
Ausgezeichnet: Geschäftsführer Javier González Pareja im Parlament zusammen mit Entwicklungszentrum-Direktor Jan Peter Stadler, Staatssekretär Zoltán Cséfalvay und HITA-Generaldirektorin Erzsébet Dobos (v.l.).
Seit Dezember vergangenen Jahres ist der Spanier Javier González Pareja als Nachfolger von Thomas E. Beyer Geschäftsführer der Robert Bosch Kft. und zugleich verantwortlich für die Vertretung der Bosch-Gruppe in Ungarn und in der Region Adria. Die Budapester Zeitung sprach mit ihm unter anderem über seine ersten Eindrücke und eigene Schwerpunktthemen.
Zuletzt waren Sie für Bosch auf dem Gebiet des Personalwesens tätig. Was sind besonders auf diesem Gebiet Ihre ersten Eindrücke in Ungarn?
Meine ungarischen Mitarbeiter sind sehr engagiert. Schon in der kurzen Zeit, in der ich hier bin, habe ich diesbezüglich sehr viele positive Erfahrungen sammeln können. Hervorheben möchte ich aber auch ihre Zuverlässigkeit. In Ungarn kann man sich voll auf Terminabsprachen verlassen. Beeindruckt bin ich aber auch vom guten Ausbildungsniveau der Mitarbeiter. Dass Bosch ein so großes und weiterhin dynamisch wachsendes Entwicklungszentrum ausgerechnet in Ungarn errichtet hat, kann auch als Kompliment gegenüber der Qualität des ungarischen Bildungswesens aufgefasst werden. In diesem Jahr hat die Robert Bosch-Stiftung erneut die Weiterbildung von hochbegabten Studenten in Mittelosteuropa unterstützt. Vier der zwanzig vergebenen Stipendien gingen in diesem Jahr übrigens nach Ungarn. Das nächstfolgende Land hat nur zwei bekommen. Auch das spricht für den hervorragenden Stand der theoretischen Ausbildung in Ungarn. Lediglich bei der besseren Anpassung an die Bedürfnisse der Praxis sehe ich noch Handlungsbedarf. Ebenso beim Thema Fremdsprachen, wenngleich sich hier – wie ich mir habe sagen lassen – in den letzten Jahren viel zum Positiven verändert hat.
Sie selbst gehen mit gutem Beispiel voran: Sie sind einer der wenigen Expat-Top-Manager, die Ungarisch können.
Sagen Sie lieber: …der auf dem guten Weg ist, Ungarisch zu sprechen. Ich habe mir das Ziel gesetzt, bei unserer Jahrespressekonferenz im Mai so weit zu sein, dass ich meinen Vortrag auf Ungarisch halten kann. Meine vorhandenen und angestrebten ungarischen Sprachkenntnisse haben übrigens bei der Personalentscheidung für meine Position eine nicht unwichtige Rolle gespielt. Bosch möchte in- und extern in der jeweiligen Landessprache kommunizieren. Von diesem Anspruch sind auch die leitenden Manager nicht ausgenommen. Abgesehen von praktischen Aspekten im Umgang mit seinen Mitarbeitern ist es für mich übrigens auch eine Frage des Respekts, dass man die jeweilige Landessprache wenigstens auf einem gewissen akzeptablen Niveau beherrscht. Dadurch wird aber auch der persönliche Alltag in seinem Gastland einfacher und öffnen sich nicht zuletzt neue kulturelle Perspektiven. Ich kann an dieser Stelle nur allen Expats empfehlen: Lernen Sie Ungarisch! Versäumen Sie diese Möglichkeit nicht! Wer es in eine Top-Manager-Position geschafft hat, der kann auch Ungarisch erlernen. Schieben Sie keine falschen Ausreden vor, fangen Sie einfach an zu lernen!
Verwenden Sie Ihre Ungarischkenntnisse bereits bei internen Besprechungen?
