
Herausragender Einsatz von Audi Hungaria bei der Bildung geehrt: Thomas Faustmann und Akademie-Präsident József Pálinkás (r.).
Neben dem Richtfest für die Hallen der neuen Fahrzeugfertigung (die Budapester Zeitung berichtete) hielt der Mai für Thomas Faustmann, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung der Audi Hungaria Motor Kft., auch einen weiteren, eher persönlichen Höhepunkt bereit: Für seinen, inzwischen zehnjährigen Einsatz für die ungarische Bildung wurde er als erster Nichtungar von der ungarische Akademie der Wissenschaften mit der Mór-Wahrmann-Medaille geehrt.
Was ist das für ein Preis?
Mit dem zum ersten Mal 1897 von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften vergebenen Preis werden herausragende wissenschaftliche Leistungen sowie Anstrengungen bei der Förderung von Forschung, Entwicklung und Bildung geehrt.
Wofür genau wurde Ihnen dieser Preis zuerkannt?
Für den herausragenden Einsatz der Audi Hungaria im Bereich der Bildung und der Wissenschaftsarbeit. Wir haben bei Audi den Slogan „Vorsprung durch Technik“. Um aber diesen Vorsprung durch Technik realisieren zu können, brauchen wir sowohl in den Fertigungs- als auch den Ingenieursbereichen bestmöglich ausgebildete Mitarbeiter. Damit erklärt sich unser starkes Engagement bei sämtlichen Aspekten der Bildung.
Auf welchen Gebieten ist Ihre Firma hier aktiv?
Eine besonders intensive Kooperation verbindet uns etwa mit der Gyõrer István-Széchenyi-Universität. Unter maßgeblicher Mitwirkung von Audi Hungaria wurden hier mittlerweile drei neue Lehrstühle gegründet. Außerdem wurde hier ein Laborgebäude für Verbrennungsmotoren aufgebaut, in dem wir online Verschleißtests durchführen können – das ist einzigartig in Ostmitteleuropa. In den ersten sechs Semestern wird den Studenten entsprechend des aktuellen neuesten Standes der Technik das entsprechende Fachwissen vermittelt. Daran schließt sich vom siebten bis zum zehnten Semester ein sogenannter Masterstudiengang an. Hier sind exklusive Gastvorträge eingebaut, so dass das aktuelle Wissen und Spezial-Knowhow der Automobilindustrie in die Lehre einfließen. Das Besondere an dem Masterstudiengang ist, dass er auch auf Deutsch absolviert werden kann. So sind die Absolventen nach einem möglichen Eintritt bei uns sofort in der Lage, mit Kollegen in Deutschland, Mexiko oder China zu kommunizieren. Denn, egal, wo der Volkswagen-Konzern auf der Welt auch tätig ist, überall wird bei uns deutsch gesprochen. Natürlich sprechen wir auch englisch, aber wenn es um die Technik geht, dann ist Deutsch unsere gemeinsame Sprache.
Welche Rolle spielt die Ausbildung speziell für die Audi Hungaria?
Die wichtigste und im Prinzip einzige nutzbare „Ressource“, die Ungarn hat, sind seine Menschen! Das war einer der wichtigsten Faktoren bei unserer damaligen Standortentscheidung. Und auch jetzt vor der Entscheidung zur Errichtung eines neuen Fahrzeugwerkes. Diese Menschen müssen natürlich gut ausgebildet sein, besonders mit Blick auf den hohen Wettbewerb Ungarns mit anderen Ländern um Investitionen und letztlich Arbeitsplätze. Das Ausbildungsniveau ist für uns in der Hochtechnologie besonders wichtig, daher tun wir auch sehr viel dafür. Mittlerweile haben wir 155 hochqualifizierte Entwicklungsingenieure in der Motorenentwicklung und bereits weitere 30 Entwicklungsingenieure in der Fahrzeugentwicklung.
Warum engagieren Sie sich so stark bei der Ausbildung?
