„Unternehmen, Kultur, Verbürgerlichung“
Die Budaer Burg mit ihrem atemberaubenden Ausblick auf die Pester Seite ist auch im Winter ein idealer Ort für Spaziergänge. Und wenn der Burgbesucher schon die geschichts-trächtigen Mauern passiert, dann lohnt sich auch ein kurzer Abstecher in die Nationalbibliothek Széchényi. Derzeit bietet dort eine Ausstellung über Gustav Heckenast ein Stück ungarische Verlagsgeschichte mit deutschem Bezug.
Er eröffnete neue Räume für die deutsch-ungarischen Beziehungen.
Anlass der aktuellen Schau ist der 200jährige Geburtstag des in Kaschau (heute Slowakei, Kosice) geborenen deutschen Buchhändlers und Verlegers, Gustav Heckenast (1811-1878). Im Fokus der Ausstellung „Unternehmen, Kultur, Verbürgerlichung“ steht nicht ausschließlich die emblematische Person des ungarischen Verlagswesens der Zeit, vorgestellt werden auch verschiedene Aspekte der Geschichte des 19. Jahrhunderts, etwa zur Gesellschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft.
Gustav Heckenast erblickte am 2. September 1811 als Sohn des Pastors Michael Heckenast das Licht der Welt. Er besuchte die Schule in Kaschau und in Eperies. Anschließend begann er eine Lehre bei einem Spezereihändler in Eperies, wechselte jedoch 1827 als Gehilfe in die Pesther Buchhandlung seines Schwagers Otto Wigand. 1833 übersiedelte Wigand nach Leipzig, so übernahm der junge Heckenast die Leitung des Geschäfts in Pesth. 1835 wurde er selbstständiger Buchverleger und bald wichtigster Pesther Buchhändler mit weitreichenden Verbindungen im In- und Ausland.
Schon 1836 beantragte er bei der Stadthalterei die Eröffnung einer Leihbibliothek, doch die Zulassung erfolgte erst 1838, im Jahr der großen Überschwemmung in Pesth. Auch die Heckenast-Buchhandlung blieb vom Hochwasser nicht verschont. Auf Initiative von Graf János Mailáth und Sigismund Saphir wurde ein fünfbändiges „Budapester Überschwemmungsbuch“ mit Werken ungarischer Autoren verlegt: der gesamte Erlös wurde dem Heckenast-Unternehmen gespendet.
1841 begann die Zusammenarbeit mit Lajos Landerer. Nach dem Tod des Geschäftspartners wurden dessen Erben 1863 entschädigt und Heckenast brachte das Unternehmen – Druckerei, Verlag und Redaktion – in einem Gebäude unter. 1873 verkaufte Gustav Heckenast sein Unternehmen an die Franklin-Gesellschaft, in der er noch anderthalb Jahre Mitglied der Direktion war.
Die bei Landerer-Heckenast hergestellten Drucke wurden fester Bestandteil der ungarischen Geschichtsschreibung. So wurden hier zur Zeit der Märzrevolution 1848 die berühmten Zwölf Punkte – deren erster die Pressefreiheit beinhaltete – und später die Kossuth-Banknoten gedruckt. Diese sowie eine Columbia-Preß- und Druckmaschine sind im ersten Ausstellungsraum ausgestellt, denn Verlagstätigkeit und Druckerzeugnisse bilden die erste thematische Einheit. Im zweiten Teil steht Gustav Heckenast als Verleger im Mittelpunkt: Die Sammlung der Nationalbibliothek ergänzen aus dem Nachlaß der Heckenast-Familie in Montreal ausgeliehene Exponate.
Zum Programm des Verlegers gehörten literarische, wissenschaftliche, linguistische Ausgaben, sowie Wörterbücher, Lexika, Musikkompositionen und Kunstalben. Ein bedeutender Teil davon sind deutsche Titel, denn seit 1841 war Heckenast Verleger von Adalbert Stifter und nach 1869 von Peter Rosegger. Auch Briefe liefern einen Einblick in verlagstechnische Prozesse, beispielsweise sind ein deutschsprachiger Brief vom ungarischen Schriftsteller János Arany – an Heckenast adressiert – und ein Vertrag zwischen dem Dichter Károly Kisfaludy und Heckenast aus dem Jahre 1837 ausgestellt.
Die Zeitreise wird mit dem dritten Raum vervollständigt, in dem die Privatsphäre im Fokus steht. Ein gutbürgerlicher Salon beeindruckt den Besucher, hier findet man auch das Familienpianino und Bleistiftzeichnungen Heckenasts unter anderem des Pianisten Robert Volkmann, von dem Heckenast zahlreiche Werke verlegte.
Obwohl die Begleittexte der Heckenast-Ausstellung nur ungarisch verfaßt sind, sind die Exponate und Druckerzeugnisse auch für deutschsprachige Besucher interessant, da Gustav Heckenast auch in seinem Verlagsprogramm darauf achtete, Brückenbauer für ungarisch- und deutschsprachige Leser gleichermaßen zu sein.
Die Heckenast-Ausstellung in der Landesbibliothek Széchényi, Palast Budaer Burg, Gebäude F (VI. Etage) ist bis zum 30. März zu besichtigen. Weitere Infos: www.oszk.hu