Keine andere deutsche parteinahe Stiftung ist in Budapest mit attraktiven Publikumsveranstaltungen medial so präsent wie die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Wir unterhielten uns mit ihrem Leiter Hans Kaiser, der das Budapester Büro der KAS seit 2006 leitete und seine Position nun an seinen Nachfolger Frank Spengler übergibt.
Wie kommt es, dass gerade Ihre Stiftung in Budapest mit einem so attraktivem Veranstaltungsangebot glänzt?
Jede Stiftung hat ihr eigenes Profil, auch bei der Themenwahl. Allerdings sind Themen wie Grenzöffnung oder deutsche Wiedervereinigung, die wir mit Veranstaltungen rund um das zwanzigste Jubiläum dieser Ereignisse sehr intensiv behandelt haben, sehr CDU-nahe Themen. Ich erinnere daran, dass Konrad Adenauer die Grundlagen für die deutsche Wiedervereinigung gelegt hat. Ich will aber nicht verhehlen, dass mir diese Themen auch selbst sehr am Herzen liegen. Hier in Ungarn kommt noch die besondere Aufgabe hinzu, den wichtigen Anteil Ungarns bei der Erreichung der deutschen Wiedervereinigung immer wieder zu betonen. Die mutigen Leistungen vieler Ungarn beim Niederreißen des Eisernen Vorhangs kann man nicht genug würdigen. Trotz der leidvollen Erfahrungen 1956 gab es genug Ungarn, die sich couragiert für die Freiheit ihres Landes und anderer Europäer eingesetzt haben. Stellvertretend seien hier die Namen Imre Pozsgay, Miklós Németh, aber auch Viktor Orbán genannte, der sich mit seiner vierminütigen Rede 1989 auf dem Budapester Heldenplatz bei der Rehabilitierung und Wiederbestattung des von den Kommunisten ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Imre Nagy und weiterer Freiheitskämpfer, einen großen Ruf als mutiger Jung-Politiker erworben hatte.
Welche Themen lagen Ihnen noch am Herzen?
Natürlich auch die Jugendarbeit. Insbesondere in Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen unserer Partner-Parteien konnten wir zahlreiche Veranstaltungen organisieren. Wichtig waren mir auch unsere Schulungsmaßnahmen für Kommunalpolitiker, besonders nach dem erdrutschartigen Sieg der Konservativen bei den Kommunalwahlen im Oktober 2006. Dabei kamen Personen mit teils erheblichen Wissenslücken in Sachen Kommunalpolitik in verantwortungsvolle Positionen. Weiterhin am Herzen lag mir auch der grenzüberschreitende Aspekt unserer Arbeit. So haben wir immer wieder darauf geachtet, dass auch Leute von jenseits der Grenze als Referenten oder einfache Teilnehmer zu unseren Veranstaltungen kommen. Um unsere Kräfte zu vervielfachen, aber auch mit Blick auf die Nachhaltigkeit war mir stets auch wichtig, unsere Veranstaltungen gemeinsam mit Partnern durchzuführen, was ohnehin ein Grundgedanke der Arbeit der Adenauer-Stiftung ist.
Eine sehr enge Verbindung hat sich dabei mit der deutschsprachigen Andrássy-Universität entwickelt. Hier haben wir zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen zu Themenbereichen wie Parteien, Demokratie, Parlamentarismus oder Vergleich der Regierungssysteme durchgeführt. Auch mit der katholischen Pázmány-Universität und der ELTE-Universität gab es eine ähnlich gute Zusammenarbeit. Aber auch mit anderen Universitäten im Land. Generell wichtig war für mich, an die Jugend, insbesondere an die akademische Jugend heranzukommen.
Aber auch um Jugendliche generell machten wir keinen Bogen. So gab es auch eine gute Zusammenarbeit mit der Deutschen Schule Budapest. Gerne erinnere ich mich an eine Veranstaltung, die wir gemeinsam 2009 zum 20. Jahrestag der Grenzöffnung durchgeführt haben. Gefördert haben wir aber auch den Bereich Familienpolitik. So haben wir etwa eng mit dem Verband der Großfamilien zusammengearbeitet. Auch außerhalb von Budapest waren wir aktiv. So führten wir beispielsweise in Lakitelek, an der Volkshochschule, gemeinsame Seminare durch. Lakitelek ist ein wichtiger Ort ungarischer Intelligenzler und der ungarischen Demokratie: Hier wurde das Ungarische Demokratische Forum (MDF) gegründet, Ungarns erste Regierungspartei nach der Wende.
