Vorletzte Woche hielt sich Michael Löwy, Bereichsleiter / Internationale Beziehungen der österreichischen Industriellenvereinigung (IV), zu einem Arbeitsbesuch in Budapest auf. Nach seinen Gesprächen mit diversen ungarischen Institutionen gewährte er der Budapester Zeitung ein kurzes Interview.
Welche Stellung nimmt die Industriellenvereinigung in Österreich ein?
Sie entspricht etwa dem, was der BDI und der BDA in Deutschland darstellen, nur, dass die entsprechenden Funktionen in Österreich nicht getrennt abgedeckt werden. Im Gegensatz zur Wirtschaftskammer Österreich, die mit der deutschen DIHK vergleichbar ist, ist die Mitgliedschaft bei uns freiwillig. Unsere ungarische Schwesterorganisation ist der MGYOSZ. Alle drei Verbände, also IV, BDI und MGYOSZ, sind Mitglied im europäischen Dachverband Business Europe.
Mit welchen Institutionen führten Sie jetzt in Budapest Gespräche?
Natürlich mit dem MGYOSZ, darüber hinaus aber auch mit dem Volkswirtschaftsministerium, dem Bankenverband und dem Amt des Premierministers.
Was war der Hintergrund Ihrer Budapest-Visite?
Es war ein reiner Routinebesuch, wie wir ihn regelmäßig unseren Nachbarländern abstatten, um uns in persönlichen Gesprächen vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. In Ungarn wurden in letzter Zeit zahlreiche Maßnahmen beschlossen, die unmittelbare Auswirkungen auf den Unternehmeralltag haben. Da wollen wir natürlich gern genau wissen, wie sie beschaffen sind und welchen Hintergrund sie haben. Und das möglichst nicht über die Medien, sondern direkt aus erster Hand.
Wie zufrieden sind Sie mit den Erklärungen, die Sie erhielten?
Was ich gehört habe, war schlüssig und nachvollziehbar. Die Vorgängerregierungen haben massive Fehler gemacht. Das soll jetzt repariert werden. Diese Grundabsicht steht hinter den vielen Einzelmaßnahmen. Außerdem soll Ungarn wettbewerbsfähiger gemacht werden. Überall in Europa haben wir große Herausforderungen. Jede nationale Regierung versucht, diesen mit den unterschiedlichsten Methoden Herr zu werden. Die Frage ist jetzt, wie die verschiedenen Maßnahmen in der Praxis greifen, ob sie es vermögen, die finanzielle Situation zu stabilisieren und Wachstum zu generieren. Ganz oben steht aber die Frage nach dem IWF-EU-Paket, ob es hier gelingt, zu einer vernünftigen Einigung zu kommen. Um das dreht sich jetzt alles. Alles andere ist schön und interessant, ohne eine Übereinkunft würde allerdings der feste Boden fehlen. Deshalb hoffen wir sehr, dass es zu einer Einigung kommt. Das habe ich auch überall klar gesagt.
In welcher Atmosphäre verliefen Ihre Gespräche?
Sie war generell freundschaftlich, partnerschaftlich und offen. Als Nachbar wurden wir freundlich begrüßt. Man hat uns offen auf alle unsere Fragen geantwortet. Die Gespräche verliefen in der gleichen positiven Atmosphäre, wie ich sie übrigens seit Jahren in Ungarn gewohnt bin. Sie waren professionell und sachlich, unsere Erwartungen wurden befriedigt.
Hatten Sie konkrete Themen in Ihrem Gepäck?
Nein, uns wurde nicht aufgetragen, uns um konkrete Fälle zu kümmern oder gar Feuer zu löschen. Es ging uns ausschließlich um ein allgemeines Kennenlernen der Eckpunkte der ungarischen Wirtschaftspolitik. Aber auch um die Pflege von persönlichen Kontakten. So können wir – falls es doch einmal ein direktes Interesse gibt – dem jeweiligen Mitglied zur Lösung seines Problems einen konkreten Ansprechpartner vermitteln. Ziel unserer Visite war es einfach, aus erster Hand zu erfahren, wohin Ungarn geht und uns ein eigenes authentisches Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen. Schließlich bekommen wir immer wieder Anfragen in Sachen Ungarn, die wir natürlich kompetent und nach bestem Wissen und Gewissen beantworten wollen. Dafür ist uns das, was in ausländischen Zeitungen über Ungarn zu lesen ist, nicht genug.
… zumal die Ungarnberichterstattung in Österreich nicht mehr so sachlich ist, wie sie einmal war.
Eine Zweidrittelmehrheit ist per se weder gut noch schlecht, sie ist schlicht die Widerspiegelung der ungarischen Wählermeinung. Ungarn ist ein wichtiger Partner für uns und wir wollen, dass das so bleibt. Jedes Land muss seine Hausaufgaben machen. Die österreichische Wirtschaft will weiter in und mit Ungarn gute Geschäfte machen, beide Seiten sollten ihren Teil dafür leisten. Wir sollten nach vorn blicken und uns nicht auf einzelstaatliche Probleme fokussieren. Dabei sollten wir möglichst eng zusammenarbeiten, auch auf regionaler Basis.
In welcher Art und Weise?
Es wäre zweckdienlich, wenn etwa Länder der Region mit einer ähnlichen Größe, also Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien und Österreich, intensiver miteinander zusammenarbeiten und sich austauschen würden. Zumal deren Volkswirtschaften stark verbunden sind. Hier würde ich mir mehr Mitteleuropa und mehr Austausch untereinander wünschen. Ein stärkerer mitteleuropäischer Geist würde uns allen guttun. Eine engere Abstimmung und ein besserer Informationsaustausch würde allen helfen. Im Idealfall könnte es sogar so weit gehen, dass die Länder bei gewissen Dingen mit einer einheitlichen Stimme auftreten. Auf der Arbeitgeberebene gibt es übrigens bereits eine informelle Gruppe, die sich zwei Mal pro Jahr trifft. Mit dabei sind außer den genannten Ländern auch Bulgarien und Rumänien. Etwas ähnliches würden wir auch auf Regierungsebene benötigen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Europäischen Union?
Die Gemeinschaft steht vor der größten Herausforderung seit ihrer Gründung. Jedes Land, so auch Österreich, muss dabei seine Hausaufgaben erledigen. Dann kommen wir wieder nach oben. Wir müssen der Welt wieder zeigen, dass wir handlungsfähig sind und unsere Probleme selber in den Griff bekommen. Es gibt hier aber keinen Automatismus. Europa hat im Laufe seiner Geschichte wiederholt bewiesen, dass es die Fähigkeit besitzt, Krisen zu meistern. Warum sollten wir es diesmal nicht wieder schaffen!