Kündigungsschutz teilweise gelockert
Im zweiten Teil der Serie zu dem am 1. Juli 2012 in Kraft tretenden neuen Arbeitsgesetzbuch (ArbG) beschäftigen wir uns mit der Kündigung von Arbeitsverhältnissen und den daraus häufig folgenden Kündigungsschutzprozessen. Wenngleich auch das neue ArbG den Arbeitnehmerschutz nicht wesentlich schwächt, wurden doch einige, gerade auch aus ausländischer Arbeitgebersicht ungewöhnliche „Phänomene“ des ungarischen Arbeitsrechts korrigiert.
Das ArbG modifiziert einige Begriffe, so wird aus der ordentlichen Kündigung eine Kündigung und aus der außerordentlichen Kündigung eine Kündigung mit sofortiger Wirkung. Es ändern sich aber weder die gesetzlichen Kündigungsfristen, noch die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kündigung bereits bei Ausspruch schriftlich zu begründen. Kündigungsgründe können auch weiterhin nur sogenannte personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe, im Falle der Kündigung mit sofortiger Wirkung nur verhaltensbedingte Gründe sein. Die Parteien können das Recht zur Kündigung auch für einen Zeitraum von längstens einem Jahr vertraglich ausschließen.
Arbeitnehmer im Krankenstand genießen keinen Kündigungsschutz mehr
Eine wesentliche Änderung ist allerdings, dass ein Arbeitnehmer im Krankenstand grundsätzlich keinen Kündigungsschutz mehr genießt. Bislang konnte eine Kündigung während der Dauer der Krankschreibung nicht ausgesprochen werden, was in der Praxis zu dem häufig zu beobachtenden Phänomen der Flucht in den Krankenstand führte, sobald ein Arbeitnehmer die Absicht seines Arbeitgebers ahnte. Da der Lauf der Kündigungsfrist aber erst mit dem Ende des Krankenstands beginnt, unterscheiden sich die Rechtsfolgen im Vergleich zur bisherigen Regelung im Ergebnis nicht, der wesentliche Unterschied besteht daher nur darin, dass eine Kündigung, anders als bislang, dem Arbeitnehmer auch im Krankenstand zugestellt werden kann. Auch ist neu, dass sich an das Ende des Krankenstandes keine Karenzzeit mehr anschießt, diese betrug bislang je nach Dauer des Krankenstandes bis zu dreißig Tage.
Neu ist auch, dass die Schwangerschaft eine Kündigung künftig erst ab dem Zeitpunkt ausschließt, in dem diese dem Arbeitgeber mitgeteilt wurde. Dafür kann außerhalb der Elternzeit eine Mutter oder ein alleinerziehender Vater bis zum Erreichen des dritten Lebensjahres des Kindes nur dann betriebsbedingt gekündigt werden, wenn beim Arbeitgeber keine offene, den Qualifikationen des Arbeitnehmers entsprechende Arbeitsstelle vorhanden ist bzw. der Arbeitnehmer diese abgelehnt hat.
Künftig muss der Arbeitnehmer vor dem Ausspruch einer Kündigung bzw. einer Kün-digung mit sofortiger Wirkung nicht mehr angehört werden. Schließlich ist jetzt auch gesetzlich geregelt, entsprechend der bisher schon herrschenden Praxis, dass der Beginn der Kündigungsfrist in der Kündigung festgelegt werden kann und nicht zwangsläufig auf den Tag der Übergabe der Kündigung fallen muss. Ebenfalls ist neu, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis auch im Wege der Kündigung beendet werden kann, wobei die diesbezüglichen Fälle neben dem Konkurs oder der Insolvenz des Arbeitgebers auf Fälle höherer Gewalt und auf personenbedingte Gründe beschränkt sind. Die Möglichkeit des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung durch ein „Freikaufen“ zu beenden, indem er dem Arbeitnehmer das auf die verbleibende Dauer der Befristung entfallende Entgelt, höchstens aber ein durchschnittliches Jahresgehalt bezahlt, besteht weiterhin.
Ziel ist eine Verringerung der Zahl der arbeitsgerichtlichen Verfahren
Der gesetzliche Abfindungsanspruch bleibt der Höhe nach unverändert, wesentliche Änderung ist aber, dass dieser nur noch bei betriebsbedingten Kündigungen und dann besteht, wenn der personenbedingte Grund gesundheitsbedingt ist.
Laut der Begründung des ArbG ist ein Ziel des ArbG die Verringerung der Anzahl arbeitsgerichtlicher Verfahren. Ob dies gelingt, bleibt sicherlich abzuwarten. Jedenfalls ist im Falle der rechtswidrigen Kündigung nicht mehr der Anspruch auf Wiedereinstellung, sondern Schadensersatz die grundsätzliche Rechtsfolge. So kann der Arbeitnehmer seine Wiedereinstellung nur in einigen, im ArbG abschließend aufgezählten Fällen fordern (etwa bei einem Verstoß gegen ein Kündigungsverbot). Ganz wesentlich ist aus Arbeitgebersicht auch, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist und nicht erst mit der Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozess endet. Bislang war aufgrund des gesetzlichen Anspruchs des Arbeitnehmers auf seinen entgangenen Lohn (unter Anrechnung anderweitigen Verdienstes) ein Kündigungsschutzprozess häufig mit unkalkulierbaren Risiken für den Arbeitgeber verbunden, da solche Prozesse bis zur Rechtskraft häufig mehrere Jahre dauerten und der Arbeitgeber sich am Ende eines solchen Prozesses häufig mit Forderungen in Höhe mehrerer Jahresgehälter konfrontiert sah. Künftig kann ein Arbeitnehmer unter dem Aspekt des entgangenen Lohns nur noch einen Schadensersatz von höchstens zwölf Durchschnittsgehältern fordern. Diese Regelung dürfte mithin zwar nicht dazu beitragen, dass sich die Zahl der Kündigungsschutzprozesse wesentlich verringert, allerdings fällt das bislang häufig zu beobachtende Interesse von Arbeitnehmern und deren Prozessvertretern weg, solche Verfahren über Jahre zu ziehen.
Andreas Köhler,
Dr. Gábor Jagicza
Rechtsanwaltskanzlei
Kõvári Tercsák Salans