Eine Partei, die in Ihrer Budapester Zeit allerdings verschwunden ist.
Ja, leider. Zumindest brauche ich mir nicht vorzuwerfen, angesichts des erkennbaren Niedergangs dieser Partei tatenlos geblieben zu sein. Schon frühzeitig machte ich die Verantwortlichen der Partei auf deren verhängnisvolle Entwicklung aufmerksam und legte nahe, die Reihen geschlossen zu halten und dem ursprünglichen Kurs und Profil des MDF treu zu bleiben. Gehör fand ich damit wohl nicht. Die eingetretenen Entwicklungen lassen im Nachhinein aber die Vermutung zu, dass mein Rat kein so schlechter gewesen ist. Es ist einfach verhängnisvoll, so plötzlich einen Kurswechsel vorzunehmen, nicht zuletzt auch personell. Ich schätze den Finanzexperten Lajos Bokros durchaus. Dass er aber plötzlich von der Parteispitze so nach vorn gerückt wurde, hat der Partei aber ganz sicher mehr geschadet als genutzt. Nun ist das MDF Vergangenheit. Das ist auch insofern schade, da sich diese Partei unbestreitbare Verdienste bei der friedlichen Wende in Ungarn erworben hat und sie mit dem großen Namen József Antall, des ersten frei gewählten Ministerpräsidenten Ungarns, verbunden ist, der nicht nur von Alt-Kanzler Helmut Kohl, sondern auch vom langjährigen Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bernhard Vogel, hoch geschätzt wurde.
Vor allem Ihre letzten beiden Ungarn-Jahre waren von teils heftigen politischen Auseinandersetzungen geprägt. Wie hat sich Ihre Stiftung daran beteiligt?
Insbesondere durch das, wozu wir da sind: durch Aufklärung und Angebote zu Foren des Dialogs. So hatten wir uns unter anderem bei der Diskussion um die neue ungarische Verfassung durch solche Angebote intensiv eingebracht. Nicht durch anmaßende Belehrung, sondern mittels Veranstaltungen, aber auch durch die Herausgabe von Schriften, so etwa einem großen Band mit Kommentaren zur alten Verfassung – ein Projekt, das noch vom ehemaligen Staatspräsidenten László Sólyom angeregt worden war. Später haben wir einen wesentlichen Teil der neuen Verfassung übersetzt. Nicht zuletzt, weil wir gemerkt hatten, dass es ungeachtet der heftigen, insbesondere von deutscher Seite vorgetragenen Kritik bis dato keinerlei deutsche Übersetzungen gab. Da gab es also viel anmaßende Kritik von Leuten, die gar nicht wussten, was überhaupt in der Verfassung stand! Das gleiche gilt auch für das neue Mediengesetz. Auch dafür wurde Ungarn auf das heftigste angegriffen, ohne dass sich die Wortführer der Angriffe mit dem Mediengesetz vertraut gemacht hätten. Wir können es uns zu gute halten, dass die erste vollständige deutsche Übersetzung des Gesetzes von uns kam. Relativ zeitnah nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes konnten wir sie im Rahmen einer diesbezüglichen Veranstaltung präsentieren.
Ihre Stiftung war und ist also auch als Herausgeber von Büchern aktiv.
