Bis dicht unters Dach ist die Halle, welche die Rhenus Office Systems Hungary Kft. im ProLogis Park Budapest-Sziget in der Nähe von Szigetszentmiklós auf der Insel Csepel angemietet hat, mit Akten gefüllt. Trotzdem macht alles einen ordentlichen und aufgeräumten Eindruck. Verantwortlich dafür ist János Krégl, der die Firma seit knapp sechs Jahren als Geschäftsführer leitet. Im BZ-Interview erklärt er seine besondere Dienstleistung und äußert sich zu den Herausforderungen seiner Branche.
Wie lange gibt es Ihre Dienstleistung schon?
Sie ist relativ modern, es gibt sie erst seit rund 20 Jahren, praktisch seitdem man personal computer nebst Drucker am Schreibtisch hat und damit das Drucken von Dokumenten völlig unproblematisch wurde. Diese Voraussetzung führte zu einem gewaltigen Anwachsen der produzierten Aktenmenge. Dadurch, dass das Herstellen von gedruckten Dokumenten so einfach geworden ist, wird nicht mehr so intensiv darüber nachgedacht, was wirklich in gedruckter Form vorliegen muss. Früher bestand etwa ein Kreditvertrag in der Regel nur aus zwei maschinengeschriebenen Seiten mit nicht mehr als fünf Durchschlägen. Heutzutage ist so ein Vertrag um ein Vielfaches umfangreicher. Das hat zu einer unheimlichen Aufblähung der Bürokratie und damit der Menge an Dokumenten geführt. Während Akten früher noch bequem innerhalb eines Unternehmens Platz hatten und hier ordentlich gepflegt werden konnten, ist dies inzwischen vielfach ein Ding der Unmöglichkeit beziehungsweise zu unwirtschaftlich geworden. So entstand unsere Branche. Im Prinzip sind wir – um es einmal zugespitzt zu formulieren – Bürokratieprofiteure.
Auf der anderen Seite breiten sich aber auch die Digitalisierung von Dokumenten und der gänzliche Verzicht auf das Ausdrucken aus. Stichwort: papierloses Büro. Stirbt die Papierform nicht langsam aus?
Nein, ganz und gar nicht. Ein papierloses Büro wird es wohl nie geben. Vor allem aus drei Gründen nicht: zum einen bevorzugen Menschen für gewisse Dokumente aus mehreren Gründen einfach noch immer die gedruckte Form. Zum anderen entscheiden die Richter in Ungarn in Streitfällen bevorzugt aufgrund von Papierdokumenten. Und schließlich drittens: wenn alles nur noch in digitalisierter Form vorliegt, muss auch ständig die Kompatibilität bezüglich der Lese-Software gewährleistet sein, damit man die betreffenden Dokumente auch noch in 30 oder 40 Jahren lesen kann. Heute gilt beispielsweise keinesfalls als sicher, dass das pdf-Format, das beliebteste Format bei der digitalen Aufbewahrung von Dokumenten, in zehn oder 20 Jahren noch existiert. So kann es durchaus passieren, dass heutige pdf-Dokumente, dann nicht mehr lesbar sind. Man muss also darauf achten, dass man digitalisierte Dokumente ständig in einer lesbaren Version erhält. Über 2000 Jahre alte ägyptische-Papyrus Rollen kann man auch heute noch lesen, Dokumente auf nicht einmal 20 Jahre alten Disketten sind hingegen für nahezu alle Computeranwender inzwischen unerreichbar, also unlesbar. Aber natürlich sind wir keine Zukunftsverweigerer. Auch wir gehen mit der Zeit und digitalisieren auf Kundenwunsch bestimmte Dokumente, teilweise werden sie parallel gelagert und teilweise nur in der digitalen Version.
In wie weit spielt Ihre Firma bei der digitalen Lagerung von Dokumenten überhaupt noch eine Rolle?
Unsere prinzipielle Dienstleistung ist nicht etwa die Aufbewahrung von Papierakten, sondern Ordnung, beziehungsweise das systematische Lagern von Dokumenten in welcher vorliegenden Form auch immer, sodass sie im Bedarfsfall rasch gefunden werden können. Das entsprechende Knowhow kommt sowohl bei der Lagerung von physisch vorhandenen Dokumenten als auch von digitalisierten Dokumenten zum Tragen. Das entscheidende beim Digitalisieren von Dokumenten ist die Sortierung und Vorbereitung zum späteren Auffinden. Zu diesem Zweck werden die Akten mit Metadateien versehen. Dabei bekommen die digitalen Akten die gleiche Archivliste wie in Papierform vorhandene Akten. Ohne eine solche ist es nämlich sehr schwer, Akten im Bedarfsfall bei einem vertretbaren Zeitaufwand zu finden. Wir sind bezüglich aller uns übergebender Schriftstücke jederzeit auskunftsfähig und können sagen, wo sich eine bestimmte Akte befindet. Das ist das entscheidende. Denn was nützt mir ein Keller voller Akten, wenn ich ein benötigtes Schriftstück nicht sofort finde!