Durchaus. Um ehrlich zu sein, ab Donnerstagnachmittag aber immer weniger. Dann bitte ich meine Mitarbeiter gelegentlich, lieber auf Deutsch oder Englisch mit mir zu sprechen. Gerade am Anfang muss man sich bei Ungarisch sehr konzentrieren. Es ist doch eine für einen Westeuropäer sehr fremde Sprache. Da muss man schon voll bei der Sache sein. Bei unseren Meetings wird aber generell gelegentlich die Sprache gewechselt. Wir haben Mitarbeiter, die sehr gut Deutsch und solche, die sehr gut Englisch sprechen. Dass bei einer Besprechung alle gleichermaßen dieselbe Sprache gut beherrschen, ist eher die Ausnahme. Damit muss man halt flexibel umgehen, gelegentlich mal die Sprache wechseln, oder gewisse Dinge in einer anderen Sprache noch einmal wiederholen.
Wo wollen Sie neben der Sprache noch Akzente setzen?
Ich möchte mehr Frauen in Führungspositionen holen. Dass hat weniger frauenrechtliche, sondern vor allem unternehmerische Gründe. Es ist bewiesen, dass gemischte Führungsteams besser agieren, weil sie in der Lage sind, Probleme ganzheitlicher zu behandeln. Sie ergänzen sich gegenseitig. So ist es etwa eine Tatsache, dass Frauen etwa bei langfristigen Anschaffungen im Haushalt das entscheidende Wort haben. Diese Kompetenz muss sich unbedingt auch auf der produzierenden Seite widerspiegeln. Wir haben uns das Ziel gesetzt, in technischen Berufen 20 Prozent mehr Frauen einzustellen als der Marktdurchschnitt. Mit Mentoring-Programmen und flexiblen Arbeitszeitmodellen wollen wir diese Absicht unterstützen.

Javier González Pareja, Geschäftsführer der Robert Bosch Kft.: „Ungarn hat für Bosch eine enorm große Bedeutung.”
Was wollen Sie noch verändern?
Ich möchte den Anteil an lokalen Führungskräften noch weiter erhöhen. Hier sehe ich noch einiges Potenzial vor Ort. Dabei geht es übrigens nicht vordergründig um Geld. Vielmehr geht es hier um Themen wie Motivation und Bindung. Wenn es bei einem Unternehmen ab einer gewissen Stufe nur noch Expats gibt, dann ist das natürlich hoch demotivierend für lokale Mitarbeiter, weil sie wissen, dass ihre Karriere innerhalb des Unternehmens ab einer gewissen Stufe beendet ist. Daher sagen wir ganz klar: Wir wollen zum Beispiel in den ersten Führungspositionen zu etwa 90 Prozent lokale Mitarbeiter haben. An dem verbleibenden Expat-Anteil gibt es dann aber langfristig nichts zu rütteln. Ein gewisser Anteil von Expats wird mit Blick auf die Weiterentwicklung von Mitarbeitern, aber auch die Anbindung an die Mutterfirma stets notwendig sein. Bosch macht fast 80 Prozent seines Umsatzes im Ausland. Da zählen natürlich bei allen leitenden Mitarbeitern interkulturelle Fähigkeiten.
Wie schreitet der Bau Ihrer neuen Zentrale voran?
Planmäßig. Wir gehen weiterhin davon aus, dass der neue Komplex im Frühjahr 2013 eingeweiht werden kann. Die zweite Phase des Projektes befindet sich bereits in der Freigabephase. Wir sind zuversichtlich, dass sich die Errichtung des zweiten Gebäudetraktes nahtlos an die des ersten anfügen wird. Am Ende werden endlich alle unsere Budapester Aktivitäten in einem Gebäudekomplex vereint sein. Derzeit sind unsere Mitarbeiter allein am Budapester Standort Gyömrõi út auf sieben verschiedene Gebäude verteilt.
Wird es auch bei den Firmen der ungarischen Bosch-Gruppe Konsolidierungen geben?
Die Zahl von gegenwärtig elf Rechtseinheiten versuchen wir auf jeden Fall begrenzt zu halten und teils zu vermindern. So planen wir etwa im Juli die Buderus Hungaria Kft. in die Robert Bosch Kft. zu überführen. Neue Geschäftsaktivitäten, so etwa die durchaus vorstellbare Errichtung von Solarparks werden von vorn herein unter dem Dach der Robert Bosch Kft. stattfinden.