Das gehört zu unserem Auftrag. In den vergangenen sechs Jahren haben wir etliche Bücher herausgegeben. Weitere sind in Vorbereitung. Eines über Konrad Adenauer in ungarischer Sprache. Ich bin zwar durchaus für die neuen Medien und die neuen technischen Möglichkeiten, aber ich gehöre auch zu denen, die dafür gesorgt haben, dass bei wichtigen Anlässen und Themen auch immer ein Buch herausgegeben wurde. Ein Buch in die Hand zu nehmen, darin zu blättern und die Bilder des Bandes zu betrachten, bietet doch ein anderes, vielleicht sogar intensiveres Erlebnis, als Dinge nur zu hören oder auf dem Computerbildschirm zu sehen. Besonders lieb ist mir das Buch, das wir 2009 zur Grenzöffnung herausgegeben haben. Darin gibt es unter anderem ein Bild und einen Aufsatz von Árpád Bella, der zum Zeitpunkt der Grenzöffnung im Rahmen des paneuropäischen Picknicks in dem betroffenen Grenzabschnitt der kommandierende Offizier war und der mit seinem befehlswidrigen, aber natürlich richtigem Handeln, letztlich mit dafür sorgte, dass wir uns an den illegalen Grenzdurchbruch als ein friedliches Ereignis erinnern können. Wenn ich dieses Glück in den Augen der Menschen sehe, die damals dort über die Grenze geflüchtet sind, dann bekomme ich noch heute jedes Mal Gänsehaut. Emotional besonders berührt mich das Bild einer Frau, die im Bewusstsein der baldigen Freiheit umgeben von ihren Kindern aus einem Trabant heraus den Fotografen anstrahlt. Es ist so anrührend den Menschen, die so lange auf die Freiheit gewartet haben, im Augenblick der Verwirklichung ihres Wunsches in die Augen zu blicken. Es ist wichtig, an solche Momente zu erinnern. Und auch immer wieder daran, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist. Es ist aber auch wichtig, die Erinnerung daran wach zu halten, dass viele Menschen für diese Freiheit ihr Leben gaben. Das Gute dabei ist stets das Bewusstsein: Freiheit lässt sich auf Dauer nicht unterdrücken. Das muss man wissen, das müssen insbesondere auch junge Leute wissen. Um die Freiheit muss man immer wieder auch kämpfen!
Mit Ihrer Stiftung haben Sie also nicht nur an die glücklichen Momente erinnert, sondern immer wieder auch an den opferreichen Kampf für die Freiheit.
Ja, genauso wichtig war es uns stets auch an den Gegensatz, nämlich an die totalitären Diktaturen zu erinnern. In diesem Zusammenhang sei auf die hervorragende Zusammenarbeit mit dem Haus des Terrors erinnert. Die Zusammenarbeit mit der Direktorin dieser Einrichtung, Mária Schmidt, ist außerordentlich konstruktiv und partnerschaftlich, ich würde sogar sagen: freundschaftlich. Über die Thüringer Stiftung Ettersberg, an dessen Gründung ich beteiligt war und in der Frau Schmidt bis heute mitwirkt, reichen unsere Beziehungen schon längere Zeit zurück. Ihr Museum ist eine fantastische Einrichtung. Daher fiel es uns auch nicht schwer, in einer Zeit, als dessen Gegner dem Museum den Garaus machen wollten, es von unserer Seite bestmöglich zu unterstützen. Das Museum lag mir von Anfang an ebenso am Herzen wie die Andrássy-Universität, die ebenfalls, unter der ersten Orbán-Regierung gegründet, nach dem Regierungswechsel aber unter den Sozialisten mit teils erheblichen existenziellen Problem zu kämpfen hatte. Es bestand damals die unverhohlene Absicht, beide Institutionen zu beseitigen. Wobei ich an dieser Stelle auch hinzufügen muss, dass es bei den Sozialisten durchaus etliche vernünftige Leute gab, die sich wiederum für den Fortbestand beider Institutionen eingesetzt haben.
Hatten Sie in Ihren sechs Jahren auch Kontakte zu Sozialisten?
Natürlich. Ich habe zwar nie einen Zweifel daran gelassen, wo ich stehe und was ich bei den sozialistischen Vorgänger-Regierungen nicht gut fand. Aber ich glaube, es spricht für sich, dass ich auch bei den Sozialisten viele Gesprächspartner habe, mit denen ich regelmäßig rede. Dazu gehörte vor allem die frühere Parlamentspräsidentin Katalin Szili, die inzwischen nicht mehr bei den Sozialisten ist. Mir war es wichtig, mit Informationen nicht nur aus einer Quelle gespeist zu sein. Auch unter unseren Referenten gab und gibt es immer wieder Persönlichkeiten des anderen politischen Spektrums. Gewürdigt habe ich stets auch Politiker der Vorwendezeit, die die Zeichen der Zeit erkannt hatten: Ein Zeichen dafür war sicher der Auftritt des ehemaligen ungarischen Ministerpräsidenten vor der Wende, Miklós Németh, auf einer unserer Veranstaltungen zum 20. Jahrestag der Grenzöffnung.
In Ihre sechs Ungarn-Jahre fiel auch der Tiefpunkt der deutsch-ungarischen Beziehungen.
