Vor wenigen Tagen hat die in Zürich ansässige Handelskammer Schweiz-Ungarn (HSU) ihr 20-jähriges Jubiläum gefeiert. Aus diesem Anlass unterhielten wir uns mit Aron G. Papp, dem Co-Präsidenten der HSU, über den Werdegang und die gegenwärtigen Aufgaben der bilateralen Kammer.
Wie kam es 1992 zur Gründung?
Der Standort Ungarn war damals nach der politischen Wende aus Schweizer Sicht für Ost-Investoren die absolute Top-Adresse. Deshalb war es naheliegend, dass eine Handvoll Schweizer Geschäftsleute den Gedanken einer bilateralen Kammer Schweiz-Ungarn schnell und entschlossen umgesetzt und die HSU in Zürich gegründet haben.
Wie verlief die Entwicklung seitdem?
In den vergangenen zwanzig Jahren liegt eine starke positive Dynamik. Wir verstehen die HSU als absolute Erfolgs-Story. Ungarn war lange Zeit das Lieblingskind der Ost-Investoren und unsere Kammer funktionierte lange Zeit praktisch automatisch als Sammelgefäß quer durch die gesamte Wirtschaftspalette. Im Verlauf von zwanzig Jahren hat sich die HSU dann immer stärker als Organisation des in Ungarn aktiven Schweizer Mittelstandes etabliert, wobei wir in unseren Reihen durchaus auch börsennotierte Firmen haben.
Wie ist die Mitgliederentwicklung?
Wie bei allen sogenannten Milizorganisationen, die vollständig auf freiwilliger Arbeit von Präsidium und Vorstand beruhen, hat die Kommunikations-Revolution im Zeichen von Internet auch die Funktion von Handels- und Wirtschaftskammern stark verändert. Dies trifft naturgemäß auch auf die HSU zu. Deshalb haben wir heute weniger Mitglieder als noch zu Zeiten der starken Ungarn-Euphorie, haben uns aber mittlerweile stabilisiert.
Was ist die Funktion der Kammer?
Wir sehen uns als Informations-Drehscheibe und verstehen die HSU als Dienstleister. Das heißt: wenn immer es in der Schweiz um den Standort Ungarn geht und um wirtschaftliche Interessen auf der Achse Schweiz-Ungarn – wir stehen an vorderster Stelle. Wir sind in der Schweiz zuhause und in Ungarn bestens vernetzt. Genau davon profitieren unsere Mitglieder und Partner.
Was waren die Höhepunkte?
Über all die langen Jahre haben wir mit typisch schweizerischer Konstanz mit bestens besetzten Informations-Veranstaltungen in der Schweiz Licht ins Dunkel gebracht, wenn es um das Partnerland Ungarn geht. Bei den sogenannten HSU-Mittagstischen stehen uns seit Jahren Top-Referenten zur Verfügung. Unsere Service- und Informations-Dienstleitungen im Universum Schweiz-Ungarn sind anerkannt. Die wahren Höhepunkte im Leben unserer Kammer geschehen jedoch in der Regel im Zeichen – auch dies typisch schweizerisch – eines meist diskreten aber immer effizienten Wirkens im Hintergrund für unsere Mitglieder und Partner. Wir sind stolz darauf, dass wir seit zwanzig Jahren offizieller Partner der staatlichen Schweizer Außenhandelsorganisation OSEC sind.
Wie sieht der Alltag aus?
Das HSU-Sekretariat in Zürich ist unsere externe Anlaufstelle. Dort gehen Anfragen unterschiedlichster Art ein. Wir pflegen über das Jahr unseren Veranstaltungskalender und betreiben traditionell eine aktive Kontakt- und Informationspolitik. Die HSU hat einen aktiven Vorstand – Fachspezialisten aus diversen Branchen – und eine Doppelspitze. Co-Präsident Attila Külkey, ein Finanz- und Assekuranzfachmann, wirkt direkt in der Schweiz und ich unterstütze unsere Arbeit als Schweizer KMU-Berater direkt vor Ort in Ungarn. Sehr oft müssen wir ja auch im Partnerland direkt vor Ort helfen und vermitteln. Dieses Modell ermöglicht uns eine optimale Abdeckung unserer Standort-Präsenz.
Wie ist die Interessenvertretung der Schweizer in Ungarn beschaffen?
Bekanntlich ist die Schweiz eines der wichtigsten globalen Firmenzentren. Die Ausstrahlung schweizerischer und ausländischer Wirtschaftsinteressen mit Standort Schweiz übersteigt damit deutlich die eigentlichen Grenzen der eigentlichen Schweiz. In diesem Sinne sehen wir im Zeichen der sogenannten Globalisierung, dass die Interessen unseres Mittelstandes hüben und drüben mithin etwas unter die Räder kommen. Wir weisen deshalb immer und überall aktiv darauf hin: vier Fünftel unseres Wirtschaftsaufkommens werden von KMUs erbracht. Dies gilt übrigens auch für Ungarn.