Ab welcher Aktenmenge ist es sinnvoll, sich an Ihre Firma zu wenden?
Bereits ab einer Akte. Bei uns gibt es keine Mindestaktenmenge. Wir haben tatsächlich etliche Kunden, von denen nur zwei Aktenkartons bei uns stehen.
Das ist wirklich nicht viel. Für zwei Kartons sollte doch in jedem beliebigen Büro Platz sein! Was ist das Motiv für diese Firmen, sich dennoch lieber an Ihre Firma zu wenden?
Das wichtigste Motiv dieser Firmen und aller anderen Firmen ist Sicherheit. Sowohl in Hinblick auf die jederzeitige rasche Verfügbarkeit, als den Schutz gegen Verlust und Missbräuche. Unsere Sicherheitskette ist lückenlos, von der Einlagerung bis hin zur Vernichtung von nicht mehr benötigten Akten.
Wie vollzieht sich die Aktenvernichtung?
Nach entsprechenden DIN-Normen wird sie bei uns innerhalb der eigenen Firma durchgeführt. Wir sorgen dafür und garantieren, dass Dokumente hundertprozentig in eine Form gebracht werden, in der sie nie wieder zu den ursprünglichen Schriftstücken zusammengefügt werden können. Zu diesem Zweck benutzen wir spezielle Schreddertechniken. Die Papierschnipsel werden anschließend zu großen Ballen gepresst und der Papierindustrie als Rohstoff zugeführt – bei uns wird also nichts verbrannt, wie man sich die Aktenvernichtung gemeinhin vorstellt. Neben absoluter Sicherheit garantieren wir also auch eine vollständige Umweltverträglichkeit.
Wie läuft es geschäftlich?
Ende 2005 haben wir in Ungarn begonnen. Seit zwei Jahren schreiben wir schwarze Zahlen. Derzeit beschäftigen wir 21 Mitarbeiter. Unser Lager mit einer Grundfläche von 3.000 Quadratmetern und einer Kapazität von 115 Aktenkilometern ist zurzeit zu 93 Prozent belegt. In Abhängigkeit von der Auftragslage, können wir unsere Kapazitäten durch die Anmietung von weiteren Lagerflächen rasch vergrößern. Räumliche Möglichkeiten sind in unserem Businesspark ohne weiteres vorhanden. Zusätzliche Kapazitäten werden in unserem Zentrallager auch dadurch entstehen, dass wir vorhaben, wenig oder gar nicht mehr bewegte Akten in einem derzeit noch im Entstehen begriffenen Günstiglager unterzubringen. Die Wirtschaftskrise geht aber auch an uns nicht spurlos vorbei, seit etwa ein bis zwei Jahren spüren wir deren Folgen.
Dabei könnte sich ein stärkeres Kostenbewusstsein auf der Kundenseite durchaus auch positiv auf Ihr Geschäft auswirken. Immerhin helfen Sie Ihren Kunden, Geld zu sparen.
Ja, die Kunden sparen mit uns tatsächlich Geld, da wir ihnen etliche Kostenpositionen abnehmen. Allerdings tritt dieser Kostenvorteil nur dann zu Tage, wenn die Kunden wirklich sämtliche, bei der Aufbewahrung von Dokumenten anfallenden Kostenpositionen berücksichtigen. Oft täuschen sie sich jedoch selbst, indem sie einige, weniger offensichtliche Kostenpositionen einfach unter den Tisch fallen lassen. So geht es etwa nämlich keinesfalls nur um die Mietkosten für einen zusätzlichen Lagerraum oder die Kosten für die Anschaffung von Regalen, sondern auch um Dinge wie Sicherheit und rasche Verfügbarkeit, die alle ihren Preis haben. Aber auch schon bei den offensichtlichen Kostenpositionen bieten wir ganz klare Kostenvorteile. So etwa indem die Kunden bei uns nur genau die Lagerfläche mieten, die sie auch wirklich für ihre Akten brauchen. Das ist insofern bedeutsam, da die meisten Firmen, die ihr Archiv in Eigenregie bei sich vor Ort betreiben, entweder über ungenutzte Lagerkapazitäten verfügen, also Platz angemietet haben, den sie momentan gar nicht nutzen, oder mehr Akten einlagern als sie an Kapazitäten besitzen, was wiederum auf Kosten der Ordnung, also der raschen Verfügbarkeit geht. Leistungsbezogen und transparent erfolgt bei uns übrigens auch die Abrechnung von Aktenbewegungen, das Einscannen und die Aktenvernichtung. Stets zahlt der Kunde nur für das, was er bei uns auch wirklich in Anspruch genommen hat.
t Sicher dürfte Ihre Firma auch davon profitieren, dass es insbesondere bei größeren international agierenden Firmen, heutzutage strikte Vorschriften für das Aktenmanagement gibt.