Ich denke, hier ist sehr viel Unrecht geschehen. Nicht, dass man sich untereinander, speziell unter Partnern und Freunden, keine Ratschläge geben dürfte. Man sollte aber wissen, wo hier die Grenzen sind. Für viele Dinge, die seit dem Amtsantritt der zweiten Regierung Orbán in deutschen Medien über Ungarn erschienen sind, habe ich kein Verständnis. Etwa wenn Ungarn mit Weißrussland oder der Ukraine verglichen wird. Das finde ich unerhört. Die Regierung Orbán ist das Ergebnis einer völlig korrekt verlaufenden Wahl im Jahr 2010. Dass sie vom Wähler sogar mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament ausgestattet worden ist, hat nicht zuletzt mit der eklatant schwachen Leistung der sozialistischen Vorgänger-Regierungen zu tun.
Was ist Ihre Erklärung für die gewaltige Schlammschlacht gegenüber Ungarn?
Es gibt Menschen, an denen scheiden sich die Geister. Viktor Orbán gehört ohne Zweifel zu diesen Menschen. Ein Mann mit Visionen und einer Mission. Es gibt ja auch in Deutschland Beispiele für einen solchen Politiker-Typus, denken wir nur an Altkanzler Helmut Kohl. Sie sind gerne Anfeindungen ausgesetzt. Das ist halt so. Es darf aber nicht soweit kommen, dass mit Mitteln der Lüge und Verleumdung gegen solche Persönlichkeiten gearbeitet wird. Ein weiterer Grund ist ohne Zweifel die schwere Wahlniederlage für die Sozialisten. Das hat weh getan und ist auch heute noch nicht verdaut. Dies hat vielen so sehr zu schaffen gemacht, dass sie danach alles daran setzten, die Auseinandersetzung zwischen dem Fidesz und den Sozialisten teilweise sogar auf die europäische Ebene zu tragen. Im europäischen Parlament spielten sich daraufhin schlimme Szenen ab. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass sich in Europa die Staaten umeinander kümmern dürfen und auch kümmern müssen, das ist keine Frage. Aber wenn in den deutschen Bundestag parlamentarische Anfragen und Aktuelle Stunden zu sehr ungarischen Themen und Angelegenheiten eingebracht werden, geht mir das schon ein wenig zu weit. Es ist weder die Kern-Aufgabe des deutschen, noch die des europäischen Parlamentes, etwa das Mediengesetz oder Verfassung von Ungarn zu diskutieren. Zum harten Vorgehen gegen Ungarn hat sicher aber auch die suboptimale Kommunikation der ungarischen Regierung beigetragen.
Inwiefern?
Es wurde zu wenig und oft nur nachträglich erklärt. Das führte zu Irritationen und Missverständnissen. Schließlich können viele Schritte der Regierung aus mehreren Blickwinkeln gesehen werden. So können etwa die Entlassungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk als „politische Säuberungen“ hingestellt werden, oder als das, was sie meines Erachtens viel eher waren: eine Anpassung des Personalbestandes einer hochdefizitären Institution an ein finanzierbares Niveau. So etwas kommt auch in Deutschland vor. Bei einigen Maßnahmen der Regierung war auch einfach nur das Timing schlecht, etwa beim Mediengesetz. Prinzipiell ist es inhaltlich in Ordnung, das Gesetz aber zeitgleich mit dem Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft in Kraft treten zu lassen, war nicht sonderlich glück-lich. Generell täte es vielen Maßnahmen der Regierung gut, vorbereitende Gespräche mit den Betroffenen zu führen. So könnte Vertrauen geschaffen und könnten etwaige Fehler rechtzeitig erkannt werden. Ich fand es übrigens sehr gut, dass sich Premier Orbán im Februar die Zeit genommen hatte, beim Galaabend aus Anlass des 20. Jubiläums des Deutschen Wirtschaftsclubs als Gastredner aufzutreten. Generell sehe ich immer mehr Anzeichen dafür, dass inzwischen ein Lernprozess eingesetzt hat und dass sich die Regierung immer mehr um einen Dialog bemüht. Bei aller Kritik muss man aber auch ganz klar sehen, dass die Fidesz-Regierung insbesondere durch die hohe Staatsverschuldung, die Devisenverschuldung der privaten Haushalte und durch den großen Reformstau von ihrer Vorgängerin, den sozialistischen Regierungen, eine schwere Bürde übernommen hat.
