Combino und Hannoveri (Beiname für die Doppelgelenktriebwagen, die ursprünglich für die Stadtbahn Hannover gebaut wurden) gefahren, um nicht nur an einen Straßenbahntyp gewöhnt zu sein. Beim Wettbewerb mussten sie dann aber doch eine Bahn fahren, die in Ungarn gar nicht verkehrt. Laut Ledniczki unterschied sich diese stark von den ihr bekannten Fahrzeugen, sie hätte nur fünf Minuten Zeit gehabt, um die neue Bahn und ihre Beschleunigung kennen zu lernen. Da fahre sie lieber weiterhin die älteren Modelle des Typs Ganz: „Wenn es diese Bahn noch 100 Jahre gäbe, dann würde ich sie auch noch 100 Jahre fahren, wenn ich dann noch leben würde. Wir lieben sie, mit all ihren Macken.“ Es freue sie, dass sie zudem in Budapest auf einer Strecke mit Blick auf das Parlamentsgebäude fahren dürfe. Sie habe eigens darum gebeten, denn „nicht jeder darf hier fahren“.
Auf die Frage, wie man ein Gefühl für die Fahrtgeschwindigkeit einer Straßenbahn bekomme, antwortet sie lächelnd: „Das lernt man einfach mit der Zeit. Es gibt eine Höchstgeschwindigkeit bei den Weichen, 15 km/h. Wenn man die ganze Zeit damit arbeitet, bekommt man ein Gefühl dafür. Beim Wettbewerb gelang es Tamás, mit genau 20 km/h zu fahren, bei mir waren es 21 km/h.“ Bei der nächsten Straßenbahnfahrt in Budapest kann man also getrost den Fähigkeiten der Fahrer vertrauen. Vor allem, wenn Zsuzsanna Ledniczki am Steuer sitzt.