Ja, ganz genau, davon profitiert unsere Branche natürlich. Das erklärt auch, warum etwa 80 Prozent unserer Partner zu dieser Kundengruppe gehören.
Mit welchen Methoden schaffen Sie es, auch in diesen, wirtschaftlich angespannten Zeiten in den schwarzen Zahlen zu bleiben?
Etwa indem wir uns für neue Geschäftsfelder öffnen. So bieten wir inzwischen auch die Sortierung von Akten an – auf Wunsch sogar beim Kunden – und die Aktenrettung. Genauso wichtig ist es aber auch, vorhandene interne Sparpotenziale zu erschließen. Diesem Zweck gilt etwa die Schaffung des bereits erwähnten neuen Günstiglagers.
Wie rasch haben Kunden physisch Zugriff auf bei Ihnen eingelagerte Akten?
Im Prinzip funktioniert es so, als würden die Akten im Gebäude des Kunden lagern. Über das Internet kann er jederzeit einen vollständigen Blick auf seine Akten haben. Er kann halt nur nicht mal eben so in den Keller runter gehen und eine Akte hochholen, sondern muss eine Wartezeit von – je nach Vereinbarung – zwei bis maximal 24 Stunden in Kauf nehmen. Innerhalb dieser Zeitspanne wird dem Kunden die gewünschte Akte zugestellt – übrigens durch einen Rhenus-Mitarbeiter und mit einem Rhenus-Fahrzeug. Beides ist sehr wichtig für uns, da Diskretion und Vertrauen mit zu den Grundlagen unseres Geschäftsmodells gehören. Wir haben daher bewusst darauf verzichtet, uns aus Kostengründen bei der Aktenzustellung externer Dienstleister zu bedienen. Zum Thema Sicherheit gehört auch, dass man zwar mündlich eine Akte beantragen kann, sie von uns letztlich aber nur gegen ein schriftliches Dokument herausgegeben wird.
Welche Akten werden mit Blick auf die potentielle Nutzung bevorzugt bei Ihnen eingelagert?
Das ist absolut unterschiedlich. Wir haben Kunden, bei denen es täglich etwa 150 Aktenbewegungen gibt. Es gibt aber auch Aktengruppen, die fast überhaupt nicht mehr bewegt werden. Das Problem ist generell, dass zum Jetztzeitpunkt nie genau gesagt werden kann, ob und wann eine Akte im Laufe ihres Lebens noch einmal wichtig wird. Prinzipiell gilt, dass alle bei uns eingelagerten Schriftstücke irgendetwas beinhalten, was für deren Bewahrung spricht. Generell habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich die Kunden im Zweifelsfall dafür entscheiden, lieber ein Schriftstück aufzubewahren als es wegzuwerfen.
Beraten Sie Ihre Kunden auch dahingehend, was sich lohnt, aufzubewahren beziehungsweise wie lange etwas aufbewahrt werden sollte?
Prinzipiell lagern wir alles innerhalb der Fristen ein, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Bei Dokumenten, bei denen es keine gesetzlichen Aufbewahrungsfristen gibt, beraten wir unsere Kunden. Dort, wo wir ihnen helfen können, Kosten zu sparen, indem wir ihnen von der Einlagerung unnötiger Dokumente abraten, tun wir es selbstverständlich. Außerdem geben wir ihnen jedes Jahr aufgrund der Aufbewahrungsfristen eine genaue Aufstellung von Akten, die vernichtet werden können. Ganz wichtig ist dabei, dass alle Aktenvernichtungen schriftlich dokumentiert und in vollem Einverständnis mit den Kunden erfolgen. Durch die Aktenvernichtungen wird im Prinzip eine große Papiermenge auf eine unwesentliche Menge an Vernichtungsprotokollen reduziert. Generell denken wir langfristig. Wir wollen an zufriedenen Kunden verdienen, und nicht durch künstlich aufgeblähte Aktenmengen. Wer mit uns zusammenarbeitet, hat die Gewähr, dass wir von unserer Seite nicht mehr Akten einlagern als unbedingt notwendig.