Seit einem Jahr hat die ungarische Tochterfirma der österreichischen UNIQA Versicherung den Geschäftsbereich Corporate Business, der sich mit Großfirmen (mindestens 300 Mitarbeiter und Versicherungswert von einer Milliarde Forint) beschäftigt. Von Anfang an wird der Bereich von dem ungarischstämmigen Österreicher Mihály Jankovich geleitet. Wir unterhielten uns mit ihm über das erste Geschäftsjahr seines neuen Bereichs und über allgemeine Trends auf dem Markt.
Wie hat sich Ihr Bereich entwickelt?
Wir haben die gesetzten Zielmarken erreicht und werden sie sogar leicht überschreiten. Insgesamt haben wir gute Erfolge erzielen können. In kurzer Zeit ist es uns gelungen, in diesem Bereich von den Kunden als Partner akzeptiert zu werden. Dabei hilft uns natürlich, dass die UNIQA in Ungarn bereits seit Jahren einen guten Namen besitzt. Die größere Herausforderung sehe ich jetzt in unserem zweiten Geschäftsjahr, wo es dann eine selbst gesetzte Latte zu überbieten gilt. Mittelfristig wollen wir uns auf unserem Markt, auf jeden Fall noch um einige Plätze noch oben arbeiten. Soviel ist aber jetzt schon sicher: es war eine strategisch richtige Entscheidung, einen solchen Geschäftszweig zu schaffen.
Wie kam es zur Gründung des neuen Bereichs?
Unsere Versicherung war bisher überwiegend im Personen- und Kfz-Versicherungsbereich tätig und ist hier auch nach wie vor noch sehr erfolgreich. 2011 gab es in Österreich bei der Mutterfirma einen Führungswechsel, in dessen Folge ein vergleichsweise junges Team an die Spitze kam. Eine ihrer ersten Maßnahmen war zu ermitteln, wo wir außerhalb von Österreich noch nicht so optimal aufgestellt sind, beziehungsweise wo es noch Wachstumspotenzial gibt. Dabei stieß man rasch auf den Bereich Corporate Business. Schnell wurden entsprechende lokale Einheiten gebildet. In Österreich entstand wiederum eine neue Einheit, die die Aufgabe hat, die entsprechenden lokalen Aktivitäten in diesem Bereich zentral zu unterstützen. So gerüstet sind wir jetzt in der Lage, auch gegen große Konkurrenten aus Deutschland und den USA anzutreten.
Ist es kein Nachteil, dass die Fokussierung Ihrer Firma auf den neuen Bereich erst so spät erfolgte?
Im Gegenteil. Viele Firmen haben in der Vergangenheit ihre Risiken verstärkt über internationale Policen abgedeckt. Dabei wurden zuweilen große Ländergruppen en bloc behandelt. Es kam dann nicht selten vor, dass es bei der Risikoabsicherung in Osteuropa um eine Region etwa von Polen bis Kirgisien ging, obwohl die betreffenden Länder natürlich höchst unterschiedliche Risikogruppen bilden. Fehlende Differenzierung führte dann natürlich zu höheren Preisen für die Kunden. Nicht zuletzt das ist der Grund, warum internationale Firmen inzwischen immer mehr von diesem En-bloc-Konzept abgehen und lieber mit verschiedenen lokalen Experten zusammenarbeiten. Bei dieser Neuausrichtung haben wir als UNIQA mit einer guten Position in Zentral- und Osteuropa – unser Heimatmarkt – und einen stabilen Hintergrund natürlich sehr gute Karten. Aufgrund unserer guten lokalen Expertise können wir hier wesentlich kundenorientierter vorgehen und maßgeschneidertere Lösungen erarbeiten als global agierende Versicherungsunternehmen. Insofern kommen wir mit der Aufstellung unserer Einheit zwar relativ spät, aber genau richtig, um die sich gegenwärtig vollziehende Trendwende voll mitzunehmen.
Dass wir bei Corporate Business erst jetzt aktiv werden, hat aber auch noch einen weiteren Vorteil: Wir fangen von Anfang mit einer vernünftigen Risikobewertung an. Andere Versicherer, die in diesem Segment schon seit der Zeit aktiv sind, als es unter anderem aufgrund einer florierenden Wirtschaft noch nicht so wichtig war, ein Top-Risikomanagement zu haben, haben jetzt Probleme. In einer Zeit der sinkenden Prämien wird der gewinnen, der ein gutes underwriting macht, also der bei der Prüfung und Einschätzung von Versicherungsrisiken einschließlich der Festsetzung einer angemessenen Prämie am besten vorgeht. Nicht zuletzt kommt es auch auf ein ausgewogenes Risikoportfolio an, also unter anderem darauf, dass das Portfolio des Versicherers bei größeren Schäden nicht übermäßig stark belastet wird. Dieses Austarieren macht einen guten Versicherer aus.