Was halten Sie von der neuen ungarischen Verfassung?
Ich kann mich hier nur der Einschätzung des deutschen Verfassungsrechtlers und ehemaligen Mitglieds des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Paul Kirchhof, anschließen, der auf einer Veranstaltung der Adenauer-Stiftung die ungarische Verfassung als „hochmodern“ bezeichnet hatte. Weiter sagte er damals, dass er sich wünschen würde, wenn andere Staaten ihre Verfassung, er sprach damit den normativen Teil an, ebenso im Geiste Europas gestalten würden. In der ungarischen Verfassung ist eine Schuldenbremse enthalten, ferner die „Nachhaltigkeit“, und es sind die europäischen Grundrechte aufgeführt. Die Menschenwürde ist im Gegensatz zur früheren Verfassung weit nach vorne gesetzt worden. Richtig ist aber auch, dass die Präambel einen ausgeprägt nationalen Grundton enthält und recht lyrisch ist. Man muss aber doch einem Land zugestehen, die Präambel seiner Verfassung so zu gestalten, wie es seiner Nation zukommt. Dass in der ungarischen Verfassung an den ungarischen Staatsgründer, den Heiligen Stephan und das Christentum erinnert wird, finde ich keineswegs problematisch. Es wäre problematisch, das nicht zu tun! Auch in den Verfassungen anderer europäischer Länder gibt es ähnliche Bezüge. Es gibt übrigens verschiedene EU-Papiere, in denen gefordert wird, dass sich die neuen EU-Beitrittsländer nach der Zeit des Kommunismus wieder stärker ihrer Geschichte erinnern sollen. Das Paradoxe ist nur: Wenn diese Länder das dann auch ernst nehmen, dann heißt es plötzlich, aber so nicht! Da kann ich nur sagen: Vorsicht! Bevormundung auf diesem Gebiet birgt ein Risiko für das Zusammenwachsen in Europa, das ja vielfältig sein soll, in sich. Ich persönlich freue mich zumindest über jedes Land, das sich in Europa seiner Wurzeln und seiner Werte besinnt.
Seit etwa Mai haben die Angriffe auf Ungarn deutlich nachgelassen. Worauf führen Sie das zurück?
Zum einen darauf, dass für viele Länder wirkliche Probleme in den Fokus gerückt sind. Zum anderen denke ich aber auch, dass beide Seiten aus dem vielfach unnützen Schlagabtausch gelernt haben. Auf ungarischer Seite wurde erkannt, dass – wenn man schon einmal freiwillig einer Gemeinschaft beigetreten ist – es ratsam ist, sich auch an deren Spielregeln zu halten. Das war und ist gerade für die impulsiven und sehr selbstbewussten Ungarn, die ja gerade erst ihre Freiheit und Selbstbestimmung wiedererlangt haben, zuweilen nicht ganz einfach. Auf Seiten der EU habe ich hingegen den Eindruck, dass man erkannt hat, ein wenig zu weit gegangen zu sein. Wenn etwa Kohäsionsgelder für politisch motivierte Maßregelungen genutzt werden, dann wird ein sehr gefährlicher Prozess in Gang gesetzt, der auf alles andere als eine Festigung der Staatengemeinschaft hinausläuft. Was wir gerade in Anbetracht der Euro-Krise brauchen, ist ein konstruktives Miteinander und gleiche Maßstäbe für alle. Ich habe mich in meiner Zeit in vielen Gesprächen und bei vielen Vorträgen immer wieder dafür eingesetzt, zu einem sachlichen Ton zurückzufinden.
Was ist Ihr Fazit nach sechs Jahren an der Spitze der Budapester Vertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung?
Es ist uns in dieser Zeit möglich gewesen, viel zu erreichen. Ich bin dem Land und allen Helfern dafür sehr dankbar. Dankbar bin ich auch für die hervorragende Unterstützung durch die Zentrale der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Wenn ich in der Vergangenheit bei der Zentrale vorstellig wurde, etwa, weil eine bestimmte Veranstaltung mehr kosten würde, als ursprünglich beantragt, fand ich immer ein offenes Ohr. Wir haben in Budapest viel erreicht, vor allem partnerschaftlich – das finde ich immer ganz wichtig. Es gibt aber noch viel zu tun. Mein Nachfolger wird sich sicher nicht über zu wenig Arbeit beschweren können.