Im Sinne unseres Slogans „Vorsprung durch Technik“ werden in Gyõr die innovativsten Produkte in Premiumqualität produziert. Dafür brauchen wir sehr gut ausgebildete Facharbeiter, die eigenständig Maschinen bedienen, instandhalten und reparieren können. Was das Ausbildungsniveau anbelangt, haben sowohl die Berufsausbildung, als auch die Ingenieurswissenschaften starkes Entwicklungspotential. Deswegen haben wir die Berufsausbildung in die eigene Hand genommen. Ganz am Anfang steht zunächst die Ausbildung der ungarischen Ausbilder. Dabei unterstützen uns seit zwei-drei Jahren Experten aus Deutschland. Die jungen Leute lernen dann bei uns, wie sie etwa Roboter und CNC-Bearbeitungsmaschinen programmieren, bedienen und instandhalten können. Inzwischen haben wir das Knowhow aufgebaut, um den kompletten Maschinenpark der Audi Hungaria in Eigenregie instandhalten zu können – wohlgemerkt: mit ungarischen Mitarbeitern. Dafür, dass sie das können, mussten wir die Ausbildung selbst stark entwickeln.
Engagiert sich Ihre Firma in Ungarn stärker als in Deutschland bei der Berufsbildung?
In erster Linie geht es um die Umsetzung der Audi-Standards, die wir nach Ungarn übertragen. Lediglich, was die Praxisorientierung betrifft, müssen wir vor Ort stärkere Akzente setzen. Die Ausbildung konzentriert sich hier immer noch zu stark auf die Theorie, und es wird dabei das Aneignen von Praxis oft in Hintergrund gestellt. Unsere Anlagen laufen im Dreischichtbetrieb, da sind die Mitarbeiter in vielen Fällen auf sich allein gestellt und müssen eigene Entscheidungen treffen. Dazu brauchen sie nicht nur das entsprechende Wissen, sondern auch ein gesundes Maß an Selbstvertrauen in das eigene Können. Beides sind wichtige Aspekte, die wir sowohl unseren Facharbeitern als auch unseren Ingenieuren beibringen.

Wahrmann-Preisträger Thomas Faustmann zusammen mit seiner Ehefrau Martina vor einem Gemälde mit István Szechenyi, dem Namensgeber der von Audi Hungaria unterstützten Gyõrer Universität.
Sehen Sie mit Blick auf die Praxisnähe bezüglich des neuen ungarischen Berufsbildungsgesetzes Fortschritte?
Ja, ich sehe schon in einigen Bereichen eine gewisse Verbesserung, wobei mir die Schritte noch nicht schnell genug und weit genug gehen. Noch immer ist zu deutlich der Versuch zu spüren, an dem alten System festzuhalten. Aus dem Grunde ist es wichtig, dass Unternehmen wie Audi ihren Beitrag für einen aktiven Wissenstransfer und für die Etablierung neuer Lehrmethoden leisten.
Sehen Sie eine Entwicklung beziehungsweise eine Nachbesserung des Gesetzes?
Wir sprechen das Thema bei allen unseren Begegnungen mit zuständigen Vertretern des ungarischen Staates ständig an. Wir erklären schon, wo unsere Erwartungen hinsichtlich der Ausbildungsqualität liegen und was unsere Bedarfe sind. Ich persönlich bin überzeugt, dass Deutschland im europäischen Umfeld unter anderem deswegen so stark und erfolgreich ist, weil es eine leistungsfähige Industrie hat, die wiederum daraus resultiert, dass es Ingenieure gibt, die wissen, was zu tun ist, dass ist ein gutes Management gibt, und, dass es Facharbeiter gibt, die bestimmte Tätigkeiten ausführen können. Der entscheidende Punkt sind kompetente, qualifizierte Mitarbeiter auf allen Ebenen eines Unternehmens.
Solange der Staat mit seinen Ausbildungsangeboten Ihren Wünschen nicht vollends entspricht, bleibt Ihnen nur die Eigeninitiative!
Wir können natürlich nicht warten, bis wir von uns benötigte Leute mehr oder weniger fertig bekommen. Schließlich haben wir einen Auftrag zu erfüllen und der heißt: technisch innovative Produkte in Premiumqualität, zum richtigen Zeitpunkt, in der vom Kunden gewünschten Menge zu optimalen Kosten herzustellen. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, brauchen wir die entsprechenden Menschen. Wenn wir sie nicht haben, dann müssen wir sie halt suchen. Und wenn wir sie gefunden haben, und sie sind noch nicht richtig qualifiziert, dann müssten wir sie nachqualifizieren. Prinzipiell sind wir aber trotz allem mit den ungarischen Mitarbeitern der Audi Hungaria sehr zufrieden und hier denke ich nicht nur an die Lohnkosten.