Haben Sie innerhalb Ihrer Gesellschaft in Ihrem Bereich bei Null anfangen müssen?
Nein, etwa bei Flottenversicherungen waren wir zuvor schon gut unterwegs. Auch darüber hinaus gab es schon etliche Kontakte zu Großfirmenkunden, die wir jetzt nutzen können. Es gab bei uns bisher nur keine spezielle Großkunden-Einheit. Aber natürlich setzen wir jetzt auch stark auf die Akquisition von Neukunden. Erst kürzlich haben wir etwa einen Bioethanol- und einen Reifenproduzenten versichert. Um solche industriellen Risiken hätten wir vor einem Jahr noch einen Bogen gemacht.
Wie ist die Situation auf Ihrem Markt?
Da wir bei Corporate Business in erster Linie industrielle Risiken versichern, spüren wir hier natürlich die lahmende Konjunktur. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Firmengruppen wie etwa für den Export produzierende Unternehmen, wo von einer Eintrübung des Geschäftsklimas keine Rede ist. Wer aber für den Binnenmarkt produziert, der durchlebt derzeit keine guten Zeiten. Besonders hart trifft es nach den Signalen, die wir von unseren Kunden bekommen, die Bau- und Transportwirtschaft. Auf der anderen Seite spüren wir aber auch, dass die Kunden in Zeiten, in denen die Einnahmen nicht mehr so sprudeln wie in der Vergangenheit, deutlich risikobewusster sind. Das ist eine für beide Seiten positive Entwicklung, selbst wenn sie zuweilen auf Kosten der Prämienhöhe geht, ganz einfach weil die Verantwortlichen bei den Firmen in Versicherungsdingen kaufmännisch klüger agieren. So gehen die Firmen, um die Prämien zu reduzieren, etwa vermehrt dazu über, in Form einer gewissen Selbstbeteiligung einige Risiken oder Teile von Risiken selbst zu übernehmen. Die Unternehmen übertragen vermehrt nur solche Risiken an Versicherer, die sie selbst von der Höhe oder Komplexität her nicht managen können. In den guten wirtschaftlichen Zeiten wurde viel stärker komplett ohne Selbstbeteiligung versichert. Dabei sicherten sich die Firmen auch gegen solchen Risiken ab, die sie bei einem besseren Management durchaus auch selber hätten tragen können. In Zeiten, in denen sich die Firmen intensiver mit ihren Risiken beschäftigen, kommt es auf eine gute Beratung an. Dabei ist es wichtig, sich in die Position des Versicherten hineinzudenken, mit ihm gemeinsam unternehmerisch zu denken, um so herauszufinden, gegen welche Risiken sich der Kunde wirklich extern versichern sollte.
Wie ist die Wettbewerbssituation?
Unter den übrigens nicht sehr zahlreichen Anbietern – wir sprechen in unserem Segment von höchsten zehn Firmen – gibt es einen starken Wettbewerb, der einen gewissen Preisdruck bei den Prämien zur Folge hat. Zum Glück gab es in unserem Bereich aber keinen so ruinösen Preiskampf wie etwa bei den Kfz-Haftpflichtversicherungen.
Was sind die tragenden Säulen Ihres Geschäftszweigs?
Prinzipiell geht es bei uns um vier wesentliche Bereiche: um Sachversicherungen, verschiedene Haftpflichtversicherungen, Kfz-Versicherungen und immer stärker um betriebliche Zusatzleistungen in Form von Versicherungen für die Arbeitnehmer. Die Sachversicherungen sollten so strukturiert sein, dass das Eigentum und die Fortsetzung des Betriebes gesichert sind. Die Haftpflichtversicherung dient wiederum dazu, Schäden, die man Dritten zufügen kann, abzudecken. Dabei geht es nicht nur um Schäden betrieblicher Art, sondern auch um solche durch die eigenen Produkte. Das ist besonders dann wichtig, wenn man in gewisse Länder wie die USA exportiert.
Welche Versicherungen gewähren Arbeitsgeber ihren Mitarbeitern in der Regel?