Was steht neben der bevorstehenden Einweihung des ersten Bauabschnitts Ihrer Zentrale in naher Zukunft an größere Ereignissen auf dem Programm?
Wir arbeiten permanent daran, die bestehenden Fertigungen zu erweitern und neue Produkte für die vorhandenen Kapazitäten zu gewinnen. Unsere Hallenkapazitäten sind dafür aber vorerst ausreichend. Schon jetzt erwirtschaften unsere etwa 8.000 Mitarbeiter einen Umsatz in der Größenordnung von etwa zwei Prozent des ungarischen Bruttoinlandsprodukts. Ein schöner Höhepunkt war für uns Ende Januar, als wir im Parlament den vom Investitionsförderer HITA ausgelobten Preis „Investor of the year“ in der Kategorie „Forschung und Entwicklung“ entgegennehmen konnten, einen Preis, der eigentlich drei Seiten zuteilwurde: Außer uns auch noch unseren Kooperationspartnern, den ungarischen Universitäten aber auch den ungarischen Institutionen, die die entsprechenden Rahmenbeding- ungen geschaffen haben. Übrigens hätte uns auch der Preis in der Kategorie „neugeschaffene Arbeitsplätze“ zugestanden, der in diesem Jahr an eine Firma für die Schaffung von etwa 900 zusätzlichen Arbeitsplätzen ging. Im gleichen Zeitraum, also im vergangenen Jahr entstanden bei der ungarischen Bosch-Gruppe insgesamt 1.700 neue Arbeitsplätze – allerdings verteilt auf unsere insgesamt elf verschiedenen Firmen, insofern gibt es an der Entscheidung der Jury nichts zu rütteln. Weltweit hat die Bosch-Gruppe im letzten Jahr übrigens rund 20.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Davon die Hälfte in Europa, von der wiederum 5.200 in Deutschland entstanden sind. Von den restlichen 4.800 neuen europäischen Bosch-Arbeitsplätzen entstand also etwa jeder dritte in Ungarn. Das verdeutlicht eindrucksvoll die große Bedeutung von Ungarn für Bosch.
Wie fällt der Vergleich der vorhandenen Fabriken aus?
Das Werk Hatvan ist mit weit über 3.000 Mitarbeitern weltweit das größte Werk von Bosch im Bereich Automotive Electronics. Das Werk in Miskolc von Electrical Drives ist wiederum innerhalb seiner Sparte das größte Werk von Bosch in Europa. In unserem Entwicklungszentrum konnten wir vor ein paar Tagen den 700. Ingenieur einstellen. Zur Erinnerung: Zeitgleich mit der Grundsteinlegung konnten wir letzten Oktober noch stolz die Einstellung des 600. Ingenieurs bekanntgeben. Damit ist Budapest für Bosch in Europa der größte Forschungs- und Entwicklungsstandort außerhalb Deutschlands.
Stoßen Sie bei Ihrer dynamischen Entwicklung nicht langsam an Personalgrenzen?
Nein, noch nicht. Es gibt in der Tat einen harten Kampf um Talente. Mittels verschiedener Maßnahmen wie unter anderem öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen und Kooperationen mit Universitäten schlagen wir uns aber bisher und hoffentlich auch weiterhin ganz gut. Dazu trägt auch unser gutes Image als Arbeitgeber bei. So landeten wir Ende Februar bei einer unter 247 Firmen durchgeführten Erhebung hinsichtlich des besten Arbeitsplatzes auf einem beachtlichen vierten Platz.
Wie zufrieden sind Sie mit den Rahmenbedingungen in Ungarn?
Egal in welchem Land, für uns ist eine langfristige Stabilität sehr wichtig. Hier könnte es auch in Ungarn sicher noch Verbesserungen geben. Wir schätzen die Perspektiven des Standorts Ungarn, sonst hätten wir hier nicht allein im letzten Jahr 1.700 Arbeitsplätze geschaffen.