Sondern auch?
Was uns an unseren Mitarbeitern so gut gefällt, ist deren hohe Begeisterungsfähigkeit. Es ist deutlich zu spüren, dass sie gerne bei uns arbeiten. Sie arbeiten mit einer Einsatzbereitschaft und Hingabe, die es selbst in Deutschland zuweilen nicht mehr gibt.
Wie werden die Bildungsaktivitäten der Audi Hungaria von der Mutterfirma unterstützt?
Wir werden von der Audi AG auch bei diesem Thema voll unterstützt, sowohl materiell als auch personell. So sind bei uns in Gyõr ständig mehrere deutsche Ausbilder im Einsatz. Unter anderem bilden sie ungarische Mitarbeiter zu zukünftigen Ausbildern aus. All das kostet natürlich Geld. Wer aber sagt, Bildung wäre teuer, der sollte sich einmal die teuren Konsequenzen unterlassener rechtzeitiger Investitionen in die Ausbildung seiner Mitarbeiter vergegenwärtigen. Dann weiß er, was wirklich teuer ist!
Kommen wir zu einem anderen großen Audi-Hungaria-Thema: Was wird sich durch das neue Fahrzeugwerk für Sie ändern?
Wir haben uns zwei große Herausforderungen gestellt. Das eine Thema ist die Konzentration auf inzwischen zwei Schwerpunkte. Früher konnte ich mich viel stärker auf das Thema Motorenfertigung konzentrieren. Heute muss ich mich auf zwei cBaustellen„ konzentrieren, nämlich auf die Motoren- und Fahrzeugfertigung. Der zweite Punkt ist die Frage des Personals. Hier darf es keine Personalentwicklung auf Kosten der vorhandenen Bereiche geben. Uns hilft hier unter anderem eine Verinnerlichung eines unserer Werte, nämlich Teamplay. Unsere gesamte Fabrik mit all ihren Mitarbeitern kann als großes Team betrachtet werden. Letztendlich gibt es schließlich nur einen, der dafür verantwortlich ist, ob wir Erfolg haben oder nicht: das ist der Kunde. Erst, wenn wir unsere Kunden so weit begeistern können, dass sie sich für neue Automobile von uns entscheiden, dann gibt es Geld für uns.
Das Wachstum des Arbeitskräftestamms bei der Fahrzeugfertigung wird aber genauso strategisch und zielstrebig vorangetrieben wie bisher. In den vergangenen Monaten haben wir mehrere Hundert Mitarbeiter speziell für die Fahrzeugfertigung rekrutiert. Etwa 300 von ihnen befinden sich derzeit an anderen europäischen Audi-Standorten, wo sie in der Fertigung tätig sind und sich das später bei uns in Gyõr notwendige theoretische und praktische Knowhow aneignen.
Abgesehen von möglicher Konkurrenz um Arbeitskräfte kann es auch eine Konkurrenz in Sachen Aufmerksamkeit durch das Top-Management geben. Wie gehen Sie damit um?
Auch hier ist es wichtig, die Balance zu halten. Vergangenen Freitag habe ich mir den ganzen Nachmittag in der Motorenfertigung die neuen Linien und die neuen Abläufe angeschaut. Die Wertschätzung für die Fahrzeug- und Motorenfertigung und die weiteren Geschäftsfelder der Audi Hungaria müssen gleich verteilt sein. Diese Gefahr einer möglichen Ungleichverteilung sehe ich aber schon allein deshalb nicht, weil wir nach wie vor in allen Bereichen dynamisch wachsen: bei der Motorenproduktion, in der Fahrzeugproduktion, und auch im Werkzeugbau. Ebenso rasant wächst die Technische Entwicklung. Um all das zu flankieren, muss die gesamte Infrastruktur nachziehen. Wir brauchen neue Bürogebäude und Sozialbereiche. Gerade wird ein neues Betriebsrestaurant errichtet. Schritthalten müssen schließlich auch die gesamte Steuerung des Werkes, die Finanzprozesse und das Controlling. Über eine fehlende Aufmerksamkeit wird sich wahrscheinlich also keiner der genannten Bereiche so bald beklagen können.