Welche Zukunft sehen Sie für weitere Schweizer Investitionen in Ungarn?
Neuerdings unterstützen wir die Firma NOVOPLAST beim Aufbau des Schweizer Industrie- und Kompetenzparks SIKPU in Iharosberény (Komitat Somogy) – das ist ein wertvoller Vorstoß einer unserer Mitgliedsfirmen der zeigt: Schweizer Firmenleiter sehen unverändert gutes Potential in Ungarn. Im Zuge des starken Schweizer Franken rechnet die HSU im Bereich industrieller Produktion tendenziell mit einer weiteren Zunahme der Nachfrage nach Partnerschaften und Kooperationen in Ungarn.
Wie wird von schweizerischen Unternehmen die Lage in Ungarn beurteilt?
In unserer Welt zählen nur Zahlen, Daten und Fakten. Gemessen am sehr hohen Niveau in der Schweiz bleibt der vergleichsweise nahe gelegene Produktions-Standort Ungarn deshalb aus Sicht der Kosten weiter attraktiv. Manche unserer Mitglieder geben sogar unumwunden zu: die Auslagerung von Fertigungsaktivitäten trägt seit Jahren zum Bestand der Firma in der Schweiz bei. Bei einem Wirtschaftsaufschwung sehen wir weiter viel Potential für Produkte und Dienstleistungen aus der Schweiz.
Wo sehen Sie Spannungszonen in den bilateralen Beziehungen?
Zwar genießt die Schweiz in Ungarn generell sehr hohe Sympathiewerte. Dazu tragen unsere helvetischen Primärtugenden ebenso bei, wie die bekannten historischen Beziehungen unserer Länder. Doch sehr oft wird die Schweiz in Ungarn aus Sicht der geschäftlichen KMU-Möglichkeiten noch nicht richtig wahrgenommen – auch auf Seiten der Wirtschaftsdiplomatie. Hier muss vor allem in Budapest deutlich mehr geschehen. Wer die Schweiz als Wirtschaftsdestination vernachlässigt, versteht die heutige Welt nicht.
Was ist besonders akut?
Aus unserer Sicht ist nichts so bedeutsam wie Berechenbarkeit und Konstanz. Hier hat Ungarn in der Außenwahrnehmung zuletzt deutlich gelitten. Wir arbeiten als Kam-mer traditionell auch in Diensten unseres HSU-Partnerlandes. Wenn es aber um das Image und die Reputation Ungarns geht, muss jetzt zunächst auch das offizielle Budapest merkbar aktiv werden – wir helfen dabei gerne.
Wie unterstützt die HSU den Mittelstand?
Ohne junge Leute in Ausbildung geht im Mittelstand gar nichts. Dieser Tage führen wir deshalb mit Partnern hüben wie drüben aktive Gespräche zur Lehrlingsausbildung. Unser gemeinsames Ziel ist: wir wollen dazu beitragen, das erfolgreiche schweizerische Lehrlingswesen in einer ungarischen Schule zu etablieren. Ich halte generell die jugendliche Berufsbildung für eine eminent wichtige Aufgabe unserer Zeit – von der Schweiz lernen, heißt für das mittelständische Ungarn: den Erfolg lernen.
Wo sehen Sie neue Herausforderungen für die HSU?
Ich bin der Meinung: wo ein Schweizerkreuz drauf steht, sollte auch die Schweiz drin sein. So gesehen können wir auch für und in Ungarn unsere traditionellen Aktivitäten erfolgreich weiter führen. Im Zeichen des veränderten Umfeldes müssen wir uns jedoch als bilaterale Kammer stärker auch dem ungarischen Mittelstand öffnen. Hier sehe ich ganz erhebliche Chancen für unsere Kammer. Bekanntlich haben im Zeichen der EU-basierten Personenfreizügigkeit noch nie so viele Magyaren in der Schweiz gelebt wie heute – darunter wurden viele von Firmen und Institutionen als Spezialisten angeworben. Auch für diese Menschen will die HSU zukünftig ein attraktives Forum sein.
Die schweiz in ungarn
Schweizerische Botschaft Budapest
http://www.eda.admin.ch/budapest
Tradition und Service im Dienst des Mittelstandes – seit 1992
HANDELSKAMMER SCHWEIZ-UNGARN – HSU ZÜRICH
www.hsu-zuerich.ch
Aktive Schweizer treffen sich im lockeren Rahmen
SWISS BUSINESS CLUB HUNGARY
www.swissbc.hu
Der Klassiker
SCHWEIZER VEREIN UNGARN
http://www.svu.repage.de/
Die Präsenz der globalen Schweiz
SWISSCHAM HUNGARY
http://www.swisscham.hu/de