Im Rahmen von betrieblichen Zusatzleistungen werden den Mitarbeitern insbesondere Unfall-, Kranken- und Lebensversicherungen ganz oder teilweise gewährt. Besonderes Interesse erkennen wir bei Krankenversicherungen. Das hat nicht zuletzt damit etwas zu tun, dass die Leistungen im staatlichen Gesundheitswesen noch immer relativ schlecht sind. Durch Zusatzversicherungen kann man dieses Defizit kompensieren und seinen Mitarbeitern quasi einen Status als Privatversicherter ermöglichen. Insgesamt sind die Mitarbeiterversicherungen sowohl ein gutes Mittel zur Verringerung der Fluktuation als auch mit Blick darauf, dass dem Arbeitnehmer auf diese Weise steuerlich günstiger die Lohntüte gefüllt werden kann. In letzter Zeit wurden viele Lohnnebenleistungen vom Staat steuerlich dermaßen schlechter gestellt, dass sie für den Arbeitgeber nicht mehr attraktiv sind. Bei Versicherungen für Arbeitnehmer gilt das zum Glück noch nicht. Das nach wie vor vorhandene und ganz bestimmt wirtschaftlich begründete große Interesse gegenüber solchen Produkten sehen wir deutlich an der wachsenden Zahl der Anfragen. Ich kann daher jedem Arbeitgeber nur raten, zu überprüfen, ob er vielleicht die nächste Lohnerhöhung oder einen Teil von ihr mittels Versicherungen für die betreffenden Mitarbeiter realisiert.
Wie sehen die steuerlichen Rahmenbedingungen sonst für Ihre Gesellschaft aus?
Seit vergangenem Jahr werden die Haftpflichtversicherungen besteuert. Alle anderen Versicherungen – bis auf die Lebensversicherungen – werden dann ab kommendem Jahr besteuert. Ich verstehe, dass man auch die Versicherungsindustrie mit Steuern belegt, in anderen Ländern sind Versicherungssteuern in einer ähnlichen Größenordnung schon seit Jahren etwas völlig normales. Ich habe mich sogar gewundert, dass bis jetzt in Sachen Steuern unsere Branche in Ungarn noch nicht so stark zur Kasse gebeten worden ist. Es war also keine Frage, dass Ungarn hier früher oder später mitziehen wird. Die Frage ist für mich nur, ob der Zeitpunkt für die Einführung der Versicherungssteuern gut gewählt ist. Schließlich werden die neuen Steuern teilweise an die Verbraucher weitergegeben, die Binnennachfrage ist ohnehin schon gehörig unter Druck. Immerhin wird zum Jahresende die Sondersteuer für Finanz-institute gestrichen, von der auch wir betroffen sind. Eine grundsätzliche Belastung wird sich daraus für uns aber nicht ergeben – es erfolgt im Prinzip nur eine Verlagerung der Belastung.
Wie sehen Sie die weitere wirtschaftliche Entwicklung Ungarns?
Das Jahr 2012 war und ist kein einfaches Jahr. Viele Versicherungen zehren ihre Reserven auf. Kein Wunder, dass es einige, sogar recht namhafte Versicherungsgesellschaften gibt, die ernsthaft darüber nachdenken, den ungarischen Markt zu verlassen. Dazu gehören wir als UNIQA natürlich nicht, wir bleiben ganz sicher. Unsere Gesellschaft hat sich für Zentral- und Osteuropa entschieden. Wir verfolgen hier eine langfristige Strategie. Meine Hoffnung ist, dass 2013 all die vorgenommenen Reformen sukzessive greifen und ein gewisses Wirtschaftswachstum induzieren. Es wäre gut, wenn langsam wieder ein Klima entstehen würde, das Investitionen und Wachstum begünstigt. Ich rechne nicht mit einem hochdynamischen Wachstum, aber Ansätze davon würden schon viel ausmachen.
Zur Person
Mihály Jankovich (51) beschäftigt sich schon seit über zwanzig Jahren in Zentral- und Osteuropa mit der Versicherung von Firmenkunden. Von 1990 bis 1993 war er bei der Gerling Konzern Kft. Referent für internationale Kunden, danach bis 1997 Geschäftsführer beim Versicherungsbroker Risikoservice. Von 1997 bis 2006 war er Geschäftsführer der Aon Magyarország Kft. und von 2007 bis 2011 Geschäftsführer der Vienna International Underwriters GmbH. Seit Oktober 2011 leitet er bei der UNIQA Biztosító Zrt. den Großfirmenbereich.